Es hat ein bisschen gedauert, bis sich der neue Bobdominator mit der gefühlten Niederlage abfinden konnte. Als Titelverteidiger ist Johannes Lochner schließlich in dieses Zweierbob-Rennen bei der Heim-WM in Winterberg gegangen, noch dazu hat er seit gut einem Jahr gerade im kleinen Schlitten den Maßstab vorgegeben. Da fällt es schwer, einen dritten Platz zu akzeptieren.
Noch dazu, wenn der größte Widersacher Francesco Friedrich am Ende wieder mal ganz oben steht und mit Adam Ammour der Jungstar der deutschen Mannschaft Zweiter wird. Unterm Strich, sagt Lochner nach kurzem Innehalten, dürfe man ihm natürlich zur WM-Bronzemedaille gratulieren. Denn zwischen jener Dominanz und diesem dritten Platz liegt ein schwerer Sturz, der einiges verändert hat. "Normalerweise sollte ich ja zu Hause mit Halskrause im Bett liegen. Ohne die Ärzte und Physios würde ich nicht hier stehen", erklärt Lochner, der anderthalb Wochen vor der WM beim Training für den Weltcup in Altenberg mit dem Viererbob gestürzt ist.
Johannes Lochner hat sich einen steifen Nacken zugezogen
Neben schmerzhaften Prellungen hat sich Lochner, wie es die Bobfahrer nach Stürzen oft lapidar ausdrücken, einen steifen Nacken zugezogen. Eine ernsthafte Verletzung der Halswirbelsäule konnte mittels MRT zwar rasch ausgeschlossen werden. Was blieb, war der Schreck, eine Trainingspause in der wichtigsten Saisonphase sowie auch ein Stück weit Verunsicherung, ob ein WM-Start die richtige, also eine vernünftige Entscheidung ist. Für Lochner hat sich die Frage nicht gestellt – bis es ihm gleich beim ersten Schritt im ersten der WM-Läufe erheblich im Nacken stach und beim dritten Schritt noch einmal. Schlecht war daraufhin die Startzeit, gerade auf der vergleichsweise einfachen Winterberger Bahn ein entscheidendes Kriterium, schlecht war zudem die Fahrt – und dementsprechend das Ergebnis. 0,25 Sekunden Rückstand auf Friedrich, der einen Bahnrekord vorgelegt hatte – für nicht wenige Experten war die WM damit bereits entschieden.
"Ich hatte mich ja seit dem Sturz keinen Millimeter bewegt, denn ich hatte immer die Panik, dass der Nacken wieder zumacht. Und genau so war es im ersten Lauf, und dann fährst du auch nicht befreit, ziehst komplett verkrampft den Kopf und hoffst, dass es nicht noch schlimmer reinschießt", erklärt Lochner. Zum Glück, so sagt er das, sei der Doc gleich da gewesen und habe die richtige Stelle angespritzt. "Danach wurde ich Tag und Nacht behandelt. Jetzt kann ich meinen Kopf einigermaßen bewegen", berichtet der 33 Jahre alte Weltklassepilot aus Berchtesgaden. Und tatsächlich lief es für ihn am zweiten WM-Tag deutlich besser, nur war der Rückstand auf den neuen alten Bobdominator Friedrich, der zwei weitere Bahnrekorde folgen ließ, sowie den erstaunlich abgeklärt fahrenden Ammour schon zu groß. Kaum im Ziel mit dem Zweierbob ist Lochners Blick deshalb nach vorn gegangen aufs zweite WM-Wochenende mit der Königsdisziplin Viererbob. "Ich hoffe, dass es jetzt nicht wieder schlechter wird und wir die Sache in den Griff kriegen, dann können wir im Vierer von Anfang an Vollgas geben", sagt der Bayer.
Statt einer Kampfansage gibt es einen lockeren Spruch in Richtung Friedrich
Zu einer Kampfansage an Friedrich, der im großen Schlitten nun wieder mehr denn je als Topfavorit gilt, lässt er sich allerdings nicht hinreißen. Einen lockeren Spruch hat Lochner, wie es seine Art ist, aber immer drauf. "Erst mal müssen wir schauen, dass wir wieder einen Bob haben, denn den habe ich nämlich in Altenberg kaputt gemacht. Doch ich denke, der wird schon wieder laufen", sagt der zweimalige Olympiazweite von 2022. Sein Dank geht dabei an die Mitarbeiter der Forschungs- und Entwicklungsstelle für Sportgeräte, kurz FES, in Berlin. Auch sie hatten nach dem Sturz einige Nachtschichten, um Lochners beim Sturz zerbrochenen Viererbob zu reparieren. "Wenn das Training gut funktioniert, können wir auch ganz vorne mitfahren", sagt Lochner, was nichts anderes heißt als gewinnen. So wie 2017 bei der WM am Königssee, damals zeitgleich mit Friedrich, als Lochner zuvor im Zweier auch Dritter war – und Friedrich gewonnen hatte.