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Basketball
Jetzt träumen die Ulmer Basketballer von der Meisterschaft
Ulm kickt nach Alba Berlin auch die Bayern aus den Play-offs und zieht in die Finalserie ein. Damit ist klar: Im deutschen Basketball wird etwas Unerhörtes passieren.
Pit Meier
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:42 Uhr

Nach Hause wollte an diesem Abend sowieso kein Spieler von Ratiopharm Ulm so bald, aber am längsten war Tommy Klepeisz im Innenraum der Halle. In österreichischer Mundart plaudernd, scherzend, Umarmungen austauschend, Selfies schießend. Der Kapitän hatte Besuch aus seiner Heimat bekommen, aus Güssing im südlichen Burgenland. Mehr als 600 Kilometer einfache Strecke sind das, sechseinhalb Stunden Fahrtzeit. Trotzdem waren sie alle da: die Familie, die alten Kumpels und die früheren Mannschaftskameraden von den Güssing Knights. „Das sind teilweise meine Sandkastenfreunde“, sagte Klepeisz: „Die kommen nicht immer. Nur zu ganz besonderen Spielen.“

Ein ganz besonderes Spiel für die Ulmer

Es war für ihn und seine Mannschaftskameraden in der Tat ein ganz besonderes Spiel. Ulmhat es gegen Bayern München mit 104:102 nach Verlängerung gewonnen, damit nach Alba Berlin sensationell das zweite Superschwergewicht aus den Play-offs der Basketball-Bundesliga geworfen und die Finalserie erreicht. 

Damit steht fest, dass in diesem Jahr etwas ganz und gar Unerhörtes passieren wird. Anders als in allen Spielzeiten seit 2009 werden nicht die Bayern, Alba oder Bamberg deutscher Meister, sondern ein Verein, der das in seiner Geschichte noch nie war. Nämlich Ratiopharm Ulm oder die zweite Überraschungsmannschaft Bonn. 

Am kommenden Freitag steigt das erste Finalspiel gegen Bonn

Das erste Finalspiel findet am kommenden Freitag um 20.30 Uhr in der früheren Bundeshauptstadt statt, vorab spricht es der Ulmer Trainer Anton Gavel erstmals unumwunden aus: „Wir werden versuchen, um den Titel zu kämpfen.“ Als Spieler war er mit Bamberg und den Bayern fünfmal deutscher Meister, jetzt kann er das auch als Trainer in seiner allerersten Saison in der Bundesliga schaffen. 

Für Gavels viel erfahreneren Kollegen Andrea Trinchieri war es ebenfalls ein besonderes Spiel– nämlich sein letztes als Trainer der Bayern-Basketballer. Der Abschied des temperamentvollen Italo-Kroaten galt als sicher, am Freitag wurde er nun von Trinchieri selbst erstmals öffentlich bestätigt. Man wird ihn ein bisschen vermissen in der Bundesliga, den Lebemann aus Mailand, der am Freitag noch einmal sein ganzes Repertoire an Emotionen auspackte. 

Die Pressekonferenz nutzte Trinchieri für eine Dankesrede, in die er alle seine Assistenztrainer einschloss und alle sonstigen Mitarbeiter – von denen gibt es viele beim Krösus der Basketball-Bundesliga. Wegen eines technischen Fouls gegen ihn wegen Meckerns kurz zuvor regte sich Trinchieri noch einmal herrlich und unnachahmlich über die Schiris auf: „In der Verlängerung meines letzten Spiels. Das wird ein eigenes Kapitel in meinem Buch.“ Dann schloss er seine Ausführungen ab mit „Grazie, arrivederci“. Dem Vernehmen nach geht Trinchieri nach Bologna. 

Kein Vorwurf vom Trainer des FC Bayern München

Den eigenen Spielern wollte er diesmal keinen Vorwurf machen: „Sie haben alles auf dem Platz gelassen.“ Gereicht hat es trotzdem nicht für Bayern München und das ist indirekt ein fettes Kompliment für die Ulmer Mannschaft. Der krasse Außenseiter ist zudem gegen die Basketballfiliale des Fußball-Rekordmeisters nicht einfach nur weitergekommen, sondern er hat etwas geschafft, was in Basketballkreisen „Sweep“ genannt wird. Das bedeutet „fegen“, die Profis und die Fans benutzen dieses Wort, wenn eine Mannschaft sich in einer Serie auf die schnellstmögliche Art durchsetzt: drei Spiele, drei Siege. 

Das dritte Duell war das knappste und zweimal hatten die Ulmer das bisschen Glück, das man halt auch braucht. Das erste Mal, als ihr amerikanischer Routinier Brandon Paul kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit einen Dreier zum 92:92-Ausgleich traf. Das zweite Mal, als Andreas Obst in der Schlusssekunde der Zusatzschicht einen völlig freien Dreier für die Bayern eben nicht traf. Der Rest war Jubel, Ehrenrunde, Sweet Caroline, das volle Programm. Nationalspieler Karim Jallow grüßte beim Interview am Magenta-Mikro Oma Ingrid in Bayreuth und ganz Basketball-Ulm träumt weiter von der ersten deutschen Meisterschaft der Vereinsgeschichte. 

Die kurzfristigen Perspektiven sind sehr gut, die mittelfristigen sind es auch. Verträge bieten in dieser von extremer Fluktuation geprägten Sportart zwar keine Gewissheiten. Aber weil die meisten der Arbeitspapiere der Ulmer Spieler Gültigkeit über diese Saison hinaus haben, gibt es zumindest Hoffnung darauf, dass im Herbst erstmals seit Jahren eine einigermaßen eingespielte Ulmer Mannschaft in die nächste Saison startet. Die Chancen sind jetzt noch ein bisschen besser geworden. Vor dem dritten Spiel gegen die Bayern gab der Verein bekannt, dass Jallow und Philipp Herkenhoff um jeweils zwei Jahre verlängert haben.

 
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