Verletzt - was nun? Es ist der Alptraum eines jeden Fußballers - egal ob Profi oder Amateur. Nach dem Arztbesuch folgt die Gewissheit: die Verletzung ist schwer und hat eine wochen- oder gar monatelange Ausfallzeit zur Folge. Doch wie geht man damit um? Was passiert in der Zeit vom Tag der Verletzung, über die Rekonvaleszenz, bis hin zur Rückkehr auf den Fußballplatz . Zwei bekannte Akteure der Rhöner Fußball-Szene erzählen, wie's ihnen ergangen ist.
Simon Snaschel, unter anderem Torschützenkönig in der Bayernliga für den TSV Großbardorf , und mittlerweile spielender Co-Trainer beim TSV Münnerstadt , hatte schon drei schwerere Knieverletzungen, musste jeweils operiert werden. Die letzte, ein Knorpelschaden im Knie, erlitten zu Beginn der Rückrunde vergangene Saison, zwang Snaschel zu einer Pause von sieben Monaten.
Der 32-Jährige kehrte erst Ende Septemberin den Kader zurück und konnte in vier Spielen bei Teilzeiteinsätzen drei Treffer erzielen. Als die Verletzung passierte, war ihm bewusst, dass etwas kaputtgegangen ist. "Es war ja nicht meine erste Knieblessur. Nach der Diagnose war ich ein Stück weit erleichtert, Klarheit zu haben und von da ab nach vorne zu schauen. Am schlimmsten ist die Ungewissheit direkt nach der Verletzung."
Tim Eckert, Schaltzentrale im Mittelfeld des Kreisligisten VfR Sulzthal, musste im Sommer zum zweiten Mal wegen Verletzung länger pausieren. Beim ersten Mal, im April 2019 fiel der 29-Jährige sogar 18 Monate aus.
Zweite größere Zwangspause
Diesmal, beim eine Woche vor Rundenstart zugezogenen Syndesmosebandriss im Sprunggelenk, dauerte die Zwangspause zwar "nur" zweieinhalb Monate, dennoch lange genug, dass ihm viele Gedanken durch den Kopf schwirrten. "Die Aktion, als es passierte, war an sich gar nicht so wild. Ein Gegenspieler ist mir auf den Unterschenkel gefallen. Ich habe zwar gemerkt, dass etwas 'faul' ist, doch ich dachte, dass es nach ein paar Minuten schon wieder gehen wird. Das sollte sich als Trugschluss herausstellen."
Nach dem Arztbefund dachte Eckert sich: "Nicht schon wieder. Das ganze Gerenne von einem Arzt zum anderen hätte ich mir gerne erspart, zumal wir gerade in die Kreisliga aufgestiegen waren und ich eine gute Form hatte. Man denkt freilich auch an die Kameraden, die ohne einen auskommen müssen."
Den Kopf in den Sand zu stecken kam für beide Kicker nicht in Frage. "Mein Leben besteht glücklicherweise nicht nur aus Fußball. Natürlich ist es nicht schön zu realisieren, dass man für einige Zeit auf etwas verzichten muss, was einem unheimlich viel Freude bereitet", erklärt Snaschel, der in dieser Zeit viel Unterstützung von seiner Frau und seiner Familie erfuhr: "An einer Verletzung mit Operation hängt unheimlich viel dran, da man zeitweise komplett unselbstständig ist. Ich bin unheimlich dankbar, wie viel Zeit und Energie die Menschen um mich herum geopfert haben, damit ich möglichst schnell wieder meinem Hobby nachgehen kann."
In kleinen Schritten wandelte sich für den Vollblutstürmer die Situation im Kopf. Mit jeder Heilungsphase konnte er mehr machen. Erst leichte Übungen, dann Krafttraining. Er freute sich über alles, was schmerzfrei funktionierte.
Tim Eckert fragte sich ständig: Wann geht es wohl wieder? "Machtlos am Spielfeldrand zu stehen und nicht helfen zu können war der blanke Horror. Am schlimmsten war es bei der Pokalniederlage in Waldfenster, wo meine Cousins Stefan und Thomas Eckert spielen. Es hat sich erst geändert, als ich wieder auf dem Platz stand. Da fiel mir eine Last ab." Bis dahin habe ihn seine Familie sehr unterstützt und immer gut zugeredet. Auch die beiden Physiotherapeuten Nadine Neder und Felix Keß, auch Teamkollege, hätten schnell weitergeholfen.
Als Co-Trainer war Simon Snaschel während der Verletzung sehr nahe bei der Mannschaft: "Da muss ich ehrlicherweise zugeben, dass es manchmal umso schwerer ist, wenn man direkt am Spielfeldrand oder auf dem Trainingsplatz steht, aber selbst nicht kicken kann. Es gab schon Tage, an denen ich gerne auch etwas Abstand gehabt hätte."
Auch bei Sulzthals Eckert gab es Momente, in denen er sich gegen über seiner Truppe zurückzog und "nur" Zuschauer sein mochte. "Wobei man das relativieren muss. Als Teil der Mannschaft ist man nie einfach nur Zuschauer. So wollte ich meist überall dabei sein. Von der Abschlussbesprechung, den Treffpunkt zum Spiel, Kabine, Warmmachen, Auswechselbank und Halbzeitansprache."
Stück für Stück herantasten
Ein ganz wichtiger Punkt nach einer Verletzung ist das Aufbautraining. Sich Stück-für-Stück wieder mehr sportlich zu betätigen, um für die Rückkehr auf dem Platz perfekt vorbereitet zu sein. Das klappt bei den Profis, die ständig unter ärztlicher Aufsicht stehen, meist sehr gut. Der Amateurfußballer hingegen ist zum Großteil auf sich alleine gestellt und neigt nicht selten dazu, die Situation nicht ganz richtig einzuschätzen, wie Eckert bestätigt: "Auch wenn man vom gesamten Umfeld hört, dass ein verfrühtes Einsteigen die Rekonvaleszenz nur verlängern kann, ist der Ehrgeiz natürlich groß. Man möchte keine mögliche Einsatzzeit verpassen, gerade wenn es sportlich beim Team nicht so läuft."
Simon Snaschel stimmt dem zu: "Unabhängig von der Rolle in der Mannschaft will man so schnell wie möglich wieder auf den Platz. Der Körper zeigt einem dann erfahrungsgemäß recht schnell, dass man es übertrieben hat. Es braucht auf jeden Fall viel Geduld und Selbstdisziplin."
Ist die Rückkehr geschafft, ist die Begeisterung und Genugtuung, dass das betroffene Körperteil nach all den Mühen "hält", groß. Tim Eckert nennt aber die Schwierigkeit, die dieser Moment mit sich bringt: "Gerade hier ist die Gefahr zu übertreiben am größten. Man fühlt sich wie ein blutiger Anfänger, weil einem zunächst wenig bis gar nichts gelingt und es Zeit und Praxis braucht, bis Form und Fähigkeiten zurückkehren."
Zwei Spiele ist Eckert nun wieder mit von der Partie. Zuletzt gelang mit dem VfR der erste Saisonsieg, was es leichter macht, die Verletzungsvergangenheit zu bewältigen: "Die Verletzung spielt kaum noch eine Rolle. Jetzt gehen einem eher Sachen durch den Kopf, wie zum Beispiel der nächste Pass an den Mann kommt."
Für Simon Snaschel ist es "einfach nur schön, wieder auf dem Platz zu stehen." Das erste Spiel war etwas Besonderes. Auf dem Platz sei der Knorpelschaden kein Thema, "aber gerade nach den Trainingseinheiten oder den Spielen höre ich genauer in den Körper hinein und muss neben dem Platz mehr investieren, um gesund zu bleiben". Nach der langen Pause würden zum einen die Automatismen auf dem Platz fehlen; man fühle sich teils als Fremdkörper im Spiel. Auf der anderen Seite dauere es auch einige Zeit, bis man körperlich, also in Sachen Dynamik, Spritzigkeit und Ausdauer wieder auf dem alten Stand sei.
Tim Eckert vermisst in seinen Aktionen noch die Geschwindigkeit und die Kaltschnäuzigkeit vorm Tor. "Ich bin derzeit vielleicht bei 70 bis 80 Prozent meiner Leistung. Es braucht einfach noch ein paar Wochen Spielpraxis, um die 100 Prozent wieder voll zu machen."
Was lehrt einem eine Verletzung? Die Sportwissenschaft sagt folgendes: " Sportverletzungen sind häufig Ereignisse, die nicht nur ein medizinisches Geschehen darstellen, sondern in sehr hohem Maße durch psychologische Prozesse gekennzeichnet sind."
Sowohl Simon Snaschel als auch Tim Eckert unterstreichen dies. Der TSV-Stürmer: "Im Kopf spielt sich da sehr viel ab. Mit einer gewissen mentalen Stärke kommt man nahezu aus jeder Verletzung gestärkt heraus, weil man das zu weiten Teilen selbst in der Hand hat. Es ist sicherlich kein einfacher Weg mit vielen Höhen und Tiefen. Man kann da auch viel mitnehmen. Und sei es, sein Hobby so lange zu genießen, wie es geht."
Tim Eckert ergänzt: "Ich weiß, dass ich keine Anfang 20 mehr bin und alles seine Zeit braucht. Man lernt es zu schätzen, unverletzt auf dem Platz zu stehen. Es sind nach einer Verletzung viele Dinge Kopfsache. Sei es der Wille und die Motivation an der Rückkehr zu arbeiten, oder die Geduld abzuwarten, bis es soweit ist. Wenngleich ich wahrscheinlich genauso ungeduldig bin wie eh und je und der Mannschaft lieber früher als später helfen möchte."
Am Wochenende spielen beide wieder um Punkte. Da muss der Kopf frei sein. Auch von der Verletzung.