Lesen, Sport, Garten, Familie, Handarbeit - Sieglinde Roider wird es nicht langweilig. Fit ist die 69-Jährige, die über 40 Jahre in der Arbeitsverwaltung tätig war, sowieso als Kopf der legendären Laufgruppe "Tausendfüßler", über die die Hammelburgerin so einiges zu berichten weiß.
Wer hat Sie angespielt?
Sieglinde Roider:
Wie sieht Ihr Laufweg aus?
Von 1000 Meter auf der Bahn bis Marathon bin ich wohl jede angebotene Strecke gelaufen. Hier im Umkreis zum Beispiel beim Rhönsupercup oder beim Rhöngrabfeldcup sowie bei Stadtläufen. Ich nahm erfolgreich, mit ersten, zweiten und dritten Plätzen, an unterfränkischen, bayerischen und auch deutschen Seniorenmeisterschaften oder Berglauf-Wettbewerben teil. Nicht zu vergessen Hallenmeisterschaften und sogar Weltmeisterschaften.
Sie sind quasi die Chefin der Tausendfüßler. Seid Ihr tatsächlich "tausend Füße"?
Gerne bezeichnen mich die anderen Läufer als ihre Chefin. Ich sehe das nicht so. Wir sind eher eine lose Gruppe, und ich bin eine Läuferin unter den anderen Tausendfüßlern. Damit die "Füße" immer mal zunahmen, boten wir auch "Lauf 10"! oder Bahntraining im Winter mit Flutlicht an. In Zeiten mit Corona litten auch die Tausendfüßler an "Füßen". Die Treffpunkte und Termine für den Lauftreff sind bekannt, wer kann und will, kommt und läuft mit. An- und Abmeldung ist nicht erforderlich. Auch äthiopische Flüchtlinge liefen schon mit uns, bevor sie weiterzogen in andere Wohnorte. Fahrgemeinschaften werden abgesprochen und angeboten.
Seit wann existiert diese Freizeit-Gruppe und wie kam es zu ihrer Entstehung?
Genau lässt sich das nicht mehr datieren. Gründung war wohl 1995 durch Jörg Jaedicke. Dieter Klein (mehrfacher Deutscher Seniorenmeister ) sollte Unterstützung und Unterhaltung bei seinen langen Dauerläufen bekommen. Da bot es sich an, einen Lauftreff zu organisieren. Hermann Nätscher erfand den Namen "Tausendfüßler". An 1999 erinnere ich mich besonders gerne. Die Tausendfüßler liefen einen Staffellauf zur Partnerstadt Turnhout in Belgien. Das schweißte die Gruppe nachhaltig zusammen.
Sie organisieren auch Ausflüge. Wie viel Arbeit steckt da dahinter und was ist Ihre Motivation?
Das ist schwierig in wenigen Sätzen zu beantworten. Irgendwann spukt eine Idee durch den Kopf, die weiter gesponnen und durchgequascht wird, zum Beispiel beim Lauftreff-Cappuccino. Die Aufgaben werden verteilt und laufen meistens bei mir wieder zusammen. Auch andere Tausendfüßler arbeiten mit. Klar steckt da Arbeit drin, aber das ist für mich positiver Stress. Wie an der Startlinie beim Wettkampf.
Zählen Sie doch mal einige Beispiele auf von Unternehmungen?
Da möchte ich zwei feste Unternehmungen nennen: unseren Frühlingslauf von Hammelburg nach Gemünden und am Karfreitag von Bad Kissingen nach Hammelburg . Gerne machen die Tausendfüßler an einem heißen Sommersonntag auch einen langen Dauerlauf der Schondra entlang. Wir waren bei Stadtmarathons in Paris, Turin, Zürich, Berlin, Hamburg. Auch an Reisen nach Israel zum Toten Meer werden sich einige Tausendfüßler gerne erinnern.
Wie ist denn aktuell Ihre persönliche Form?
Bahsd scho', sagt die Fränkin. Viermal pro Woche, ganzjährig, versuche ich zu laufen. Immer mindestens 60 Minuten, mal länger, mal schneller, mal langsamer. Nur noch nach Lust und Laune, ohne einen Wettkampftermin im Hinterkopf. Daneben steht Wassergymnastik , Gymnastik und Schwimmen wöchentlich auf meiner Agenda.
Nehmen Sie noch an Wettkämpfen teil?
Wettkämpfe haben ihren Reiz und Spaß für mich verloren. Diese habe ich gerne und viel gemacht, oft jedes Wochenende. Manchmal am Samstag und am Sonntag. Jetzt nutze ich die Zeit lieber zum Spielen mit der Enkelin und dem Enkel und für andere schöne Unternehmungen.
In Ihrer Gruppe sind Hobbyläufer genau so vertreten wie ambitionierte Sportlerinnen und Sportler. Wie bekommt man die alle unter einem Hut?
Indem man gute Laufstrecken in unserer schönen Heimat aussucht. Ich versuche immer auch, die Umgegend der Wohnorte der Tausendfüßler einzubinden, damit Abwechslung entsteht. Die schnelleren Läufer bekommen eine extra Schleife - und eine Abzweigung später ist die Truppe wieder zusammen. Den schnelleren Läufern schadet es außerdem nicht, auch mal langsamer zu laufen. Das nutzt der Regeneration. Und den langsameren Läufern schadet es umgekehrt auch nicht, mal schneller zu laufen. Mittlerweile gibt es einige Walker, die bekommen auch eine Route. Wichtig ist, dass keiner verloren geht oder sich verläuft. Und alleine sollte keiner unterwegs sein. Wir halten auch mal an und fotografieren eine schöne Orchidee am Wegesrand.
Wie ist denn so die Gewichtung zwischen sportlicher Ambition und Geselligkeit?
Viele Tausendfüßler waren und sind jetzt wieder bei den Läufen in der Umgegend bei Wettkämpfen aktiv. Durch Corona war fast zwei Jahre kein Wettkampf möglich. Erst vergangenes Wochenende waren wir in Schweinfurt beim City-Run und in Lohr beim Altstadtlauf vertreten. Ohne sportliche Betätigung keine Geselligkeit. Das heißt nicht, dass es nach jedem Lauftreff Geselligkeit ansteht. Aber es gibt feste Rituale. Den Cappuccino nach dem Dienstagslauftreff gibt es jetzt wieder. Nach jedem Lauf hat man sich ja eine Menge zu erzählen, da reicht die Laufstunde zuvor nicht aus.
Den beliebten Hammelburger Osterlauf gibt es leider nicht mehr. Gibt es hinter den Kulissen Bestrebungen einer Renaissance?
Wir veranstalteten nicht nur den Osterlauf. Zehn Jahre lang gab es den Drei- Mühlen-Lauf durch uns. Fünf Jahre organisierten wir den legendären Sodenberglauf. Ein Sodenberg-Revival gab es auch. Darin steckt viel Herzblut und Zeit und Arbeit. Von mir gibt es keine Bestrebungen, einen neuen Lauf zu organisieren oder aufleben zu lassen. Einige junge Läufer traten mal an mich heran, um den Osterlauf zu übernehmen, das verlief bisher aber im Sande.
Stimmt es, dass Ihr Lauftreff sogar in die Trimburg-Bewirtung eingebunden ist?
Ja, das stimmt. Dieter Klein ist bei den "Freunden der Trimburg" aktiv. In einem Jahr fehlte an einem Trimburg-Termin der Veranstalter. Dieter Klein schlug den Tausendfüßlern dann vor, den Termin zu übernehmen. Das gefiel uns. So bewirten wir am 21. August 2022 die Trimburg erneut. Wir freuen uns auf zahlreiche Gäste.
An wen spielen Sie weiter?
An Markus Unsleber. Ihn bewundere ich als erfolgreichen Triathleten und mag ihn als Läuferkameraden und zuverlässigen Freund. Er ist immer bodenständig geblieben und schätzt seine Heimat.