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OBERSCHWARZACH
Timo Pitter hängt die Fußballschuhe an den Nagel
So kannten ihn die Fans im College: Timo Pitter (links) in einem Spiel für die Creighton University gegen Connecticut.
Foto: Imago | So kannten ihn die Fans im College: Timo Pitter (links) in einem Spiel für die Creighton University gegen Connecticut.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 11.03.2017 03:41 Uhr

Auf einmal ist es vorbei. Das Leben als Fußball-Profi. Timo Pitter aus Oberschwarzach ist jetzt nicht mehr der Profi-Fußballer aus dem Steigerwald. Der erste Unterfranke, der nach vier Jahren College-Fußball in den USA zum Spitzenteam FC Dallas ging und dort in der amerikanischen Profiliga Major League Soccer eingesetzt wurde. Er ist jetzt Timo Pitter, Wirtschaftswissenschaftler und Mitarbeiter in der Marketing-Abteilung des Sportartikelherstellers Adidas in Herzogenaurach. Anzug und Krawatte statt kurzer Hose und Fußballschuhe. Stundenlange Meetings mit Funktionären des DFB statt Feiern mit den Jungs nach Siegen. Und nein, Timo Pitter aus Oberschwarzach ist ganz und gar nicht traurig darüber, dass sein Profi-Fußball-Leben zunächst vorbei ist. „Ich bin mit mir im Reinen, es ist ein Traumjob und macht großen Spaß.“

Mit 24 Jahren ist der gebürtige Oberschwarzacher eigentlich zu jung, um als Profi seinen Rücktritt bekannt zu geben. Zumal, wenn er sich keine schwere Verletzung zugezogen hat. Insofern war die Bekanntgabe des FC Dallas im Januar, Pitter habe seine Karriere beendet und kehre zurück nach Deutschland, überraschend. Auf der anderen Seite aber war es konsequent, wenn man Pitters Vita kennt. Denn wenn er etwas macht, dann nur aus voller Überzeugung. Und weil er nicht mehr überzeugt war, dass er in Texas eine Zukunft als Profifußballer hat, darf sich nun Adidas über einen neuen Mitarbeiter freuen, der vor allem in den USA gut in der Fußballszene vernetzt ist.

Mit 18 beim FC 05 in der Bayernliga

In der Jugend war das Talent des offensiven Mittelfeldspielers, der beim FC 05 Schweinfurt ausgebildet wurde, klar zu sehen. Mit 18 gab ihm der damalige FC-05-Trainer Klaus Scheer die Chance, sich in der Bayernliga zu beweisen. In 51 Spielen schoss er acht Tore, bereitete fünf vor. Im Gegensatz zu heute war aber zwischen 2010 und 2012 das Umfeld beim größten Club in der Kugellagerstadt für alles mögliche geeignet, aber sicher nicht für Profifußball. Zumal Abiturient Pitter einen speziellen Wunsch hatte: Studium und Profifußball verbinden.

Das geht aber nur in den USA. Er bewarb sich 2012 für ein Sportstipendium an der Creighton University in Omaha im US-Bundesstaat Nebraska, bekam es und griff sofort zu. Acht Mal Training pro Woche plus die Spiele, dazu ein straffer Lehrplan, um in acht Semestern zum Bachelor zu kommen. Mehrstündige Flug- oder Busreisen quer durch die USA zu einem Auswärtsspiel wurden zur Normalität, Pitter sog das College-Leben auf, lebte seinen amerikanischen Traum. Sein deutsch-stämmiger Trainer Elmar Bolowich sagte einst über ihn: „Das Erste, was ein Student aus dem Ausland hier tun muss, ist sich voll auf die Kultur und diese Universität einzulassen. Das hat Timo immer gemacht, er hat die Kultur Creightons verstanden und immer sein Bestes geben.“

Liebling der Fans im College

Statistisch gesehen war er einer der besten Spieler des Teams. 89 Spiele, 33 Tore, 22 Vorlagen in vier Spielzeiten, Heimspiele vor über 3000 Zuschauern, Liebling der Fans, dazu einige Auszeichnungen als bester Mittelfeldspieler der Liga – eine tolle Zeit. Die logische Entwicklung nach dem College-Abschluss: der Draft. Im Januar 2016 wurde Pitter bei einer Spezialität des amerikanischen Profisports vom FC Dallas ausgewählt.

In den USA dürfen die Vereine aus den Profiligen sich vor einer Saison die besten Spieler aus den Colleges aussuchen. Die schlechteste Mannschaft der Vorsaison hat die erste Wahl, die beste die letzte. Damit soll innerhalb des Systems Chancengleichheit gewährt werden. Als 33. Spieler insgesamt wurde Pitter von Dallas ausgewählt, ein Traum wurde zunächst wahr.

Mit Drogba im Spielertunnel

Zumal Dallas im Staat Texas nicht nur wegen Fernseh-Fiesling J.R. Ewing berühmt ist, sondern vor allem wegen seiner Sportbegeisterung. Kein Geringerer als das Würzburger Basketball-Idol Dirk Nowitzki spielt in Dallas, er traf sich auch mit Pitter und gab ihm Tipps. Als das erste Trainingslager für die Saison 2016/17 im Februar – in Amerika wird mit dem Kalenderjahr gespielt – begann, war die Fußball-Welt noch rosarot für Pitter. In den Testspielen schoss er sechs Tore, hoffte auf einen Platz im Kader des kolumbianischen Trainers Oscar Pareja. Als er im Spiel gegen Montreal plötzlich neben Weltstar Didier Drogba im Spielertunnel stand und am 26. März beim 3:0-Sieg bei DC United neun Minuten spielen durfte, dachte er, jetzt habe er es geschafft. Doch dann schlug der Profifußball gnadenlos zu. In den nächsten 15 Spielen war er noch vier Mal ohne Einsatz im Kader, ansonsten gar nicht dabei.

Eine harte Zeit. Eine lehrreiche Zeit. „Der Trainer hatte von vorneherein seine Mannschaft im Kopf. Als Neuling wurde ich kaum beachtet, bekam kaum Feedback. Die Vorbereitung war überragend, aber ich kam trotzdem nicht ins Team“, resümiert der 24-Jährige. Verbittert ist er nicht, nach den Trainingsbedingungen in Dallas würde sich mancher deutscher Profiklub die Finger schlecken und der Zusammenhalt im Team war groß. Doch als Sportler in den USA sein Geld zu verdienen, ist ein härteres Brot als in Europa, das wurde dem Oberschwarzacher schnell klar. Mitte der Saison schickte ihn Dallas zu seinem so genannten Farm-Team, Oklahoma City FC, in der Zweiten US-Liga. Dort sammelte er Spielpraxis, schoss in zwölf Spielen drei Tore, „ich habe mich wohl gefühlt.“ Wenn da nicht die ständigen Anrufe aus Dallas gewesen wären. Drei Stunden dauert die Fahrt von Dallas nach Oklahoma, Pitter kennt die Autobahn gut, er nutzte sie oft. Immer wieder wurde er zum Training nach Texas bestellt, um dann doch nicht beachtet zu werden. „Na ja, so behandelt man einen eigentlich nicht“, findet er.

Keine Einsatzgarantie

Als dann nach der Saison – Dallas gewann die Punkterunde in der Western Conference und schied in den Play-Offs im Viertelfinale gegen den späteren Meister Seattle aus – der Verein auch kaum Anstalten machte, ihn zu kontaktieren, war ihm relativ bald klar, dass es besser wäre, die Optionen abzuwägen. „Wir haben uns mit dem FCD zusammen gesetzt und alles besprochen, aber man gab mir auch für die neue Saison keine Einsatzgarantie. Da habe ich lieber einen Schlussstrich gezogen.“ Erschwerend kam hinzu, dass Pitter keine Green Card, sondern nur ein Arbeitsvisum hatte, und deswegen als Ausländer gezählt wurde. Ein MLS-Klub darf neun ausländische Spieler beschäftigen, Dallas signalisierte, man wolle einen weiteren Spieler aus Europa holen. Für Pitter wäre seine Chance auf Einsätze weiter gesunken.

Mit dem Kapitel Profifußball hat Timo Pitter nun seinen Frieden gemacht, sein neuer Job füllt ihn aus. Ein kleines Hintertürchen gibt es noch, denn natürlich kann ein Fußballer mit Leib und Seele nicht einfach so aufhören. Er hält sich fit, vielleicht ergibt sich über seinen Berater im Sommer doch eine Option in Deutschland. „Die Zeit in den USA war die geilste Zeit in meinem Leben. Das Studium hat mir weiter geholfen, ich habe auf hohem Niveau gespielt und das Ganze in der MLS gekrönt.“ So klingt ein Ex-Profi, der zufrieden auf seine Karriere blickt und sich auf die Zukunft freut. Zumal ihm seine Erfahrung noch nützen wird im boomenden Fußball-Markt USA: „Ich bekomme nach wie vor so viele Anrufe von Spielern, Trainern, Manangern aus den USA, das sind unglaublich viele Kontakte.“

 
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