
Vor einer Woche trug Marcel Tully aus Schweinfurt die Olympische Fackel in Eastbourne. Sieben Tage später ist das Grinsen aus dem Gesicht des früheren Leistungs-Ruderer nicht gewichen. Fackelträger vor den Olympischen Spielen in London – eine Ehre, die nur 8000 Menschen weltweit hatten und Marcel Tully kann nicht fassen, dass er einer davon war.
„In Großbritannien sind alle schon im Olympia-Fieber, das kann man gar nicht beschreiben. Alles ist mit Union Jacks beflaggt, alle sind euphorisch“, beschreibt der 45-Jährige die Stimmung in England, das der Eröffnung der Spiele am Freitag entgegen fiebert. Vorgeschlagen als Fackelläufer wurde Tully als einer von vier Deutschen aus dem Kontingent des Olympia-Sponsors Samsung, dessen Chef er beruflich in Süd-Korea kennen lernte. Damals tauschte man sich rege über die Werte des Sports aus, die Tully nur zu gut kennt. Er war ein hervorragender Ruderer, holte Erfolge für den RC Franken, doch als die Entscheidung für Rudern oder Beruf anstand, entschied er sich für das Studium und machte Karriere. Sein Faible für den Sport hat er aber nie verloren, zumal seine Söhne Karl und Georg sehr gute Ruderer sind. Doch der Vorschlag des Sponsors alleine reichte nicht, Tully durchlief ein Bewerbungs-Prozedere, an dessen Ende die freudige Nachricht stand, dass er mit dabei ist.
„Die Spannung hat sich Tage vorher aufgebaut, aber man kann es gar nicht fassen, wenn man da ist und mit der Fackel läuft“, erzählt Tully, der seine Gefühle gar nicht in Worte fassen kann. In Eastbourne nahe London hatte er 350 Yards, etwas mehr als 300 Meter, zu laufen. Inmitten von tausenden Menschen, beschützt von Sicherheitsbeamten von Scotland Yard. Im Bus, der die Läufer an ihre Startpunkte bringt, wird man minutiös unterrichtet und auf die Sekunde eingesetzt. Jeder Läufer hat eine eigene gasbetriebene Fackel – aus Messing, 800 Gramm schwer, vergoldet und mit 8000 Bohrungen, die die 8000 Läufer symbolisieren – und bekommt das Feuer von seinem Vorläufer. Als sein Moment gekommen ist, fühlt sich Tully wie im Rausch. „Die Strecke fliegt an einem vorbei, ich wäre am liebsten immer weiter gelaufen. Zwischendrin bin ich einfach hochgesprungen, das stand nicht im Protokoll, aber mir war danach“, erzählt er lachend. Als er am Flughafen mit seiner Frau Christine beim Rückflug war, sah ein Sicherheitsbeamter die Fackel im Handgepäck. Er holte Kollegen, schaute fragend: „Das ist doch eine Olympische Fackel? Großartig.“
Findet Tully auch, seine Fackel bekommt einen Ehrenplatz. Am 5. August fliegt er wieder nach London, ein Freund hat Karten für die Leichtathletik-Wettbewerbe. „Da sehe ich die echte Fackel im Stadion brennen“, freut sich Tully. Er weiß, er hat seinen Teil dazu beigetragen. Da kann man schon mal tagelang lächeln.