Das hatten wir auch noch nicht. Einen 23-Jährigen nämlich, der seit einiger Zeit aus beruflichen Gründen dem Wettkampfsport abgeschworen, aber so unglaublich viel in seiner Karriere erlebt hat. Die Rede ist vom Nüdlinger Leichtathleten Nick Przeliorz, der daher auch in der nächsten Woche zur gehobenen Steilpass-Unterhaltung beitragen wird. Nichts wie rein also ins Interview mit dem Bundespolizisten.
Wer hat Sie angespielt?
Nick Przeliorz:
Wie sieht Ihr Laufweg aus?
Angefangen habe ich mit Leichtathletik im Winter 2012. Eines meiner jährlichen Highlights waren immer die Bundesjugendspiele, also dachte ich mir, wieso das nicht mal im Verein probieren. So kam ich zum TSV Münnerstadt und meinem Trainer Bernd Neumann . Von da an ging es stetig auf höhere Wettkämpfe. Die Tatsache, exakt messbare Ergebnisse zu bekommen und immer wieder eine Zehntel von der Uhr nehmen zu können, waren nach vielen Jahren Fußball und Handball eine neue Erfahrung für mich und machten den Reiz an der Sportart aus. Einer meiner schönsten sportlichen Momente war die Bayerische Meisterschaft in Markt Schwaben 2015, nachdem es die Jahre zuvor nicht für gute Platzierungen gereicht hatte. Auch der Sprung von der unterfränkischen oder nordbayerischen zur bayerischen Spitze war schwierig, da gerade im südbayerischen Bereich viele Großvereine, wie die LG München, heimisch sind. Mit dem Titelgewinn über 100 Meter und 200 Meter samt den dort gelaufenen Zeiten kam ich auch in den Genuss, an einer deutschen Meisterschaft teilnehmen zu können. Dort herrschte abermals eine komplett andere Atmosphäre: gesponserte Athleten, Physio-Teams und die Top-Athleten aus der deutschen Leichtathletik-Szene. Sehr eindrucksvoll für jemanden, der aus sportlicher Sicht vom Dorffußball gekommen war.
Und dann kam irgendwann der Wechsel vom TSV Münnerstadt zum LAC Erfurt...
Stimmt. Wir verbrachten oft unsere Trainingslager am Olympiastützpunkt in Erfurt, was natürlich nicht zuletzt meinem Trainer Bernd und seinen Verbindungen zu verdanken war. 2017 traf der "harte Kern" die Entscheidung, zum LAC Erfurt zu wechseln. Ich hatte dort das große Glück, in die Staffel aufgenommen zu werden, mit der wir im Winter 2017 gegen alle Erwartungen den deutschen Titel in der 4x200 Meter Staffel verbuchen konnten. Auch im Sommer riss die Erfolgssträhne mit den Erfurtern nicht ab, als ich bei der deutschen Meisterschaft in Ulm mit 10,63 Sekunden meine schnellste Zeit über 100 Meter lief und einen weiteren deutschen Titel in der 4x100 Meter-Staffel gewinnen konnte. Aufgrund der Erfolge mit Erfurt durfte ich mich zusammen mit meinen Staffelkollegen sogar ins goldene Buch des Sports in Erfurt verewigen.
Und dann kam der nächste Wechsel ins nächste Bundesland: von Thüringen nach Hessen.
Richtig. Aufgrund von Sponsorenproblemen mussten wir uns vom LAC verabschieden. Ab 2018 war ich mit meinen langjährigen Trainingskollegen Timo Reinhart und Clemens Schmitt bei der LG Fulda. Mit der Staffel über 4x100 Meter wurden wir Vizemeister bei der süddeutschen Meisterschaft in Walldorf. Was mir wichtig ist: All diese Erfolge wären ohne die Unterstützung meiner Familie nicht möglich gewesen.
Wo hat es Ihnen am besten gefallen?
In Münnerstadt und Erfurt. In Münnerstadt hat alles angefangen und wäre nicht ein gewisser Vorfall gewesen, wäre ich bis zum Ende dort geblieben. Rein aus sportlicher Sicht war Erfurt einsame Spitze, die Jungs vom LAC waren alle Internatsschüler, die damals schon achtmal die Woche trainiert haben. Das war natürlich super, um schon im Training an seine Grenzen zu gehen.
Welchen Anteil hat ihr Trainer Bernd Neumann an Ihren Erfolgen?
Bernd war immer eine treibende Kraft. Er hat stundenlang nach Trainingseinheiten Zeiten ausgewertet und Trainingspläne angepasst. Er hat möglich gemacht, dass wir in Oberhof und Erfurt an Olympiastützpunkten mit moderner Technik und allen nötigen Gegebenheiten trainieren konnten. Seine langjährige Erfahrung hat vor allem in Wettkampfsituationen oft für den gewissen Vorteil gesorgt.
Wer gehörte damals eigentlich zu Ihrer Trainingsgruppe? Und wie wichtig ist so eine Gruppe für einen Individual-Sportler?
Immer dabei waren Timo Reinhart und Clemens Schmitt. Für mich war das Training in dieser Gruppe essentiell, auch an Wettkampfwochenenden war es wesentlich schöner als Gruppe aufzutreten. Man pusht sich im Training an Grenzen, die man sonst nur schwer oder allein eigentlich gar nicht erreichen kann. Ich habe unglaublich gerne in einer Mannschaft gespielt und zusammen gewonnen oder verloren. Die Staffel in Erfurt hat das vom Mannschaftssport vermisste Gefühl zurückgebracht und so wieder für neuen Ehrgeiz und neue Aufopferungsbereitschaft gesorgt.
Sie halten aktuell noch den unterfränkischen Rekord (U18) über 100 Meter. Wie sind Ihre Erinnerungen an diesen Lauf. Und wie schnell waren Sie seinerzeit?
Den Rekord bin ich bei der vorhin erwähnten bayerischen Meisterschaft in Markt Schwaben 2015 gelaufen. Das war ein Tag, an dem alles gepasst hat. Bereits im Zwischenlauf hatte ich den Rekord auf 10,91 Sekunden verbessert. Und ich wusste, dass ich noch Reserven für das Finale hatte. Leider machte mir der sehr starke Gegenwind einen Strich durch die Rechnung, nichtsdestotrotz konnte ich den Rekord um eine Hundertstel auf 10,90 Sekunden verbessern.
Sie gelten als zurückhaltender und bescheidener Typ. Können Sie mit dem Show-Gehabe beispielsweise eines Usain Bolt etwas anfangen?
Bei Usain Bolt finde ich so etwas sehr unterhaltsam und lässig, immerhin sind diese Sportler ihre eigene Marke und müssen sich dementsprechend in der Öffentlichkeit zeigen. Ich habe ihn zu seiner aktiven Zeit als sehr sympathisch empfunden und ein stückweit auch als Vorbild betrachtet. Es gibt aber auch Negativbeispiele wie Justin Gatlin , bei denen ihr "Show-Gehabe" eher arrogant ankommt.
Anders gefragt: Wären Sie vielleicht sogar gerne mitunter etwas extrovertierter?
Auf keinen Fall, das würde nicht zu mir passen. Rein privat würde ich mich nicht als introvertiert oder zurückhaltend bezeichnen, aber auf der Bahn ist man konzentriert und in sich gekehrt, schließlich möchte man auch nicht, dass die ganze Vorbereitung umsonst war.
Sie gelten als sehr trainingsfleißig; als jemand, der der sich vieles hart erarbeiten musste. Können Sie das bestätigen?
Das hört man natürlich gerne, aber die erste Zeit konnte ich noch sehr gut von meinem Talent leben, einfach schnell zu sein. Im ersten Jahr Leichtathletik habe ich nur einmal pro Woche trainiert und nebenbei noch Fußball gespielt. Auf bayerischer Ebene gab es drei bis fünf Einheiten pro Woche, in manchen Vorbereitungsphasen auch mal zehn. Und der Verzicht auf Feiern und Feste vor allem an Wettkampfwochenenden fiel nicht immer leicht.Fortsetzung folgt