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SCHWÄRZELBACH
Vic Florey hat viel zu erzählen
Weltenbummler in Sachen Fußball: Vic Florey übernimmt im Sommer den Fußball-Kreisklassisten SpVgg Wartmannsroth. Foto: Jürgen Schmitt
| Weltenbummler in Sachen Fußball: Vic Florey übernimmt im Sommer den Fußball-Kreisklassisten SpVgg Wartmannsroth. Foto: Jürgen Schmitt
Von Jürgen Schmitt
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:56 Uhr

Mehr Umwege gibt es nicht, um von Leeds nach Schwärzelbach zu kommen. Von der 500.000-Menschen-Metropole im County West-Yorkshire in die unterfränkische Provinz. Für Victor Florey, den alle nur Vic nennen, sind Umwege allerdings kein Problem. Angekommen ist der 56-Jährige schließlich immer.

Dabei hatte alles doch so normal angefangen. Nach acht Jahren in Leeds kam der Umzug ins nahe York, wo Vic später das College besuchte, Lehramt für Sport und Französisch studierte. Der Fußball spielte früh eine große Rolle. Als Torwart. Für die Schulmannschaft und im Verein. Über die Kleinstadt Pickering ging es zu Leeds United, zu Sheffield Wednesday, dem FC Middlesbrough und dem FC Scarborough. „Ich war ein guter Torwart, aber mit einer Größe von 1,70 Metern zu klein für eine Profikarriere“, sagt Florey, der ganz zufällig zwischen die Pfosten geraten war. „Unser Torwart hatte sich den Unterschenkel gebrochen, dann bin ich in die Kiste. Und erst mal nicht mehr raus.“ Die ruhige Art, die Kunst, eine Abwehr zu dirigieren, machten fehlende Zentimeter locker wett, zumal die Ausbildung besser nicht hätte sein können. „In Scarborough war zum Beispiel der ehemalige Nationalkeeper Gordon Banks mein Trainer“, plaudert der Engländer, der später auch in der Universität auf hohem Niveau weiterkickte. „Ohne Bezahlung übrigens, allein aus Liebe zum Fußball“, betont Florey.

Ein Poster verändert alles

„Eigentlich war klar, dass ich als Sportlehrer arbeiten würde. Bis ich dann dieses Poster gesehen habe“, erinnert sich Vic ganz genau. „Lehrer für Simbabwe gesucht“, stand da auf bedrucktem Papier. Skurril verlief das Bewerbungsgespräch in London. „Der schwarze Mann mit der Glatze hatte nur gegrinst. Hat gesagt, er wäre begeistert. Und hat wieder gegrinst.“ Vic Florey, der mit 18 seine erste Trainerlizenz abgelegt hatte, muss selber noch lachen beim Kramen in der Erinnerungskiste. Zwei Jahre wurden es im früheren Süd-Rhodesien. Englische Kolonie bis 1980. „Ich habe in der Hauptstadt Harare gearbeitet, habe neben Sport auch Biologie unterrichtet, weil sonst niemand da war“, sagt Florey. Auch im nun unabhängigen Simbabwe wurde Fußball gespielt. „Ich war Spielertrainer bei Arcadia Falls. Das war ein semiprofessioneller Verein, mit dem ich sogar Spiele im nahen Ausland hatte. Ich habe wunderbare Menschen kennenlernen dürfen. Menschen, die bereit waren für Veränderungen in ihrem Land. Für mich als junger Mann war das eine fantastische Erfahrung.“

Anfrage aus den USA

Zurück auf der Insel verband Vic Florey wieder Beruf und Hobby. Pädagoge und Spielertrainer. „Das ist für mich der selbe Beruf. Man unterrichtet und bildet aus.“ Auch im englischen Fußballverband erkannte man die Fähigkeiten des drahtigen Mannes. „Ich bekam die Anfrage, ob ich Lust hätte, in den USA Fußballer im Hinblick auf die WM 1994 zu trainieren.“ Vic Florey hatte Lust, arbeitete in den Sommerferien mit fünf englischen Kollegen an einem kalifornischen Stützpunkt mit Talenten. „Die Jungs waren damals nicht so gut, aber die Mädels waren technisch richtig stark, hatten auch einen starken Charakter. Tiptop waren die.“

Tiptop war auch das Angebot von Leeds United im Jahr 2000. Vier Jahre war Vic Florey hauptverantwortlich für die Jugend-Akademie des Premiere-League-Vereins. „Unsere Ausbildung war stilprägend. Top-Klubs wie AC Mailand oder Ajax Amsterdam haben bei uns vorbeigeschaut, um von uns zu lernen“, sagt Florey. Spätere Nationalspieler wie Robbie Keane, James Milner oder Aaron Lennon hatte der Wahl-Unterfranke unter seinen Fittichen gehabt. Aber: Der Club ging aufgrund von Misswirtschaft Pleite. Im Gegensatz zu vielen anderen Nachwuchs-Trainern hatte Vic Florey seinen Job behalten, „aber mit den verantwortlichen Personen konnte und wollte ich nicht mehr zusammenarbeiten“.

Also wieder Lehrer in York. Und irgendwann doch wieder auf Achse. Diesmal mit Frau und den beiden Söhnen. Nach Australien. „Meine Frau hatte dort beruflich eine bessere Perspektive“, erklärt Florey den Sprung nach Down Under. Am anderen Ende der Welt wurde ebenfalls unterrichtet, trainiert und gespielt. Bei Manly United, einem Stadtteil-Klub aus Sidney. Eine schöne Zeit – ohne Happyend. Dem Ehe-Aus folgte die Heimreise mit den beiden Söhnen. Mal wieder eine ungeplante Wendung im Leben des Victor F.

Begegnung in der Wüste

„Du brauchst Urlaub. Komm zu uns.“ Das sagte irgendwann Uwe Smutny. Ein Wartmannsrother, den Vic 1989 kennengelernt hatte – in der Wüste Algeriens. „Ich hatte vorher eine Charity-Aktion für Simbabwe gestartet, hatte 29 000 Pfund gesammelt, mit denen ich gezielt helfen wollte“, so Florey. Mit einigen Personen wurde ein Jeep samt medizinischem Equipment überführt. „Über den Weg gelaufen sind wir uns in der Wüstenstadt Ghardaia. Wir hatten in unserer Reisegruppe einen Notfall. Vic konnte uns mit sauberen Spritzen helfen“, erzählt Smutny, der damals wie Florey mit dem Motorrad unterwegs war. Spontan verabredete man sich zu einem Kick in der Wüste. „Wir wollten von den Engländern Revanche für 1966“, sagt der Geschäftsmann lachend.

Gegenseitige Besuche

Adressen wurden ausgetauscht. Eine Freundschaft war geboren. Und der erste Besuch nahe Hammelburg ließ nicht lange auf sich warten. Auch, weil Vic Florey den Osten des nun nicht mehr geteilten Deutschlands kennenlernen wollte. Die Sprache war kein Problem, „weil ich in der Schule deutsch gelernt habe und mit 15 Jahren und einem Kumpel in den Ferien schon Deutschland, die Schweiz und Frankreich besucht hatte“. Natürlich rollte der Ball auch im Unterfränkischen bei gegenseitigen Besuchen. Die große gegenseitige Sympathie blieb. „Vic ist hilfsbereit und genügsam. Und jemand, dem das Wohl seiner Mitmenschen sehr am Herzen liegt“, sagt Smutny, der den Freund seit 2013 in unmittelbarer Nähe weiß.

Was insbesondere an Kerstin liegt. Seine neue Partnerin hatte Vic über Uwe Smutny kennen und lieben gelernt. Idyllisch ist es im Schwärzelbacher Domizil. Familienglück mit Hund, Katze und Pferden. Übungsleiter und Lehrer funktioniert auch in der Provinz. In Untererthal trainiert Vic Florey zusammen mit Gerhard Fischlein die U-19-Junioren. „Gerhard ist ein toller Typ, der mir viel geholfen hat“, sagt Florey über den Kollegen. Zweigeteilt ist das berufliche Standbein. Als Lehrer an einer Privatschule in Fulda. Und als deutsch-englischer Dozent in der Erwachsenenbildung sowie als Nachhilfe-Lehrer.

Lenzenberg statt Elland Road

In der neuen Saison übernimmt Florey den Kreisklassen-Verein SpVgg Wartmannsroth. Vereinsvorsitzender Peter Koch freut sich, einen Fachmann erster Güte gefunden zu haben als Nachfolger von Victor Kleinhenz und Karlheinz Thoma. Sportplatz am Lenzenberg heißt es also künftig statt Elland Road, dem 40.000-Mann-Stadion von Leeds United. „Wenn man irgendwo neu ist, muss man dem Land auch etwas geben“, findet der Weltenbummler und Akademiker. „Ich will helfen, das bestmögliche Niveau zu erreichen. Aber ich wünsche mir auch Spieler, die sich verbessern wollen.“ Mit Umwegen kennt sich Vic Florey aus. Gut möglich, dass der Engländer endgültig angekommen ist.

 
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