Wie schnell im Motorsport alle Hoffnungen auf einen Podiumsplatz in Feuer und Rauch aufgehen können, hat Lokalmatador Sven Hochwimmer bei der fünften Auflage der „ADAC Toyo Tires Rallye Fränkisches Weinland“ buchstäblich in Erfahrung bringen müssen. Kaum am Rallyezentrum in Elfershausen gestartet, qualmte es beiderseits des frisch revidierten Motors des Opel Astra GSI 16V beängstigend. Just in diesem Augenblick entzündete sich das an einer Leckstelle ausgetretene Öl, der Motorraum stand in hellen Flammen. Geistesgegenwärtig startete Co-Pilot Marco Hartung sofort einen Löschangriff – mit Erfolg, so dass sich der Schaden an dem Rallyewagen in überschaubarem Rahmen hält.
Überhaupt: Öl war das beherrschende Thema bei der jüngsten Weinland-Rallye. Nicht nur bei Organisationsleiter Sven Hochwimmer und dessen Rallyeauto. Hans Limpert/ Agnes Rüter (Reckendorf/Cadolsburg) hatten ebenfalls das Pech, dass durch ein technisches Problem am BMW 318 iS Öl am Motor austrat. Bevor die Franken das merkten, hatten sie bereits eine zwei Kilometer lange Ölspur gelegt. Das bedeutete das Ende für die Wertungsprüfung eins zwischen Langendorf und der Wülfershäuser Kreuzung. Die zu dem Zeitpunkt von 30 Teams absolvierte Prüfung musste neutralisiert werden.
Schlimmste Befürchtungen
Die Befürchtung der Organisatoren, die Rallye sei damit gelaufen, schlug schnell um in eine „Jetzt erst recht!“-Stimmung. Der AMSC bot in Windeseile gut 35 Sportwarte auf, die – bewaffnet mit Besen und Granulat – der unendlich langen Ölspur zu Leibe rückten. Unglaublich: Knapp eine Stunde nach dem Malheur war der Streckenabschnitt wieder befahrbar, und Rallyeleiter Heiko Ullrich konnte grünes Licht für einen Neustart geben. Sichtlich erschöpft, mit Schwielen und Blutblasen an den Händen, verdienten sich die fleißigen Streckenposten ein Sonderlob des gesamten Starterfeldes und des ausrichtenden AMSC. Von da an flutschte es.
In Minutenabständen starteten die 85 Teams auf die Strecke und nahmen die verbleibenden Wertungsprüfungen (WPs) in Angriff. Jochen Baumhauer hatte mit Co. Lisa Kuhn (Illerkirchberg/Birkenfeld-Enz) auf der 4,9 Kilometer langen WP Wasserlosen knapp die Nase des Audi TTRS 8J vorn vor dem Mitsubishi Lancer Evo 9 von Jörg Schuhej/Meike Zettl (Fulda/ Pohlheim). Zwischen Baumhauer und Schuhej entwickelte sich in der Folge ein an Spannung und Dramatik kaum zu überbietendes Kopf-an-Kopf-Rennen.
In WP3 Langendorf erfolgte nach dem Neustart der Konter des Nordhessen. Schuhej kam auf der 5,2 Kilometer langen Strecke mit den Verhältnissen nach Beseitigung der Ölspur am besten zurecht, traute sich am meisten und wurde dafür mit der Bestzeit belohnt. Noch führte Baumhauer mit dem winzigen Vorsprung von zwei Zehntelsekunden. Erneut zog Schuhej in WP 4 Wasserlosen alle Register seines Könnens und kämpfte sich im Evo 9 an die Spitze des hochkarätigen Starterfeldes. 0,5 Sekunden betrug sein Vorsprung mittlerweile.
Und dann: Das jähe Aus für den Spitzenreiter. Beim Start zur WP5 Sulzthal scherte eine Antriebswelle am 300 PS starken Mitsubishi ab. Das war's für Schuhej/Zettl. Enttäuscht musste das Team aufgeben. Baumhauer nutzte indes die Chance. Der Baden-Württemberger brachte den TTRS mit 2,2 Sekunden Vorsprung ins Ziel der WP vor Bernd Michel/Sebastian Kröniger, die mit dem Subaru Impreza WRX N16 die Jungfernfahrt absolvierten. Zu guter Letzt stand noch einmal die Wertungsprüfung am Klöffelsberg an – diesmal in umgekehrter Richtung. Hier waren es Stefan Stich und Co-Pilotin Nina Blumreich (Nürnberg/Hartenstein), die den Mitsubishi EVO 8 auf Pole stellten. Baumhauer erklärte die „nur“ siebtbeste Zeit damit, dass „wir die Veranstaltung am Ende einfach nur noch nach Hause gefahren sind“.
Sein Vorsprung war zu diesem Zeitpunkt so groß geworden, dass er sich das leisten konnte. In Addition aller fünf WP-Zeiten lagen Baumhauer/ Kuhn komfortable 10,5 Sekunden vor Reinhard Honke/ Michael Heinze (Himmelkron/ Wonsees) im Mitsubishi Lancer Evo 9 und 13,9 s vor Stich/ Blumenreich. Von den 56 in der Bestzeit-Wertung gestarteten Teams erreichten 48 das Ziel in Wertung.
In der Retro-Wertung – hier steht Gleichmäßigkeit bei hohem Tempo im Vordergrund – waren 25 Teams gestartet, von denen 24 im Rallye-Zentrum Elfershausen ankamen. Eine erstaunliche Präzision bewiesen dabei die Südbadener Bernd Lutz/Matthias Schloß (Zell/ Hördt) im VW Golf 1 GTI. Mit einer Abweichung von lediglich 0,73 Sekunden von der Idealzeit holten sie sich die Retro-Wertung.
Als Jochen Baumhauer am späten Abend bei der Siegerehrung in der Schwedenberghalle mehrfach das Podium erklomm und seine Pokale abholte, staunten viele der Anwesenden nicht schlecht. Die Boxershorts des bestens gelaunten Gesamtsiegers gaben den Blick frei auf dessen Beine. Am rechten Unterschenkel unübersehbar eine Prothese. Wie ist es möglich, einen 340 PS starken Rallyewagen mit einer derart gravierenden Beeinträchtigung voll am Limit zu bewegen? „Ganz oifach.
Du läscht dir links noch oi Gaspedal oibaun und gibscht dann mit'm linke Boi richtig Gas!“
Elf Tage im Koma
Die Leichtigkeit und Offenheit, mit der Jochen Baumhauer heute über seine Behinderung spricht, hat einen schrecklichen Hintergrund. 2011 war er als Streckenposten bei einer Rallye eingesetzt. Ein Teilnehmer geriet neben die Strecke und quetschte Baumhauer gegen einen Baum. Lebensgefahr, elf Tage Koma, Unterschenkel-Amputation. Während der 19-monatigen Krankheit hatte der Gaudibursche reichlich Zeit zum Nachdenken. Sein sehnlichster Wunsch: „Wieder in einem Rallyeauto sitzen und Gas geben.“ Genau das hat er bei der „5. ADAC Toyo Tires Rallye Fränkisches Weinland“ getan...
Gute Noten trotz Verzögerung
Ende gut, alles gut – auch für den AMSC Hammelburg. „Das war eine der besten Rallyes, die der AMSC je durchgeführt hat“, stimmen Fahrtleiter Heiko Ullrich und Orga-Leiter Sven Hochwimmer überein. Anerkennung gab es auch von den beiden Sportkommissaren Herbert Bernhard und Thomas Fleischer. „Für die Ölspur kann der Veranstalter nichts, das war einfach nur großes Pech.
“ Das ideale Rallye-Zentrum in Elfershausen, die ausgezeichnete Kooperation mit dem FC Elfershausen und der Marktgemeinde sowie knapp 200 überaus engagierte Sportwarte haben zusammen mit der perfekten Vorbereitung einen guten Eindruck bei Allen hinterlassen.