
Diese dreimal drei Minuten im Ring haben aus Kai Friedensohn einen Champion gemacht. Nachdem der Ringrichter die Hand des Bad Kissingers in die Höhe gereckt hatte, löste sich all die Anspannung beim 24-Jährigen in Form langgezogener Ja-Schreie. Der Boxer von der Fränkischen Saale wird jetzt in einem Atemzug genannt mit einem Wladimir Owtscharov (1992), Ibrahim Magomadow (2003) oder Jakob Schindler (2005), die allesamt Bad Kissinger Box-Geschichte schrieben mit dem Gewinn der Bayerischen Meisterschaft, damals noch im Trikot des längst aufgelösten BC 77. Seit 2015 wird an der Saale in einer Abteilung des TSV Bad Kissingen geboxt.
Angetreten war Kai Friedensohn im Cruisergewicht, der Klasse von 81 bis 86 Kilogramm. Im Finale Mitte Oktober war der Bad Kissinger eher Außenseiter gegen Kevin Paal von Grün-Weiß Ingolstadt, dem Deutschen Meister der U19 im Halbschwergewicht von 2019. "Ein starker Gegner, der deutlich größer ist als ich. Normal will ich meinen Gegner weg von mir haben, diesmal musste ich aktiver sein, um die Distanz zu überbrücken", erinnert sich Friedensohn, der aus den drei Runden als klarer Punktsieger hervorging.
Auch eine mentale Herausforderung
"Kai hat viele Hände ins Ziel gebracht", konstatierte TSV-Coach Edgar Feuchter, dessen Schützling das Geschehen im Boxring bestimmte. Dreimal drei Minuten, die den Sportlern physisch, aber auch psychisch alles abverlangen. "So ein Kampf bedeutet neben dem Aufwärmen immer auch eine mentale Vorbereitung. Der Körper steckt voller Adrenalin. Im Ring ist dann quasi der Ernstfall. Da bist du bis Anschlag fokussiert. Man will treffen, aber selbst keine Schläge abbekommen", erklärt Friedensohn die Schweiß triefenden Körper.
Eher bescheiden wurde hernach gefeiert mit Familie und Freunden, die in der Sporthalle des Würzburger Friedrich-König-Gymnasiums den Finalkampf verfolgt hatten. "Wir waren danach noch eine Kleinigkeit essen in einem Schnellrestaurant. Am nächsten Tag musste ich ja wieder arbeiten. Aber die Freude war natürlich dennoch da, für diesen Titel habe ich schließlich hart trainiert", so Friedensohn, der beim Sparring auch mal deutlich jüngere Vereinskollegen zum Duell auffordert. "Wir trainieren zusammen und unterstützen uns gegenseitig. Wir sind eine richtig gute Truppe und starke Gemeinschaft, an der unser Trainer Edgar Feuchter einen großen Anteil hat. All das macht unseren Erfolg aus."
Viele Faktoren machen einen guten Kämpfer aus
Kai Friedensohn hat Power in den Fäusten, aber allein die Schlagkraft ist es nicht, die den Bad Kissinger zum Bayerischen Meister geformt hat. Da gehört die stabile Deckung ebenso dazu wie die gute Beinarbeit und Technik. Dazu eine variable Kampf-Taktik. "Man muss sich immer auf den jeweiligen Gegner einstellen", sagt der 24-Jährige mit der Linken als Führ- und der Rechten als Schlaghand.
Als 17-Jähriger kam der Bad Kissinger zum Boxen, hatte als Sambokämpfer allerdings schon eine Affinität zum Kampfsport. Von seinen mittlerweile 31 Kämpfen hat Kai Friedensohn 15 gewonnen und 13 verloren. Dazu kommen drei Unentschieden. Die boxerische Qualität des Saalestädters blieb auch an höherer Stelle nicht unbemerkt. Diverse Einladungen zu Lehrgängen gab es schon für den gelernten Schreiner, der aktuell im Betonbau arbeitet. Dazu kommen Trainingseinheiten mit dem Landeskader. Mit dem Gewinn des blau-weißen Championats hofft Friedensohn, sich auch für Bundesliga-Kämpfe empfehlen zu können, wo zumindest ein bisschen Geld fließen würde.
Der Trainer sieht eine Persönlichkeit
"Kai ist ein absolut zuverlässiger, aber auch hochkonzentrierter und zielgerichteter Wettkämpfer, der sich immer verbessern will. Und er ist ein Teamplayer. Wenn Hilfe gebraucht wird, ist er immer da", sagt TSV-Trainer Edgar Feuchter, der Friedensohn seit fünf Jahren coacht und die Entwicklung seines Schützlings als sehr geradlinig sieht. "Er war schon immer jemand, der seinen Weg gehen will. Kai scheut sich auch nicht vor starken Gegnern, ist aber dennoch ein entspannter Typ. Für mich ist er schon eine echte Persönlichkeit."
Seine starke Form hätte Kai Friedensohn gerne mit zu den nationalen Titelkämpfen genommen, aber Corona führte zur Absage der für den Dezember vorgesehenen Deutschen Meisterschaft in Straubing. "Hoffentlich wird die bald nachgeholt. Das wäre die nächste Herausforderung gewesen", sagt Friedensohn, der sich aktuell nur mit Laufeinheiten im Park oder in den Wäldern rund um die Kurstadt fit halten kann. Einen deutschen Box-Meister hatte Bad Kissingen noch nicht. Aber Kai Friedensohn weiß jetzt, wie Champion geht.