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Albertshausen bei Bad Kissingen
Johannes Wolf: Vom Fan zum Fanbeauftragten beim 1. FC Nürnberg
Der Albertshäuser hatte einen guten Job aufgegeben, um seinem Lieblingsverein noch näher zu sein.
Johannes Wolf, hier vor dem Max-Morlock-Stadion, ist über die Kleidung immer als Fanbeauftragter erkennbar. Foto: privat       -  Johannes Wolf, hier vor dem Max-Morlock-Stadion, ist über die Kleidung immer als Fanbeauftragter erkennbar. Foto: privat
| Johannes Wolf, hier vor dem Max-Morlock-Stadion, ist über die Kleidung immer als Fanbeauftragter erkennbar. Foto: privat
Jürgen Schmitt
 |  aktualisiert: 17.08.2022 10:10 Uhr

Johannes Wolf feiert Tore jetzt anders. Zurückhaltender. Auch wenn der Adrenalin getränkte Körper nach Ekstase schreit. "Ich bin natürlich immer mit Herzblut dabei, aber die Emotionen darf ich jetzt nicht mehr so zeigen", sagt der 26-Jährige. Und erinnert sich noch gut an seinen TV-Auftritt wider Willen bei einem Zweitligaspiel in Osnabrück. "Da war ich noch ehrenamtlich im Einsatz. Der Club hatte getroffen und ich war im Fernsehen prompt beim ausgelassenen Jubel zu sehen. Dann kam der Tipp von meinen Arbeitskollegen, sich doch künftig mehr innerlich zu freuen ." Johannes Wolf ist und bleibt Fan des 1. FC Nürnberg , steht aber mittlerweile auf der anderen Seite des Zauns: als Club-Angestellter im Fan- und Zuschauerservice.

Ein Schlüsselspiel...

Sieben Jahre war der Bad Kissinger aus dem Ortsteil Albertshausen immer mittendrin im Pulk der Anhänger. Dauerkarten-Besitzer. Oft auch bei Auswärtsspielen dabei. "Das war in meiner Studienzeit aufgrund der Kosten nicht immer einfach. Später habe ich schon mal Urlaub genommen, um den Club unter der Woche unterstützen zu können. Spieltage wurden jedenfalls immer zelebriert", sagt Johannes Wolf , dem ein Spiel genügte, um dem "Glubb" zu verfallen. 2005 war das, als der 1. FCN im Frankenstadion den 1. FC Köln mit 2:1 besiegte durch einen Doppelpack von Stefan Kießling . "Meine

Eltern hatten kaum Bezug zum Fußball, aber ein Kumpel meines Vaters ist großer Club-Fan . Die Atmosphäre im Stadion hat mich dann gleich gepackt", erinnert sich Wolf, dessen eigene Fußball-Karriere schon in der E-Jugend endete, "weil wir immer so hoch verloren haben." Als 19-Jähriger folgte noch ein kurzes Intermezzo bei der FT Würzburg in der B-Klasse. "Ich war eher talentfrei, habe dann den Unisport für mich entdeckt."

Als alles ganz anders kam

Der Fokus lag nach dem Abitur am Jack-Steinberger-Gymnasium auf dem Geografie-Studium. "Das war schon in der Schule mein Lieblingsfach. Und für Würzburg hatte ich mich entschieden, weil ich in der Region bleiben wollte." Nach dem Bachelor folgte der Master-Abschluss. Und schnell der erste Job im Jahr 2018 als Allianz-Manager der NES-Allianz in der Verwaltungsgemeinschaft Bad Neustadt. "Eigentlich war alles perfekt. Ein interessanter Beruf mit tollen Kollegen. Im November 2019 wollte ich nach Bad Neustadt ziehen. Aber dann kam alles ganz anders."

Auf der Homepage seines Lieblingsvereins hatte Johannes Wolf die Ausschreibung für seine jetzige Stelle gesehen. "Die Fan-Beauftragten im Verein kannte ich ja von den Spielen. Dann habe ich mich auf gut Glück beworben. Mit einem Bild von Marek Mintal und mir. Ich hatte mir überhaupt keine Chance ausgerechnet, aber eine Woche später hatte ich die Einladung zu einem persönlichen Gespräch. Und Anfang Januar 2020 kam die Zusage."

Das Umfeld von Johannes Wolf reagierte ganz unterschiedlich auf den anstehenden Berufswechsel , der auch mit einem Umzug nach Nürnberg verbunden war. "Der eine Teil konnte es nicht verstehen, dass ich meinen guten und auch sicheren Arbeitsplatz in Bad Neustadt aufgeben würde. Meine Familie und die fußballbegeisterten Kumpels standen dagegen voll hinter meiner Entscheidung." Nach einer Übergangsphase inklusive einem zweiwöchigem Praktikum startete das neue berufliche Abenteuer im Mai 2020. "Die Anfangszeit war aufgrund der Pandemie schon heftig, aber das hat mich auch abgehärtet", sagt Wolf.

In guten wie in schlechten Zeiten

Die Leidenschaft hatte also das Duell mit der Vernunft gewonnen. Zu einer Zeit, als der Verein Tabellenvorletzter in der 2. Bundesliga war. "Das war die Chance, mein Hobby zum Beruf zu machen. Hätte ich mich anders entschieden, hätte ich mir das vielleicht immer vorgeworfen", sagt Johannes Wolf , der als Club-Fan natürlich ein leidensfähiger, aber nichtsdestotrotz sehr glücklicher Mensch ist. Den Pokalsieg im Jahr 2007 unter Trainer Hans Meyer hatte der Albertshäuser noch auf der Couch verfolgt, die Gänsehaut-Erlebnisse sollten später folgen, im Stadion. In der Kurve.

Vereinsmitglied wurde Johannes Wolf im Mai 2016 nach dem Relegations-Rückspiel in Nürnberg gegen Eintracht Frankfurt . Die 0:1-Niederlage im ausverkauften Stadion ließ den Traum von der Rückkehr in die Bundesliga platzen. Fans unter Schock. "Direkt nach dem Spiel bin ich in den Servicecenter und habe meinen Mitgliedsantrag ausgefüllt. Um zu signalisieren, dass ich meinen Verein in guten wie in schlechten Zeiten unterstütze."

Der Wahnsinn von Ingolstadt

Zu den besonders schönen Erinnerungen gehört die 24-Stunden-Tour an einem Montag nach Kiel im Frühjahr 2018, kurz vor der Rückkehr ins Oberhaus, als der Club mit 3:1 gewann. Oder das jetzt schon legendäre Relegations-Spiel im Juli des vergangenen Jahres beim FC Ingolstadt , das trotz der 1:3-Niederlage den Klassenerhalt bedeutete, weil der Club nach dem 2:0-Hinspielsieg auf den wirklich allerletzten Drücker getroffen hatte. Ein Abstieg in die 3. Liga hätte Johannes Wolf nach wenigen Monaten den Job als Fanbeauftragter kosten können. "Ich habe sogar erstmals ein Tagebuch geschrieben, um diese Anspannung zu verarbeiten. Eine Woche habe ich mich total leer gefühlt. Und das Tor von Fabian Schleusener hängt bei mir zuhause jetzt als Leinwand-Poster."

Büro am Valznerweiher

Sein Büro hat Johannes Wolf direkt am Vereinsgelände am Valznerweiher. Aber der eigentliche Arbeitsplatz ist das Stadion - wenn denn dort Zuschauer sein dürfen. Geregelte Arbeitszeit? Fehlanzeige! "Meine Kern-Arbeitszeit ist am Spieltag", sagt der 26-Jährige, dessen Schwerpunkt auf der Kommunikation mit den Ultra-Gruppen und der Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt liegt. "In normalen Zeiten sind wir schon vor den Fans am Stadion, um bei den Einlasskontrollen als Ansprechpartner dabei zu sein. Später sind wir im Innenraum, wo wir schon mal beim Choreo-Aufbau helfen. Dazu kommt der regelmäßige Kontakt zum Ordnungsdienst und Sicherheitspersonal."

Selbst Fan zu sein, ist für Johannes Wolf die Basis für Vertrauen . "Das macht es natürlich einfacher, weil man weiß, wovon man spricht. Die Fans müssen sich auch auf uns und unser Wort verlassen können."

Team Der Leiter des Fan- und Zuschauerservices beim 1. FC Nürnberg ist Jürgen Bergmann. Ebenfalls hauptamtlich beschäftigt ist Johannes Wolf . In Teilzeit arbeitet Peter "Fiddl" Maul sowie ehrenamtlich Karl Teplitzky und die Behindertenbeauftragte Roswitha "Rosi" Friedrich mit Ehemann Erich. Im gemeinsamen Dialog sollen die Positionen der Fans vermittelt und gestärkt werden. Der 1. FCN wird aktuell von etwa 700 Fanclubs unterstützt.

Aufgaben Neben den Einsätzen an Spieltagen kümmert sich Johannes Wolf auch um die Planung und Durchführung von Veranstaltungen und Aktionen wie "Der Club schwärmt aus", Trikotversteigerungen für gute Zwecke oder das Pflegen von crossmedialen Inhalten auf den jeweiligen Kanälen. Dazu kommen Netzwerkaktivitäten wie der Austausch mit Vereinen, dem Fanprojekt , Sicherheitsbehörden sowie Tagungen von DFB und DFL.

 
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Kommentare
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  • b.schlusche@gmx.net
    Weshalb soll man als Fan-Beauftragter, egal auf welcher Seite vom Zaun, seinen Emotionen bei einem Tor für die eigene Mannschaft nicht freien Lauf lassen? Das ist doch nur menschlich!
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