
Irgendwie sagt inzwischen jeder irgendwas. Die Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 sei gekauft worden. Mittels einer Schwarzen Kasse hätten die Organisatoren des „Sommermärchens“ sich Stimmen erschlichen: So ging's mit dem Spiegel-Artikel vom 17. Oktober los. Seitdem herrscht Durcheinander, rotiert das Vorwurfs-Karussell auf Hochtouren. Und wirklich wissen tut eh keiner was.
Jürgen Pfau, Vizepräsident des Bayerischen Fußballverbandes und Vorsitzender des Fußballbezirks Unterfranken, tut sich schwer, sich zum jetzigen Zeitpunkt zur Thematik zu äußern. „Ich kann momentan wenig dazu sagen. Fakt ist natürlich, dass, wenn es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, diese aufgedeckt werden müssen“, so der Frankenwinheimer. Man dürfe aber nicht pauschalisieren und die Korruptionsvorwürfe auf die Basis des Fußballsports übertragen. Wie es nun weitergehe, sei ebenso schwer zu prognostizieren. „Das ist kaum absehbar, die weitere Entwicklung völlig offen. In jedem Fall war ich sehr überrascht von den Vorwürfen. Für mich persönlich war das nicht vorstellbar.
“ Einen weiteren Sprung auf der Karriereleiter hatte Pfau, seit rund anderthalb Jahren einer von vier BFV-Vizepräsidenten, vorerst nicht geplant. Aber Raum zur Spekulation gibt es momentan ja jede Menge. Und sollte DFB-Präsident Niersbach tatsächlich die Affäre zum Verhängnis werden, würde dessen Vize und BFV-Präsident Rainer Koch automatisch ins Feld der Nachfolge-Kandidaten rücken. Und in München könnte ein noch bequemerer Sessel freiwerden. Wer weiß, wer weiß...
Sharityar wundert sich nicht
Djelaludin Sharityar hat schon einiges erlebt. Der ehemalige Kicker des FC 05 Schweinfurt spielte bereits in Griechenland und den USA, auf Zypern, in der Schweiz und in Bahrain Fußball. Außerdem ist er Kapitän der afghanischen Nationalmannschaft, mit der er derzeit die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Russland 2018 bestreitet.
Und er betrachtet die Geschehnisse anders als Jürgen Pfau: „Ich glaube für jeden, der sich mit diesem Thema ein bisschen auseinandersetzt, kommt es nicht überraschend, dass es bei solchen Großevents zu Bestechungen kommt“, sagt der 32-Jährige, der seit dieser Saison für den Manama Club in der bahrainischen Premier League spielt. „Bei den Zuständen bei der Fifa momentan bekommt kein Land ein Event wie die WM nur wegen einer guten Bewerbung.“ Sharityar ist sich sicher, dass es auch bei der deutschen Bewerbung zu Unstimmigkeiten kam. „Aber man sollte aufpassen, wen man beschuldigt. Man darf da nicht alle in einen Topf werfen. Und trotz allem nicht vergessen, wie schön die Weltmeisterschaft in Deutschland war.“
Galasek: Organisation war super
Tomas Galasek hat doch eher gemischte Gefühle, wenn er an das Turnier in Deutschland zurückdenkt. „Sportlich habe ich keine guten Erinnerungen“, sagt der 42-Jährige, der damals als Kapitän mit der tschechischen Nationalmannschaft nach einem 3:0-Sieg gegen die USA sowie 0:2-Pleiten gegen Ghana und Italien nach der Vorrunde die Segel streichen musste. Bei der Europameisterschaft zwei Jahre zuvor in Portugal waren die Tschechen mit einer Goldenen Generation um Galasek, Pavel Nedved, Tomas Rosicky und Jan Koller noch bis ins Halbfinale gestürmt.
„Die Organisation war super“, erinnert sich Galasek, der vor einigen Jahren als Co-Trainer beim FC 05 Schweinfurt an der Seitenlinie stand und aktuell den Nord-Bayernligisten SpVgg SV Weiden trainiert. Umso überraschter war er, als nun der WM-Skandal ans Licht kam. „In Deutschland ist alles so ordentlich“, sagt Galasek, „ich konnte das gar nicht glauben.“ Als Spieler habe man sich für Themen wie den Ablauf einer WM-Vergabe aber weniger interessiert. „Das kannst du ja nicht beeinflussen. Da war es wichtiger, in welchem Stadion man spielt, man war mit anderen Dingen beschäftigt“, so der frühere Kapitän von Ajax Amsterdam und des 1. FC Nürnberg.
So richtig überblicken kann die Situation inzwischen kaum mehr jemand. Dafür aber sind auch andere Gremien zuständig, findet Thomas Lutz. Der Trainer des Fußball-Kreisligisten FC 06 Bad Kissingen war während der WM 2006 Organisationsleiter für den Aufenthalt der ecuadorianischen Nationalmannschaft in Bad Kissingen.
Mammutaufgabe für Juristen
„Beim Fußball geht es mittlerweile um dermaßen viel Geld. Ich denke da an Übertragungsrechte, Sponsoring und so weiter. Seitens der Fifa ist das Ganze inzwischen so undurchsichtig, dass es eine Mammutaufgabe für die Juristen und Wirtschaftsprüfer dieser Welt ist, da den Durchblick zu schaffen“, sagt er. „Aber genau den hat der Sport verdient. Ich denke gar nicht, dass man die WM 2006 jetzt als Fallbeispiel hernehmen muss, weil es meiner Meinung nach seit Jahrzehnten bei allem WM-Vergaben gleich abläuft. Und diese Abläufe müssen überprüft werden.“ Darauf warten die Fußballfans nicht erst seit dem aktuellsten Fall. Und auch nicht nur in Unterfranken.