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HAMMELBURG
Zwei Brüder aus Hammelburg und ihr Volleyball-Traum
Zweieinhalb Jahre und drei Zentimeter Größe Unterschied: die Brüder Moritz (links) und Lorenz Karlitzek.
Foto: Gregor Biskup | Zweieinhalb Jahre und drei Zentimeter Größe Unterschied: die Brüder Moritz (links) und Lorenz Karlitzek.
Hans Strauß
Hans Strauß
 |  aktualisiert: 15.09.2020 02:10 Uhr

Fast hätte es sich gerächt, dass Moritz Karlitzek beim Urlaub an der französischen Atlantikküste mit Bruder Lorenz, den Eltern und Freunden im letzten August sein Handy ausgeschaltet hatte. „Kurz nach meinem Geburtstag habe ich dann doch mal draufgeschaut und gemerkt, dass da ganz schön was los ist.“ So erreichte den 21-Jährigen gerade noch rechtzeitig die Nachricht, dass ihn Bundestrainer Andrea Giani wegen verletzungsbedingter Ausfälle noch für die Volleyball-Europameisterschaft nachnominieren wollte. „Da war mein Urlaub dann vorbei.“

Die EM in Polen wurde dafür zu einem Riesenerlebnis für Moritz, der im Vorrunden-Spiel gegen Slowenien auch zum Einsatz kam und sein insgesamt drittes Länderspiel absolvierte. Der überraschende Erfolg der Nationalmannschaft, deren Siegeszug erst im Endspiel gegen Russland (2:3) endete, die großen Zuschauerkulissen und das hohe Niveau spornten ihn weiter an: „Ich habe gesehen, wo es noch hingehen kann.“

In Rüsselsheim und Frankfurt

Einen Traum haben sich Moritz und der 18-jährige Lorenz aber bereits erfüllt. Seit dieser Saison stehen die pfiffigen Brüder, die sich so gut verstehen, gemeinsam bei den United Volleys Rhein-Main unter Vertrag. Der in Rüsselsheim und Frankfurt beheimatete Spitzenklub der Bundesliga belegte in den beiden letzten Spielzeiten jeweils den dritten Platz.

Letztmals gemeinsam aufgeschlagen hatten die Karlitzeks in der Jugend von TV/DJK Hammelburg, ihrem Heimatverein. Moritz machte sich dann bereits beim VC Grub und beim TV Rottenburg in der Bundesliga einen Namen, der zweieinhalb Jahre jüngere Lorenz wurde zur Stütze des Hammelburger Zweitliga-Teams. Als United-Volleys-Trainer Michael Warm letztes Jahr bei einem Spiel in Rottenburg Moritz darauf ansprach, ob er sich einen Wechsel vorstellen könnte, war Lorenz als Zuschauer dabei und sagte nicht Nein, als er zu einem Probetraining eingeladen wurde.

Klar verteilte Rollen

In Frankfurt sind die Rollen nun klar verteilt. Moritz nutzte die Chance durch den Ausfall des ebenfalls neu verpflichteten Routiniers Sebastian Schwarz mit einem Bandscheibenvorfall, entwickelte sich auf Anhieb zum Stammspieler und sorgt regelmäßig für die meisten Punkte. „Wie er mit dem für ihn neuen Druck hier umgegangen ist, das war schon gut“, sagt Trainer Warm.

Lorenz hingegen absolviert ein Lehrjahr und muss mit geringen Einsatzzeiten zufrieden sein. „Wir haben das vorher genau besprochen. Er wusste, worauf er sich einlässt“, sagt Warm. Beide Karlitzeks sind Außen-Annahmespieler. Was auch heißt, dass es kaum eine Chance gibt, dass beide gleichzeitig auf dem Feld stehen.

Immense Sprungkraft

Moritz macht seine für seine Position geringe Größe von 1,91 Meter mit immenser Sprungkraft wett. Seine Abschlaghöhe liegt bei 3,60 Meter, damit gehört er zur Weltspitze. Im Laufe der auf Platz drei abgeschlossenen Vorrunde musste er sich darauf einstellen, dass die Gegner vermehrt auf ihn aufschlagen. „Die Doppelbelastung Annahme und Angriff hat es schon in sich“, sagt er. „Die Athletik bringt er mit, er hat einen guten Körper und ist schnell.

Jetzt geht es um die technische Arbeit und darum, in Drucksituationen gute Lösungen zu finden“, beschreibt Warm den älteren Karlitzek. Den drei Zentimeter größeren Lorenz (1,94 Meter) hält der erfahrene Coach fast für den Ehrgeizigeren: „Er will noch perfekter sein als sein Bruder. Es ärgert ihn sehr, wenn er Fehler macht.“

Früher Fußball und Tennis

Im Angriff sei der U-20-Nationalspieler auf hohem Niveau, an seiner Technik in der Annahme müsse Lorenz noch arbeiten. Aus der Tradition heraus ist es im Saalestädtchen Hammelburg nicht ungewöhnlich, wenn Kinder sich für die Sportart Volleyball entscheiden. Die beiden Karlitzeks spielten auch Fußball und Tennis, bis sie sich spezialisierten. „Drei Sportarten waren irgendwann zu viel. Als wir gemerkt haben, dass wir im Volleyball erfolgreich sind, hat das auch mehr Spaß gemacht“, sagt Moritz. Vater Hartmut begleitete die beiden auf ihrem Weg an die Leistungsspitze und steht ihnen weiter zur Seite.

Die Brüder wohnen in einer vom Verein gestellten Wohnung in Rüsselsheim in einer Zweier-WG. Vollversorgung wie im Profifußball gibt es nicht, für ihre Ernährung sind die beiden selbst verantwortlich. Kein Problem, mittags wird in der Regel gekocht. „Das gehört sogar zu unseren Hobbys. Wenn am Sonntag mal frei ist, dann kaufen wir vorher groß ein und stehen dann zwei, drei Stunden in der Küche“, erzählt Moritz.

Probleme mit dem Studium

Die Tage sind ansonsten ausgefüllt mit den zwei Trainingseinheiten, die meistens in Frankfurt stattfinden. Da kostet auch An- und Rückfahrt viel Zeit. Abiturient Lorenz hat den Start eines Studiums deshalb erst einmal verschoben. Moritz musste erkennen, dass „ein Anwesenheitsstudium nicht mehr möglich“ ist. Nach fünf Semestern Sportwissenschaft versucht er gerade, auf ein Fernstudium umzustellen, und hofft darauf, schon erworbene Punkte einbringen zu können. „Mit 30 Jahren möchte ich etwas in der Hand haben, das Riesengeld verdient man in Deutschland mit Volleyball dann doch nicht.“

Anders sieht es im gelobten Volleyball-Land Italien aus. Dort würden beide Karlitzeks, die noch bis 2019 bei den United Volleys unter Vertrag stehen, irgendwann einmal gerne spielen. „Erst mal bin ich hier, um zu lernen. Deshalb denke ich darüber nicht nach. Eins kommt nach dem anderen“, sagt Lorenz. „Dass Italien ein Traum ist, würde ich nicht sagen“, ergänzt Moritz. „Aber jetzt öffnen sich ein paar Wege dorthin.“

Der ganze Stolz der Hammelburger

Ein bisschen traurig sind sie schon in Hammelburg, dass sie nach Moritz Karlitzek im letzten Sommer auch dessen Bruder Lorenz in die große weite Volleyball-Welt ziehen lassen mussten. Umso interessierter verfolgt man bei ihrem Heimatverein TV/DJK aber den Weg der beiden. „Die beiden sind unser ganzer Stolz und unser Exportschlager“, sagt Oliver Wendt, Mitglied der Abteilungsleitung und Hallensprecher des Männer-Zweitligisten. Zum Bundesliga-Spitzenspiel Anfang Januar zwischen den United Volleys und dem VC Friedrichshafen (0:3) fuhr ein Bus mit Hammelburgern nach Frankfurt. Die freuten sich, dass neben Moritz auch Lorenz Einsatzzeit bekam. „Mit Stolz“ trägt Hallensprecher Wendt bei den Hammelburger Heimspielen ein „Karlitzek“-Trikot.

Die Karriere der beiden Brüder ist für die TV/DJK ein Ansporn, die geplante Nachwuchsakademie umzusetzen. Wendt: „Langfristig wollen wir in Hammelburg wieder mehr eigene Talente hervorbringen – die neue Generation Karlitzek.“ hst

 
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