Bayerischer Meister ist Ralf Hehn längst. 2011 sicherte der Thulbaer Jugend-Schütze sich mit der Schnellfeuerpistole den Titel im Freistaat. Auch hinter die deutsche Meisterschaft konnte er den Haken bereits setzen. 2012 war das, erneut mit der Olympischen Schnellfeuerpistole. Demnach war ja eigentlich klar, was 2013 folgen musste. Und tatsächlich: Im kroatischen Osijek wurde der 20-Jährige in seiner Paradedisziplin kürzlich Junioren-Europameister – gleich doppelter sogar.
Für den Sportler bedeuten die Goldmedaillen im Einzel- und Teamwettbewerb den Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn. „Ich konnte das am Anfang überhaupt nicht glauben“, erinnert der Europameister sich an seinen Erfolg. Der Wettbewerb in Kroatien war für Hehn die Premiere auf europäischer Bühne. „Ich bin mit dem Ziel angereist, an der Finalrunde teilzunehmen. Da ist die Leistungsdichte dann ohnehin so dicht, dass nur die Nerven entscheiden. Ich wollte die anderen Jungs etwas ärgern und das ist mir denke ich ganz gut gelungen“, grinst der frisch gebackene Kontinentalmeister.
Seine Freude wird selbstredend auch in der Heimat geteilt. Im großen Stil wurde Hehn von seinen Heimatvereinen, den Schützen aus Thulba und Nüdlingen, nach der Rückkehr vom Balkan empfangen. Als Europameister hat Ralf die Erfolgsgeschichte des Hehn-Schützenclans um ein Kapitel erweitert.
Das Zielen in die Wiege gelegt
„Wir gehen schon immer auf den Schießstand wie andere auf den Fußballplatz“, erzählt Mutter Brigitte. Alles angefangen hat mit Ralfs Großvater Berthold Hehn, einst Gauschützenmeister des Kreises Rhön-Saale und weit über die Landkreisgrenzen hinaus treffsicher. Sohnemann Edgar wurde später der erste Trainer seiner Zöglinge Tobias und eben Ralf Hehn. An deren Anfänge erinnert die Frau des Hauses sich lebhaft: „Man hat schon von Kindesbeinen an gemerkt, wie begeistert die Jungs für den Sport sind. Andere Kinder haben sich zur Kommunion ein Fahrrad gewünscht, Tobias eben einen Sportbogen. Die heutigen Erfolge der Jungs waren bei dem ständigen Training irgendwie fast schon absehbar.“
Die Erfolge der Jungs? Ja, der Jungs. Ehe Ralf in den deutschen Nachwuchs-Nationalkader berufen wurde, schoss in diesem schon der zwei Jahre ältere Tobias seine Ringe, wurde bayerischer und deutscher Meister, rückte in den Erwachsenen-Kader auf. Die Goldmedaille bei der Europameisterschaft 2009 verpasste Tobias nur knapp, holte je einmal Silber und Bronze. Seit er jedoch ein duales Studium absolviert, sind Sport und Beruf nicht mehr vereinbar. Anders als bei Ralf Hehn. Seine Polizei-Ausbildung wird dem Training angepasst. Nur vier Monate jährlich liegt der Fokus auf dem Hauptberuf, dafür streckt die Ausbildungszeit sich von zweieinhalb auf fünf Jahre. Gut für das Training: Zusätzlich zählt Frank inzwischen zur Spitzen-Fördergruppe der bayerischen Polizei, darf auf der Olympiaschießanlage in München üben.
Folgt der Vierte nun sogleich?
Im neuen Jahr steht für den 20-Jährigen der nächste Schritt an. Wie einst Bruder Tobias rückt er vom Nachwuchs- in den Erwachsenenkader des deutschen Schützenbundes auf. Nach dem Titel im Freistaat 2011, in der Bundesrepublik 2012 und dem diesjährigen kontinentalen Erfolg wäre die logische Konsequenz nun doch ein Triumph von Welt-Format. Und das im Jahr der Olympischen Spiele von Brasilien. Praktisch, oder? „Nein, nein“, wiegelt Hehn lachend ab. „Das wäre zwar der Wahnsinn, aber ich muss mich jetzt erst einmal im Herrenkader beweisen. Da werden noch einmal ganz andere Ergebnisse erzielt und ich will das Leistungsloch nicht zu groß werden lassen.“ Die Olympischen Ringe bleiben freilich dennoch das Ziel. „Natürlich will ich eines Tages bei Olympia schießen. Dafür trainiere ich schließlich jeden Tag“, blickt der Nachwuchs-Athlet nach vorne.
Ach ja: Gefeiert haben Hehn und seine Teamkameraden in Kroatien bestimmt auch. Schließlich ist Osijek die viertgrößte Stadt des Landes und bietet allerlei Nachtleben. Freilich nicht ganz so viel wie Rio de Janeiro, die nächste Olympiastadt. Doch dort muss es für Hehn noch nicht zwingend klappen mit der Goldmedaille. Bei den Spielen 1912 in Stockholm gewann der schwedische Sportschütze Oscar Swahn im Alter von 64 Jahren Gold und ist damit der älteste Olympiasieger aller Zeiten. Ein paar Jahre hat Ralf Hehn also schon noch Zeit . . .