Ob Timo Pitter, Neu-Profi des Major-League-Soccer-Klubs FC Dallas, auf Seifenopern steht, ist nicht bekannt. Sich die 357 Folgen der legendären Serie „Dallas“ mit Larry Hagman als Bösewicht und Ölmagnat J.R. Ewing anzuschauen, könnte aber doch ein falsches Bild auf seinen neuen Wohnort und seinen neuen Arbeitgeber werfen. Vielleicht fragt er dann doch lieber mal den Würzburger NBA-Profi Dirk Nowitzki, wo man in Dallas gut wohnt und schön ausgehen kann. Schließlich gehen die Fußballer des FC Dallas öfters auch mal zu den Basketball-Spielen der Mavericks. In der sportverrückten Millionen-Metropole im Norden des US-Bundesstaates Texas pflegen die vielen Profi-Teams ein gutes Miteinander.
Seit Donnerstag jedenfalls kann man sagen, dass nichts mehr so ist wie früher im Leben des Oberschwarzachers Timo Pitter. Am Donnerstag Abend wurde beim Super Draft der amerikanischen Profi-Fußball-Liga MLS der große Traum des 23-Jährigen wahr: Er ist nun Fußball-Profi. „Es ist immer noch ein komisches Gefühl, ich kann es gar nicht glauben, das Ganze war unglaublich nervenaufreibend“, erzählt er im Exklusiv-Interview mit dieser Zeitung am Wochenende. Der Draft ist eine amerikanische Besonderheit für alle Sportarten, in denen professionelle Ligen am Werk sind.
Im Fußball haben die 20 Mannschaften der MLS die Auswahl unter den 60 besten Spielern des ältesten College-Jahrgangs. Die schlechteste Mannschaft der vergangenen Saison hat die erste Wahl, der Meister darf als Letztes. Die ehemaligen College-Spieler hatten zuvor noch ein mehrtägiges Trainingslager in Florida mit Trainern und Scouts, danach folgte der Draft.
Wie in einem großen Bienenstock ging es da zu, alle Spieler, alle Klub-Verantwortlichen kamen zusammen, ständig wurden hinter den Kulissen
Gespräche geführt, die Klubs untereinander, mit den Spielern, mit den Liga-Vertretern. Der Draft ist eine komplizierte Angelegenheit, es geht ja auch darum, die richtigen Wetten auf die Zukunft abzuschließen, die richtigen jungen Spieler zur Ergänzung des Kaders zu bekommen. „Mit Dallas hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet, wir hatten im Vorfeld kaum Kontakt“, gibt Pitter zu. Er wurde als 33. Spieler in der zweiten Runde ausgewählt, eigentlich hätte D.
C. United aus Washington das erste Recht gehabt, doch der so genannte Pick wurde zwei Mal weiterverkauft, so dass der FC Dallas zum Zug kam. Der Erste der vergangenen regulären Saison in der Western Conference hatte zuvor Torhüter Ryan Herman gewählt und danach Pitter, den man wie an der Creighton University, wo er die vergangenen vier Jahre spielte, im rechten Mittelfeld einsetzen möchte. „Für den Einstieg in den Profifußball ist der FC Dallas genau richtig“, findet Pitter, der einen Einjahres-Vertrag hat.
„Ich möchte vor allem Spielzeit bekommen“, so Pitter, „ich denke nicht, dass man erwartet, dass ich sofort Stammspieler werde.“ Sein kolumbianischer Trainer Oscar Pareja sieht ihn als ideale Ergänzung, vor allem aufgrund seiner enormen Schnelligkeit auf der Außenbahn und seines Torinstinkts. 30 Tore schoss Pitter in vier Jahren College-Fußball, war zwei Mal Spieler des Jahres seiner Liga und führte sein Team zuletzt ins Viertelfinale des nationalen College-Cups, wo man unglücklich in Akron ausschied.
Neben Pitter bekamen mit seinem College-Teamkameraden Fabian Herbers, Julian Büscher und Christopher Hellmann noch vier weitere Deutsche im Draft einen Profivertrag in der MLS, in der auch bekannte europäische Stars wie Andrea Pirlo, Kaká, David Villa oder Robbie Keane spielen. Eine Operetten-Liga ist die MLS entgegen aller Gerüchte sicher nicht, hat vor allem in der Spitze sehr gutes deutsches Zweitliga-Niveau. Der FC Dallas hat darüber hinaus eine Infrastruktur, nach der man sich in Deutschland vielerorts die Finger schlecken würde.
Das Toyota Stadium mit im Moment 20 500 Plätzen wurde 2005 eröffnet, ist Teil eines großen Sport- und Entertainment-Complexes im Vorort Frisco, der 17 Trainingsplätze für die Profis und die Jugendabteilungen beinhaltet. Ab Frühjahr wird das Stadion für 35 Millionen Euro umgebaut, unter anderem wird in Dallas die National Hall of Fame des US-Fußballs im Stadion gebaut. Da ist natürlich auch Platz für den besten Rookie, den besten Neuling der Saison. Ein Titel, der für Timo Pitter möglich wäre, auch wenn ihm im Moment bei all den Vorbereitungen mit Umzug nach Dallas und den Formalitäten kaum Zeit bleibt, über so etwas nachzudenken.
Seine Freundin Natascha soll so schnell wie möglich nachkommen, auch das Hotelleben will er auf ein Minimum reduzieren.
Am Mittwoch fliegt Pitter nach Dallas, lernt sein neues Team kennen, mit dem er am Freitag schon ins Trainingslager nach Arizona fliegt. Bereits am 6. März beginnt die neue Saison mit einem Heimspiel gegen Philadelphia Union. Der Traum vom Profi-Fußballer, er ist jetzt Realität.