zurück
Eishockey:
Das Herz blieb in Haßfurt
Früher Hawk, jetzt Ice Tiger: Tray Tuomie coacht seit dieser Saison den Nürnberger Erstliga-Club.
Foto: Imago | Früher Hawk, jetzt Ice Tiger: Tray Tuomie coacht seit dieser Saison den Nürnberger Erstliga-Club.
redsp
 |  aktualisiert: 21.12.2015 13:54 Uhr

Was als erstes auffällt, ist dieses Blitzen in den Augen, dieses fröhliche, unbeschwert wirkende Lachen – Tray Tuomie hat es immer noch. Und der 45-jährige lacht viel und gerne. Auch mehr als 22 Jahre, nachdem der Mann aus Minneapolis/Minnesota erstmals nach Franken kam, hat er immer noch mehr Lach- als Sorgenfalten im Gesicht.

Dabei hat der Druck in diesen Jahren extrem zugenommen. Gerade in den letzten Monaten. Denn seit dem 18. April ist Tray Tuomie Cheftrainer beim DEL-Verein Thomas Sabo Ice Tigers Nürnberg. Es geht die Legende um, dass er gerade das Auftaktspiel der deutschen Mannschaft zur U-18-WM anschauen wollte. Der erste große internationale Auftritt seines Sohnes Parker. Dann klingelte plötzlich das Telefon und Sportdirektor Martin Jiranek fragte den bisherigen Co-Trainer Tuomie, ob er sich vorstellen könne, künftig der Cheftrainer Tuomie zu sein. „Das war eine große Überraschung für mich. Ich habe sofort 'ja' gesagt.“ Die Verpflichtung galt als kleine Sensation, hatte Tuomie doch kaum Trainererfahrung. Ein Jahr als Coach bei den Weser Stars in der Regionalliga, zwei Jahre als Co-Trainer bei der Düsseldorfer EG und eben zuletzt in Nürnberg. Sein ehemaliger Mitspieler aus Timmendorf, Jeff Tomlinson, wollte ihn jeweils als Assistent haben. Doch Tomlinson musste in Nürnberg wegen Erfolglosigkeit gehen, auch Nachfolger Bengt-Ake Gustafsson blieb nicht.

„Ich bin nicht nach Nürnberg gekommen, um Cheftrainer so werden“, sagt Tuomie. „Aber ich wusste, dass ich es kann.“ Und wie: Nach Jahren des Leidens stehen die Ice Tigers unter den Top Drei der DEL. Nürnberg hat die meisten Tore der Liga geschossen, der Zuschauerschnitt liegt 25 Prozent über der Kalkulation. „Ich weiß nicht, ob ich was besser mache. Ich sorge dafür, dass die Spieler Spaß haben und rede viel mit ihnen. Meine Lebenserfahrung mit allen Stationen gerade außerhalb des Eishockeys hilft mir dabei.“ Tuomies Einjahresvertrag in Nürnberg wurde vor kurzem bis 2016 verlängert.

Von derlei Aufgaben träumte Tray Tuomie nicht einmal, als der Uni-Absolvent 1991 nach Haßfurt kam. Sein älterer Bruder Tadd spielte bereits dort und Tray wollte einfach mal mit Tadd in einer Mannschaft spielen. Und egal, wo es Tuomie anschließend hin verschlug – zum ERV Schweinfurt (1992-94 und 2004/05), Berliner Schlittschuhclub, Crimmitschau, Bad Nauheim, Bremerhaven oder Moskitos Essen – das Herz blieb irgendwie in Haßfurt. Bis heute. „Das war eine ganz besondere Saison, nicht nur, weil ich dort das erste Mal Geld fürs Eishockey spielen bekommen habe.“ In Haßfurt lernte Tray seine Frau kennen, hier wurde sein Sohn Parker geboren. Bis zum Frühjahr schaffte es der Deutsch-Amerikaner sogar noch ab und zu Montagabend mit alten Mannschaftskameraden auf dem Haßfurter Eis ein wenig Spaß zu haben. „Heute geht das nicht mehr, meine Arbeitstage sind sehr lang.“ Erst kürzlich hat er den ESC beim Match in Nürnberg beim dortigen EHC 80 beobachtet. „Ich glaube fast, sie hätten mich noch brauchen können“, grinst er.

Inzwischen ist die Familie Tuomie weit verstreut: Tray in Nürnberg, seine Frau und die beiden Töchter leben in Bremerhaven. Tadd ist zurück nach Minneapolis. „Er hat noch viel mit Eishockey zu tun. Er trainiert Anfänger. Sonst verkauft er Fenster.“ Sohn Parker geht derzeit in der Nähe von Seattle aufs College und spielt dort sehr erfolgreich Eishockey. „Vermutlich wird er im Sommer für die NHL gedraftet. Ich glaube, dass er es schaffen kann in der NHL zu spielen. Bei uns in Nürnberg würde ich ihn schon einsetzen“, sagt der stolze Vater. Gut für Deutschland, denn Parker hat einen deutschen Pass und ist über Weihnachten gerade in Füssen, um sich mit der deutschen U-20-Nationalmannschaft auf die WM in Schweden vorzubereiten. „Gestern kam er in Nürnberg an, dann waren wir erst bei der Oma in Haßfurt zum Mittagessen, am Abend waren wir beide zusammen auf dem Eis. Nur wir zwei ganz allein in der Halle.“ Da glänzen Tuomies Augen ganz besonders.

Ein kurzes Abenteuer in Sibirien

Die Karriere des 45-Jährigen ist auch deshalb so außergewöhnlich, weil Tuomie 2005 so die Nase voll vom Eishockey hatte, dass er zwei Jahre komplett ausstieg. „Ein alter Freund von mir hatte mich angerufen. Der war inzwischen ein großer Geschäftsmann in Russland und fragte, ob ich für ihn arbeiten wolle.“ Also zog es den Amerikaner nach Sibirien. In Nowosibirsk sollte er ein Eishockeyzentrum aufbauen. „Das hat sich aber schnell zerschlagen. Ich habe dann für meinen Kumpel unter anderem im Bäcker- und Restaurantfach gearbeitet. Und ich habe furchtbar zugelegt, irgendwann wog ich über 100 Kilo.“ Doch irgendwie konnte Tuomie nicht vom Eishockey lassen. „Also habe ich wieder trainiert und mir gesagt, ich müsse zurück kommen und wenn es nur für ein Spiel ist.“ Tuomie schaffte mit fast 40 noch einmal das Comeback, rettete den TEV Miesbach 2008 in 25 Spielen mit 20 Scorerpunkten vor dem Abstieg aus der Oberliga, beendete dann seine aktive Karriere und wurde Trainer.

Heute hört er die Frage, ob er denn gleich auf Anhieb mit Nürnberg den Titel gewinnen könne, gar nicht so gern. Kein Wunder, der Druck, der auf dem Trainerneuling lastet, ist auch so schon groß genug. Aber vom Titel träumen, das ist schon erlaubt. „Schon als ich drei, vier Jahre alt war und mit meinem Bruder Tadd im Keller ein Tisch-Eishockeyspiel hatte, schon damals habe ich vom Titel geträumt.“

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bremerhaven
Eishockey
Eislauf- und Rollschuhverein Schweinfurt
Trainer und Trainerinnen
Unterfranken
Weltmeisterschaften in Schweden
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top