Es ist ein weiter Weg von Brasilien nach Bad Bocklet. Profifußballer müssen weite Wege gehen. Vor wenigen Wochen trug Mehdi Lacen bei der Weltmeisterschaft noch das Trikot der algerischen Nationalmannschaft, die sich erst in der Verlängerung der deutschen Nationalmannschaft hatte geschlagen geben müssen. Jetzt steckt der Nordafrikaner in einem lilaweißen Shirt mit dem Wappen des FC Getafe, schwitzt in der unterfränkischen Provinz.
Laute Kommandos. Schrille Pfiffe. Trainingslager mit militärischem Drill. Die Profifußballer aus der Primera División, der ersten spanischen Liga, sind nicht zur Kur ins Biedermeierbad gekommen. 25 Spieler, sieben Physio-Therapeuten, vier Trainer, ein Teamarzt. 45 Personen insgesamt. Und ein Kleinbus randvoll mit Equipment, das aus der Madrider Vorstadt herangekarrt wurde. „So was wollten wir schon immer hier haben“, sagt Gregor Kunzmann, der Herbergsvater auf Zeit.
Um den Gästen perfekte Bedingungen zu bieten, wurde einiges bewegt. „Die Fach-Firma Söder hatte im Vorfeld sogar Bodenproben genommen. Es wurde bewässert, gedüngt und der Rasen exakt nach den Vorstellungen der Spanier gemäht. Die wollen die Halme nämlich nur etwa 2,1 Zentimeter lang haben. Normal sind etwa 2,6 Zentimeter. Jetzt liegt der Platz bombastisch da“, freut sich Mario Samko. Der Vorsitzende des TSV Bad Bocklet ist unter den Zaungästen bei der Trainingseinheit am Samstagmorgen. „Die Spanier legen Wert darauf, dass vor dem Training der Platz kurz bewässert wird, um den Ball schneller zu machen und die Verletzungsgefahr zu senken. Und am Abend wird noch einmal richtig bewässert. Fünf Stunden insgesamt“, erzählt Mario Samko.
Der Arzt testet das Wasser
Viel Arbeit, die beim TSV gerne in Kauf genommen wird. „Das ist doch eine spannende Geschichte, mal Profis beim Training zuschauen zu können. Und für den TSV sowieso ein besonderes Ereignis mit einer entsprechenden Außenwirkung.“ Wasser spielte auch auf einer anderen Ebene eine Rolle. „Die Spieler wollten natürliches Mineralwasser haben. Das hatten wir besorgt, wurde aber vom Teamarzt abgelehnt, weil ein Rest Kohlensäure vorhanden war. Dann gab es halt eine andere Marke“, plaudert Gregor Kunzmann aus dem Nähkästchen.
Diven sind die Spanier freilich nicht. Wir bekommen für jeden Tag einen Menü- und Organisationsplan. Aber der Umgang mit den Spaniern ist absolut unkompliziert. Und unsere Gäste freuen sich über die Spieler“, sagt der Junior-Chef des Bad Bockleter Traditionshotels. Den Profis bei der Arbeit zugeschaut hatte auch Wolfgang Back. „Für die Region und den Sportverein ist das eine feine Geschichte“, sagt Bad Bocklets Bürgermeister, der für den Montagabend einen offiziellen Empfang vorbereitet, inklusive Eintrag ins Goldene Buch der Marktgemeinde.
Sogar ein Autogramm-Jäger aus Nürnberg hatte den Weg zum Sportplatz an der Windheimer Straße gefunden. „Im Stadion sammle ich prinzipiell keine Autogramme mehr. Das ist mit den Ordnungskräften alles zu kompliziert geworden“, bedauert Jürgen Conradi. Eine Mappe, viele Bilder, ein Stift. Diesmal lohnt die Fahrt, weil die Spieler des FC Getafe jeden Wunsch des 50-Jährigen erfüllen, der einige Tausend Unterschriften in seinem Besitz hat. Und sich gleich danach schon wieder auf den Rückweg machte. In Richtung Fürth, zur Saisoneröffnung der Kleeblätter. Dorthin, wo der FC Getafe am Freitag gespielt und 2:3 verloren hatte.
Ein Ausbildungsverein
„Ein guter und physisch starker Gegner, der in der Vorbereitung etwas weiter ist als meine Mannschaft“, analysierte Cosmin Contra den zweiten Test seiner Elf, die kurz nach der Ankunft in Deutschland beim Zweitliga-Aufsteiger RB Leipzig mit 3:2 gewonnen hatte. Seit dieser Saison ist der Rumäne Cheftrainer beim Madrider Vorortklub, für den der 73-fache Nationalspieler bereits von 2006 bis 2009 aktiv auf dem Platz stand – bis 2007 mit Bernd Schuster als Trainer. „Ich will in den Spielen Verbesserungen sehen. Und die taktische Umsetzung dessen, was wir hier trainieren“, sagt der 38-Jährige, der schon das Trikot des AC Mailand und von Atletico Madrid trug.
Dass der FC Getafe dauerhaft im Schatten der beiden großen Madrider Vereine steht, stört den ehemaligen Außenverteidiger nicht. „Unbekannte Spieler können sich bei uns weiterentwickeln. Die Transfers zu größeren Klubs sind Alltag für uns.“ Bescheiden sind die sportlichen Ziele freilich nicht für den Dreizehnten der Vorsaison. „Wir wollen einen Top-Ten-Platz“, sagt Cosmin Contra, der als Trainer zum ersten Mal in Deutschland ist.
Dass der spanische Erstligist für eine Woche ins Saaletal gekommen ist, ist mit ein Verdienst von Andreas Lampert. Der in Nüdlingen wohnende Match-Agent besitzt umfangreiche Kontakte zu internationalen Spitzenvereinen, ist seit über einer Dekade im Geschäft und arbeitet eng zusammen mit einer spanischen Sportmarketing-Agentur. „Schön, dass es zusammen mit dem Hotel Kunzmann geklappt hat, einen Spitzenverein hierher zu holen. Dran waren wir schon länger. Das Gesamtpaket muss halt stimmen“, sagt Lampert. Wozu die Platzbedingungen ebenso gehören wie das Hotel und die Wertigkeit der insgesamt vier Testspiele, die Lampert mit organisiert.
Der Wunsch nach Eistonnen nach dem fordernden Trainingsbetrieb wurde ebenfalls prompt erfüllt. Zu zweit steckten da gutgelaunte Profis in den überdimensionierten Kübeln im Hotelgarten. Was dann doch etwas von Kur-Aufenthalt hatte: Weil der FC Getafe so ganz nebenbei das Kneippen für sich entdeckte.