Ein Kantersieg. Und das im Derby. Der Einstieg in die Jubiläums-Saison - 25 Jahre Eishockey in Bad Kissingen - kann an diesem späten Oktobertag des Jahres 2002 nicht besser sein. Mit 7:0 wird der ESV Würzburg aus der Halle geschossen. 300 Fans bejubeln Tore von Thilo Herberholz (2), Matthias Back, Mike Hawkins, Marcel Mrachatz, Harry Grundmann und Christian Keul. Schon nach dem ersten Drittel muss ESV-Goalie Rainer Schwab viermal hinter sich greifen. Ungeachtet der fehlenden Spannung geht es zur Sache. 79 Strafminuten verteilen die Unparteiischen Paul Lajoe und Manfred Hoffmann, darunter eine Disziplinarstrafe für Mike Hawkins.
Euphorie hinterlässt der Pflichtsieg bei Spielertrainer Thilo Herberholz nicht, der in der Vorsaison noch Würzburgs "Eisbären" trainiert hat und bei seinem Heimatverein nun den Slowaken Marian Stabel beerbt. Der Gegner hat sein Auftaktspiel wenige Tage zuvor mit 1:13 in Nürnberg verloren , wird die reguläre Runde als abgeschlagenes Schlusslicht beenden.
Berndaner spielt immer noch
Kapitän der Mainfranken ist Oliver Lang. Der ehemalige Teamkollege von Herberholz erinnert sich: "Das war eine schöne Zeit und eine gesunde, aber nie übertriebene Rivalität. Wir Würzburger waren meistens die Außenseiter, weil nie besonders viel Geld in die 1. Mannschaft investiert wurde und wir nur das Freiluft-Stadion hatten", sagt der 49-Jährige. "Daher war es für die Bad Kissinger, die aus der Bayern- in die Landesliga abgestiegen waren, damals die totale Katastrophe, als sie Mitte der 90er Jahre das erste Mal gegen uns verloren haben."
Immer wieder mal treffen sich die Konkurrenten von einst, nicht zuletzt bei Eishockey-Legendenspielen für den guten Zweck. Oder ganz privat. Beim Anruf bei Oliver Lang, inzwischen Vorsitzender des ESV Würzburg, war tatsächlich Thomas Berndaner bei seinem Würzburger Kumpel. Der 50-Jährige trug viele Jahre das Trikot des ERV Schweinfurt und ESC Haßfurt , spielte vor 18 Jahren aber für die Saalestädter - und ist für die Bezirksliga-Truppe der Würzburger Eisbären immer noch aktiv auf dem Eis.
Spiele vor 6000 Fans
Herberholz ist ein Bad Kissinger Eigengewächs mit durchaus schillernder Laufbahn. Schließlich hatte der Kissinger Mitte der 90er Jahre sogar DEL-Luft geschnuppert im Dress der Nürnberg Ice Tigers , die in der Saison zuvor noch als EHC 80 Nürnberg in die neu gegründete Liga aufgestiegen waren. "Wir mussten in den Zweitliga-Playoffs das Halbfinale erreichen. Das gelang uns mit einem Sieg über Kassel", erinnert sich der 45-Jährige. Um die 6000 Zuschauer kamen damals zu den Heimspielen der Norisstädter.
"Für die DEL war ich allerdings nicht gut genug. Durch das Bosman-Urteil kamen viele Ausländer in die Liga, vorher waren ja nur zwei erlaubt", sagt Herberholz, der im Herbst 2002 den Trainerjob in Bad Kissingen übernahm, nach der Saison seine Eishockey-Karriere beendete. "Das hatte damals gepasst, weil ich am Kissinger Gymnasium mein Referendariat machen konnte. Mit dem Saisonverlauf war ich aber total unzufrieden, auch mit meiner Leistung, an die ich einen höheren Anspruch hatte. Wir hatten mit einem guten Kader zwar das Minimalziel, die Playoffs zur Bayernliga, erreicht. Aber mit so vielen starken Spielern wäre auch der Aufstieg möglich gewesen."
Die Leidenschaft gehört fortan dem Fußball . "Ich durfte mit dem SV Garitz noch wunderbare Zeiten in der Bezirksliga erleben. Davor hatte ich ja eher sporadisch gekickt", sagt der Inhaber der Fußballtrainer-B-Lizenz, der mittlerweile an einem Münchner Gymnasium Lehrer ist - und seit 2018 die Fußballerinnen des FC Forstern aus dem Landkreis Erding trainiert. "Wir sind zwar in der Regionalliga nur ein Außenseiter-Verein, der vor etwa 100 Zuschauern im Schnitt spielt. Aber in meiner ersten Saison hatten wir im DFB-Pokal Achtelfinale gegen den VfL Wolfsburg vor 2000 Zuschauern gespielt. Trotz der 0:9-Niederlage war das ein Highlight in der Vereinsgeschichte ."
Davor war Thilo Herberholz acht Jahre bei den Banat-Schwaben im rumänischen Temesvar, arbeitete für das auswärtige Amt im Auslandsschuldienst. "Das war eine wunderbare Zeit. 2009 war sogar der VfB Stuttgart für ein Spiel der Champions League-Qualifikation in Temesvar."
Eine prima Truppe
Der damals verpasste Aufstieg in die Eishockey-Bayernliga ist für Christian Keul keine Enttäuschung gewesen. "Das war eine super Saison mit super Jungs sowie einer prima Betreuerriege um Norbert Hochrein, Günther Matzke, Ewald Voll. Dazu Peter Stürmer als Marketingleiter und Volker Meusel-Schneider als Sportleiter. Wir waren eine gute Mischung mit vielen Bad Kissingern und einigen Spielern aus Lauterbach und Schweinfurt."
Für den kanadischen Touch im Team sorgten der nach langer Pause reaktivierte Mike Hawkins sowie Bruce Hardy. Der Koloss mit DEL-Erfahrung sollte in dieser Runde aber nur wenige Spiele für die Kissinger Wölfe bestreiten, war damals schon mehr Golflehrer als Eishockey-Spieler. "Ein paar Monate später kam dann ja mit Kevin Martin ein weiterer Kanadier zu uns, der zur neuen Saison dann Trainer wurde", erzählt Christian Keul. "Nach unserer Bayernliga-Zeit in den 90er Jahren war diese Saison eine Art Wiedergeburt von gutem Bad Kissinger Eishockey-Sport", findet der 53-Jährige. Das Schwelgen in der Vergangenheit - mehr bleibt den Fans der Kissinger Wölfe in diesen Tagen nicht.
Aufstellung Gegen Würzburg stehen im Oktober 2002 diese Kissinger auf dem Spielberichtsbogen. Goalies: Steffen Hartmann, Andreas Rosin. Verteidiger: Harry Grundmann, Thomas Berndaner, Sebastian Keß, Marcel Mrachatz, Sven Kaufmann. Stürmer: Christian Keul, Matthias Pfleger, Thilo Herberholz (Spielertrainer), Sven Naumann, Matthias Back, Tobias Weitzel, Manuel Potschka, Horst Feuerfeil, Maximilian Stöpel, Andreas Gschwind, Stephan Waldner, Mario Neubauer, Mike Hawkins.
Saison Nach den 14 Spieltagen in der Landesliga Nord hat der SC Bad Kissingen zwar ein negatives Punktekonto (13:15), erreicht als Vierter unter den acht Teams - hinter dem EC Pegnitz, EHC 80 Nürnberg und EV Regensburg 1b - aber die Playoffs zur Bayernliga. In der Aufstiegsrunde sind die Kurstädter allerdings chancenlos, werden unter den acht Teams Vorletzter mit 8:20 Punkten.
Thilo Herberholz ist einer der wenigen Kissinger Eishockey-Spieler mit Einsätzen in der höchsten deutschen Spielklasse. Schon als 17-Jähriger hatte der Garitzer in der Bayernliga-Mannschaft des SC Bad Kissingen gespielt. Entdeckt wurde der heute 45-Jährige von Robert Fischer , der den Buben quasi vom zugefrorenen Garitzer See zum SC Bad Kissingen lotste. Herberholz spielte auf der Stürmer-Position für alle vier unterfränkischen Vereine, unter anderem für den ERC Haßfurt in der 2. Liga, aber auch für den EHC 80 Nürnberg, die Nürnberg Icetigers sowie den ESV Bayreuth.