Etliche Persönlichkeiten des kulturellen Lebens wurde erst sehr verspätet die Ehre der allgemeinen Anerkennung zuteil. Mozart etwa. Zu Lebzeiten bekannt, nach seinem Tod weltberühmt. Van Gogh verkaufte zu Lebzeiten nur eine Pinselei an jemanden, der nicht der eigenen Familie angehörte. Oder Carsten Ramelow. Bislang hauptsächlich wahrgenommen als populärer Vertreter der Generation Rumpelfüßler. Sein Wirken ist aber weitaus weitreichender. Ohne Ramelow und seine storchenhaxigen Kollegen hätte der Verband keine Ausbildungsoffensive gestartet. Wären Instinktfußballer nicht gefördert worden. Max Kruse etwa hätte sich wahrscheinlich nicht die Möglichkeit ergeben, eine Karriere zu erleben, die ihn finanziell für all seine Lebensjahrzehnte (von denen hoffentlich noch viele bevorstehen) absichert.
Es wäre schade gewesen, wenn es nicht so gekommen wäre. Vor allem für Max Kruse. So segensreich er mit Instinkt und gefühlvollen Füßen ausgerüstet worden ist – irgendwo müssen dann eben auch Abstriche gemacht werden. So verließ ihn der Instinkt manchmal in Situationen, in denen ein simpler Gedanke ausreichend gewesen wäre. Sich Damenbesuch vor einem Spiel mit der Nationalmannschaft zu bestellen war in etwa so ungünstig, wie einen mit 75.000 Euro gefüllten Rucksack im Taxi liegen zu lassen.
Kruse hatte Kovac massiv kritisiert
Kruse kann Ramelow also dankbar sein. Während Niko Kovac sich eher mehr Ramelows als Kruses wünschen dürfte. Der nun ehemalige Trainer des VfL Wolfsburg hatte Kruse einst aus dem Kader geworfen. Nun attestierte ihm der einstige Offensivspieler "charakterlich absolut Katastrophe" zu sein. Der Coach musste es hinnehmen wie ein gestürzter Skifahrer. Da ist nicht mehr viel zu machen. Sämtliche Bodenwellen schmerzen und am Ende folgt unweigerlich der Einschlag. Im Falle von Kovac: eine formschwache Mannschaft, Spiel gegen eine formstarke Mannschaft, Frust beim VfL Wolfsburg, Max Kruse, eine unglückliche Schiedsrichterentscheidung, Pech, Niederlage, Trennung.
Carsten Ramelow hat die Demission des Trainers mit Sicherheit nicht gewollt. Möglicherweise hat er bislang nicht mal geahnt, welche Folgen sein Wirken auf spätere Generationen von Berufsfußballern haben wird. Der Mann hat fußballerischen Freigeistern ganz neue Entwicklungsperspektiven ermöglicht. Ohne Ramelow kein Özil, also: kein WM-Titel 2014. Kein Kruse. Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann den Weltenlauf ändern – und ein Storchenfuß die Saison des VfL Wolfsburg.