Wenn Ulf Wallisch arbeitet, bekommt das kaum jemand mit. Vor dem Eingang zur Panther-Umkleide geht es rechts ab in einen kleinen Raum, der bei Heimspielen für die Gästetrainer reserviert ist. Noppenboden aus Gummi, weiße Wände und Neonröhren an der abgehängten Decke sind praktisch und leicht zu reinigen. Nur bedingt ein Ort zum Wohlfühlen. Dort richtet sich der Mentalcoach der Panther bei seinen regelmäßigen Augsburg-Besuchen – knapp eine Woche pro Monat – ein. Das Ambiente seines "Behandlungszimmers" kommt spartanisch daher: ein weißer Resopal-Tisch, zwei Stühle, eine klappbare Massageliege und eine Stehlampe. Die knipst Wallisch an, damit seine Kunden auf der Liege nicht in das grelle Licht einer Neonröhre über ihnen starren müssen. Ein wenig soll die Stehlampe signalisieren: Hier werden nicht die Muskeln, sondern der Kopf trainiert.
Tabus in den Gesprächen mit dem Mentaltrainer gibt es nicht. Auch wenn die Spieler mit privaten Problemen kämpfen, sind sie bei dem Österreicher aus Villach an der richtigen Adresse: "Bei mir können sich die Spieler komplett fallen lassen. Was hier bei mir gesagt wird, dringt weder zum Trainer noch zum Klub-Management." Seit acht Jahren arbeitet der 53-Jährige, dessen Vertrag nach dieser Saison ausläuft, in Augsburg. Seine Aufgabe ist komplex und nur schwer in einen Satz zu packen. Grundsätzlich gilt, dass dort, wo mehrere Menschen zusammenkommen, Konflikte und Reibung entstehen. In einer Eishockey-Umkleide hocken knapp 30 Männer inklusive des Trainerteams zwischen August und April auf engstem Raum wortwörtlich aufeinander, fast täglich für mehrere Stunden. Tageweise geht es auf Busreisen. "Es geht gar nicht anders – Konflikte und Krisen entstehen immer. Allerdings muss man sie als Chance sehen und nutzen", sagt der ausgebildete Zivilrechtsmediator und Diplom-Mentalcoach.
Mentaltraining gegen den Abstieg? Das Angebot des Panther-Trainers ist freiwillig
Die Spieler kommen freiwillig. "Einige kommen zwei bis drei Mal wenn ich da bin, andere nutzen mein Angebot gar nicht", sagt Ulfried, den alle nur Ulf rufen. Zum einen sollen sich die Eishockey-Profis mit dem Denken beschäftigen. Außerdem gehe es darum, sich selbst zu beobachten.
Eine so schwierige Situation wie in dieser Saison hat der Österreicher selten erlebt. Er darf nicht zu viel erzählen, weil er sich zur Verschwiegenheit verpflichtet hat und das aufgebaute Vertrauensverhältnis nicht zerstören will. "Der Trainer auf dem Eis versucht, dem Spieler spielerisch Lösungen zu zeigen. Das Wichtigste für mich ist, dass ich auf mentaler Ebenen die Lösungswege aufzeige."
Die Zukunft des AEV beschäftigt die Profis
So viel kann er sagen: Die Panther-Mannschaft beschäftigt sich sehr mit der sportlich schwierigen Situation und dem drohenden Abstieg. Die eigene und die Zukunft des Klubs nimmt im Denken einen großen Raum ein. "Wenn die Vertragssituation ungewiss ist, hängt das persönliche und oft auch das Schicksal der Familie dran. Dann fängt die Kopfmaschine an zu arbeiten." Das Drumherum werde wichtiger als die eigentliche Aufgabe auf dem Eis. "Ich versuche, den Spielern Methoden beizubringen, wie sie sich wieder auf die Arbeit im Training und im Spiel fokussieren können", sagt Wallisch, der auch mit Tennisprofis und Wintersportlern arbeitet.
Die vielen Misserfolge nagten am Selbstwertgefühl der einzelnen Spieler, der gesamten Mannschaft. "Es ist ja keiner in die Saison gegangen mit dem Ziel, Letzter oder Vorletzter zu werden. Das Ziel ist weit weg, und das nagt an vielen." Aber auch in der vertrackten Situation der Augsburger, die auf Platz 14 wie festgetackert sind, gibt es noch Ziele. "Es geht darum, nicht Letzter zu werden. Dafür müssen sie kämpfen und kratzen auf dem Eis. Es gibt nicht mehr viel zu gewinnen, aber viel zu verlieren", sagt der Kopftrainer, der in der Deutschen Eishockey Liga nur die Panther betreut. Auch, weil vertraglich eine Zusammenarbeit mit Konkurrenten ausgeschlossen ist. Gerade in einer Krisensituation, so Wallisch, müsse man höllisch aufpassen, dass nicht zu viele Spieler ausscheren. Dass sich wirklich jeder, vom Co-Trainer bis zum Stürmer in der vierten Reihe, gebraucht fühlt. Wallisch erzählt von der System-Theorie. "Wenn sich in einem geschlossenen System mehr als zehn Prozent der Mitwirkenden anders orientieren oder dagegen arbeiten, dann ist das Gruppenziel in Gefahr." Zehn Prozent einer Eishockey-Mannschaft sind rechnerisch 2,5 Spieler. "Wenn man die nicht wieder ins Boot holt, wird es gefährlich."
Die Augsburger Panther müssen auch in schwierigen Phasen als Team funktionieren
Daran, dass die Mannschaft auch in schwierigen Phasen noch eine Einheit bildet, arbeitet Wallisch. Vor acht Jahren brachte der damalige Trainer Mike Stewart den Mentalcoach mit nach Augsburg. Längst ist Stewartüber Köln nach Wolfsburg weitergezogen. Am Sonntag um 14 Uhr kommt der Kanadier aus Calgary mit den Grizzlys Wolfsburg ins Curt-Frenzel-Stadion. Wallisch wird nicht da sein, sondern ist derzeit in Österreich. So spät in der Saison noch den Hebel – auch im Kopf – umzulegen, sei schwer. "Erfolgreiche Wintersportler werden im Sommer gemacht. Das gilt auch mental", sagt Ulf Wallisch.