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FRAUENFUSSBALL: WM
Almuth Schult: „Soziale Netzwerke können echt stressen“
Fussball       -  Für ihre Vorgängerin Nadine Angerer ist sie die „beste und kompletteste Torhüterin“ der WM: Almuth Schult
Foto: Witters | Für ihre Vorgängerin Nadine Angerer ist sie die „beste und kompletteste Torhüterin“ der WM: Almuth Schult
Frank Hellmann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:23 Uhr

Almuth Schult hat bei dieser WM mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft noch kein Gegentor kassiert. Vorgängerin Nadine Angerer, die aus Gemünden stammt, bezeichnet sie als „beste und kompletteste Torhüterin des Turniers“. Die 28-Jährige genießt eine Ausnahmestellung im Team. Spitzname „Almuth allwissend“. Manche bezeichnen die Torfrau vom VfL Wolfsburg sogar als Klugscheißerin. Das ist aber liebevoll gemeint. Den Termin zum Interview vor dem Viertelfinale gegen Schweden (Samstag, 18.30 Uhr/ARD) sagt die 63-fache Nationaltorhüterin trotz einer Erkältung nicht ab.

Frage: Almuth Schult, wie lebt es sich im einzigen Einzelzimmer bei der deutschen Frauen-Nationalmannschaft?

Almuth Schult: Ganz schön. Es ist ruhig. Wenn ich jemand sehen will, kann ich das Zimmer verlassen. Es ist ein bisschen wie zu Hause, wenn man seine eigene Wohnung hat.

Als Sie zu Wochenanfang eine leichte Erkältung hatten, war es sicher von Vorteil, dass niemand stört.

Schult: Ja, aber wenn jemand anders erkältet wäre, würde er auch ein Einzelzimmer bekommen, um seine Ruhe zu haben.

Fühlen sie sich manchmal allein gelangweilt?

Schult: Überhaupt nicht! Ich muss nicht pausenlos reden. Ich mache mir gerne meine eigenen Gedanken, lese etwas oder telefoniere mit der Familie.

Sie sind die einzige Spielerin, die keinen Instagram-Account besitzt. Bei den DFB-Frauen war vor dem Achtelfinale gegen Nigeria zu lesen: „Hält uns heute den Kasten sauber, #AlmuthOhneInsta“. Fanden Sie das auch lustig?

Schult: Der Hashtag begleitet uns die Vorbereitung und die Weltmeisterschaft. Ich bekomme öfter von Bekannten einen Screenshot mit diesem Hashtag und finde das recht witzig.

WhatsApp boykottieren Sie also nicht?

Schult: Keine Angst. Das halte ich für ein super Kommunikationsmittel, weil man damit auch außerhalb des europäischen Auslands telefonieren kann. Was die Technik möglich macht, ist außerordentlich. Ich mache das mit den Sozialen Netzwerken aus Überzeugung nicht, weil ich am liebsten mit Menschen direkt kommuniziere. Und ich muss nicht alles von meinem Privatleben preisgeben.

Besteht die Gefahr, dass sich in den Sozialen Netzwerken eine Scheinwelt ausbreitet, die die Realitäten ausblendet? Für die Austragung von Konflikten sind diese Plattformen kaum geeignet.

Schult: Wie bei allen Neuerungen gibt es positive und negative Effekte. Viele würden sich doch heutzutage nicht trauen, einem das ins Gesicht zu sagen, was sie aber bei Facebook und auf Instagram schreiben – und sich die Betroffenen dann sehr zu Herzen nehmen. Man kann auf solchen Plattformen sehr leicht kritisieren. Und ich weiß nicht, ob es erstrebenswert ist, 50 000 Follower zu haben.

Warum nicht?

Schult: Wenn man die 50 000 in ein Stadion setzen würde, wären doch viele dabei, von denen man sagt: Ich finde gar nicht gut, dass der alles von mir sieht. Ich mag gerne, mit Leuten direkt zu reden oder sie per Zufall zu treffen. Ich glaube, es braucht für die heutige Generation auch Vorbilder, die mal sagen: Ich brauche das nicht. Weil diese Sozialen Netzwerke echt stressen können. Immer das Verlangen, zum Handy zu greifen. Wenn einer mal nicht direkt antwortet, ist das schon wieder der halbe Weltuntergang.

Ihre Mitspielerinnen sind sehr aktiv in den Sozialen Netzwerken. Gibt es das trotzdem, dass sich ihre Mannschaft noch mal richtig die Meinung sagt?

Schult: Ja, das gibt es hier und im Verein. Manchmal hat man solch ein Gespräch mit allen oder in Kleingruppen. Das ist wichtig im Mannschaftssport: Wenn man nicht ehrlich zueinander ist, kann man keine Probleme lösen.

Sie haben die Heim-WM 2011 und die WM 2015 als Ersatztorhüterin miterlebt. Was ist der größte Unterschied zum Team 2019, in dem Almuth Schult die Nummer eins ist?

Schult (überlegt): Sehr gut ist, dass alle im Umgang mit den Medien sehr geschult sind und – da kommen die Sozialen Netzwerke positiv ins Spiel – alle sehr verantwortungsvoll damit umgehen. Dispute werden nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen. Natürlich sagt einer leicht, wir könnten mehr Charakterköpfe haben, aber hier wissen alle, um was es geht. Und wir haben anders als 2015 einen sehr ausgeglichenen Kader, bei dem viele Spielerinnen sehr flexibel sind. Wir haben nur wenige, die z.B. nur Außenverteidigerin spielen kann. Es ist ein Bonus, im Spiel ohne Wechsel umstellen zu können.

Sie haben Anteil an der guten Zwischenbilanz. Ohne Gegentor zu sein, weckt Erinnerungen an die WM 2007 ihrer Vorgängerin Nadine Angerer, die damals ohne Gegentor blieb. Sie wollen davon nicht viel wissen . . .

. . . weil in der K.o.-Phase noch stärkere Gegner kommen werden, schon jetzt gegen Schweden wird das eine andere Nummer. Beim Testspiel in Schweden (2:1, Anm. d. Red.) haben wir auch ein Gegentor bekommen. Ich glaube es einfach nicht. Außerdem bin ich es nicht allein, die sich in die Bälle reinwirft. Glück braucht es auch. Wie alle wissen, rechne ich ja gerne: Da geht es um Wahrscheinlichkeiten, und die Chance ist nun einmal sehr gering, noch drei Spiele ohne Gegentor zu bleiben.

Hat eigentlich Manuel Neuer Ihnen schon mal zu der weißen WM-Weste gratuliert?

Schult: Ich habe zu ihm keinen Kontakt. Wir haben keine Handynummern ausgetauscht, und da ich nicht in den Sozialen Netzwerken bin, kann er mich nicht erreichen.

Haben Sie im Rückblick eigentlich eine Erklärung für ihre Aussetzer im Testspiel gegen Japan? Eher die Folgen der Erkrankung oder doch Übermut?

Schult: Es ist zum einen schon so, dass ich mitunter versuche, es zu perfekt zu machen. Zum anderen ist es etwas anderes, ob ein WM-Spiel oder ein Freundschaftsspiel ansteht – da geht man mehr Risiko. Letztlich kam im Frühjahr vieles zusammen. Nur: Bevor mir die Fehler gegen Japan und Olympique Lyon passiert sind, habe ich mir wenig zu Schulden kommen lassen, nur darüber verliert dann niemand ein Wort. Es ist leider in Deutschland so, dass man sich mit einem Fehler als Torwart ein ganzes Jahr Leistung kaputtmachen kann.

Die Bundestrainerin hat gesagt, Sie seien in Mannschaftssitzungen diejenige, die mit einem hohen taktischen Verständnis glänze. Gerade das wird Torhütern oft abgesprochen.

Schult: Vielleicht liegt das in meiner Natur. Ich beschäftige mich mit vielen Sachen, versuche aus allem etwas rauszuziehen. Wenn ein Torwart das Spiel von hinten lenkt, ist es wichtig, die Mannschaftstaktik zu kennen, und wenn es nur um einen Meter im Stellungsspiel geht. Ich bin froh, dass ich dafür das Auge habe.

Ihr Spitzname lautet „Almuth allwissend“. Im Elternhaus auf dem Bauernhof soll immer ein Brockhaus im Bücherregal gestanden haben.

Schult: Ich bin bekanntlich im Wendland auf dem Dorf aufgewachsen. Da ist es bis heute mit dem Internet schwierig, es gibt da kein Glasfaserkabel – und wenn, wird das erst die nächsten Jahre verlegt. Mal eben schnell etwas googeln, geht da nicht. Deswegen hatten meine Eltern mehrere Enzyklopädien griffbereit, und wenn eine Frage geklärt werden musste, wurde das eben von den Kindern in den Lexika nachgeschlagen. So haben wir alle unseren Wissensstand erweitert. Und gerne wurde über eine Frage, die andere nicht wussten, am Abendtisch ausgiebig diskutiert.

Sie haben den elterlichen Hof in Lomitz kürzlich Nilla Fischer gezeigt, der Sie jetzt im WM-Viertelfinale begegnen. Da ging es vermutlich weniger um Fußball.

Schult: Ich habe sie auf den Bauernhof mitgenommen, weil Nilla gerne diese Erfahrung machen wollte. Sie hat in Schweden auch ein Haus auf dem Land gekauft, wo sie sich überlegt, selbst Hühner oder Kühe zu halten. Sie hat dann sehr großen Respekt vor den großen Tieren gezeigt. Das fand ich sehr lustig, weil sie ja eine so gestandene Person ist.

Und die Kühe werden dann auch von Ihnen noch gemolken?

Schult: Klar, kann ich das noch. Ich bin zwar nicht so viel da, aber wenn Hilfe benötigt wird, packe ich mit an: ob nun die Kühe zu melken sind oder Heu gepresst werden muss. Das mache ich auch gerne.

Ihre Zukunft sehen Sie später aber nicht dort?

Schult: Die Landwirtschaft ist wirklich ein knochenharter Job. Ich habe allergrößten Respekt vor allen, die das machen, weil man keinen Urlaub hat, weil man sieben Tage die Woche 24 Stunden für seine Tiere da ist. Dafür muss man geboren sein. Meine Schwester hat den Hof übernommen, und ihr sehe ich an, dass sie das lebt. Ich denke nicht, dass ich später in diese Richtung gehe.

Sondern? Sie werden Trainerin?

Schult: Das würde mir sicher Spaß machen. Ich habe als Torwarttrainer und als Trainer im Jugendbereich schon erste Erfahrungen gesammelt. Ich kann mir das gut vorstellen.

 
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