Als die ukrainischen Fans den ersten Sieg ihrer Mannschaft bei der EM feierten, hatten die Spieler Tränen in den Augen.
Sogar Präsident Wolodymyr Selenskyj schickte aus der vom russischen Angriffskrieg gebeutelten Heimat Glückwünsche. „Aneinander glauben. Einander helfen. Füreinander kämpfen”, schrieb er in seinem Telegramkanal unter einem Bild der jubelnden Fußballer, die mit ihrem 2:1 (0:1)-Sieg gegen die Slowakei für einen Moment von den schrecklichen Ereignissen ablenkten und den Menschen zumindest kleine Glücksgefühle schenken konnten.
Voller Inbrunst skandierten die Menschen mit blau-gelben Flaggen rhythmisch und minutenlang „U-kra-ina! U-kra-ina!”. Die Profis auf dem Rasen stimmten mit ein. Das sei das, was die Ukrainer jetzt brauchten, was sie zusammenhalte und ihnen trotz aller Rückschläge letztlich die Möglichkeit zum Sieg gebe, zog Selenskyi in seiner Reaktion Parallelen zum Abwehrkampf gegen die russische Invasion. „Das ist genau das, was die Nationalmannschaft der Ukraine heute tut. Weiter so, Männer!”, schrieb Selenskyj.
Ein anderer Geist der Mannschaft
Auch Trainer Serhij Rebrow war überglücklich, dass sich sein Team nach dem 0:1-Rückstand und der Bürde einer 0:3-Niederlage aus dem ersten Spiel gegen Rumänien noch so steigern konnte. „Heute war der Geist der Mannschaft anders. Wir haben alles auf dem Platz gelassen”, befand der Coach. „Das war ein wichtiger Sieg für unser Land und unsere Fans, die sicher auf unsere Spieler stolz sind”, sagte Rebrow.
Torschütze Mykola Schaparenko konnte sein Glück kaum fassen. „Wir haben große Lehren aus der Niederlage gegen Rumänien gezogen. Das haben wir gut umgesetzt. Ich bin extrem stolz auf den Sieg”, sagte der 25 Jahre alte Offensivspieler, der das Podium allerdings sofort verließ, als Fragen zur Situation in der Heimat gestellt wurden.
Rebrow hatte Verständnis für seine jungen Profis, die mit der kompletten Situation auch ein wenig überfordert sind. „Für viele Spieler war es das erste Turnier und viele waren noch nie in einem so wichtigen Spiel mit so vielen Zuschauern auf dem Platz. Sie haben wirklich alles investiert. Sie repräsentieren ein Volk, das für die Freiheit in ganz Europa kämpft”, sagte der Coach.
Eine Botschaft für die Heimat
Mit dem Erfolg haben die Ukrainer im letzten Spiel gegen Belgien am Mittwoch (18.00 Uhr) nun noch alle Chancen auf den Einzug ins Achtelfinale. „Wir müssen jetzt ruhig bleiben und unsere Emotionen im Zaum halten für das nächste Spiel. Es ist schwierig, nicht an den Krieg zu denken. Eine Leistung wie heute als Team ist doch eine überragende Botschaft an unsere Soldaten und für die Leute in der Heimat”, erklärte Torhüter Anatolij Trubin.
Für das vom Krieg zerstörte Land geht es bei dieser Europameisterschaft nicht nur um Fußball. „Wir sind auch hier, um zu zeigen, dass wir noch leben”, sagte die ukrainische Fußball-Legende Andrij Schewtschenko bei einer Kundgebung am Montag in München. „Auch wenn Fußballplätze oder Tribünen den russischen Granaten nicht standhalten können, werden wir nie aufhören, für unser Land zu kämpfen und der Welt über diesen unbarmherzigen Krieg zu berichten”, sagte Schewtschenko.
Auch in Düsseldorf gab es vor der Partie ein großes ukrainisches Kulturprogramm am Rathaus und in den Fanzonen sowie den obligatorischen Fan-Walk am Rhein zur Arena. Die Freude über den Sieg war am Ende des Tages das schönste Geschenk.