Wer derzeit über Club-Spiele diskutiert, kommt grammatikalisch am Konjunktiv, der Möglichkeitsform, nicht vorbei. Was wäre statt des 1:2 in Düsseldorf möglich gewesen, wenn Matheus Pereira sich nicht nach vier Spielminuten die Rote Karte eingehandelt hätte? Und: Was wäre statt des 0:1 gegen RB Leipzig möglich gewesen, wenn Kapitän Hanno Behrens einen Foulfmeter beim Stand von 0:0 in der zehnten Spielminute nicht an die Latte gezimmert hätte?
Für Boris Schommers, den Nürnberger Interimstrainer, war die Antwort auf die aktuelle Frage klar: „Wir hatten den neuen Tabellendritten am Rande eines Unentschiedens. Wenn wir einen Türöffner wie den Elfmeter nutzen, dann bin ich guten Mutes, dass wir punkten.“ Schon im Kreis nach dem Abpfiff versuchte Schommers den zerknirschten Behrens, der in dieser Saison bereits zwei Strafstöße verwandelt hatte, und seine anderen Spieler wieder aufzurichten. „Die Erwartung, die ich an die Mannschaft hatte, hat sie erfüllt.“
Die neue Struktur ist auch im dritten Schommers-Spiel zu sehen
Die neue Struktur, die Schommers dem Tabellenletzten verpasst hat, sie war auch im dritten Spiel unter seiner Regie zu sehen. Defensiv gab der Club wenig Anlass, zu mäkeln. „Gegen die laufstärkste, schnellste und zweikampfstärkste Mannschaft der Liga haben wir aus dem Spiel heraus wenig zugelassen“, lobte Schommers. „Es war das erwartet anstrengende Spiel für uns“, gestand RB-Trainer Ralf Rangnick und führte das darauf zurück, dass die Nürnberger Spielweise „nichts mehr mit der des Hinspiels“ zu tun gehabt hätte.“ Da das 6:0 ausgangen war, durfte Rangnicks Aussage als Lob für Schommers gewertet werden. Oder als Seitenhieb auf Vorgänger Michael Köllner.
Wenn es doch mal brenzlig wurde für den Club, dann war Torwart Christian Mathenia zur Stelle, der einen Freistoß von Marcel Sabitzer mit Hilfe des Pfostens parierte (36.) und gegen den enteilten Konrad Laimer gut den Winkel verkürzte (56.). Einen Treffer kassierte der Club trotzdem, als Leipzigs Ibrahima Konaté einen Freistoß per Kopf verlängerte und Außenverteidiger Lukas Klostermann den Ball ins Netz jagte (40.). „Ärgerlich, dass sich Leipzig das Tor nicht herausspielt, sondern durch einen Standard zum Erfolg kommt. Das nervt“, sagte Mittelfeldspieler Eduard Löwen.
Ein noch größeres Manko war allerdings die harmlose Nürnberger Offensive. Auch nach dem Wechsel, als der Club wegen des Rückstands mehr riskierte, sprang bei allem Bemühen keine einzige klare Torchance heraus. Das lang einerseits an der von Willi Orban exzellent dirigierten, besten Abwehr der Bundesliga. Gekonnt blockte Orban etwa einen Schuss von Behrens, der mit verzweifelter Gestik reagierte (60.). Zum anderen machte sich einmal mehr die mangelnde Qualität des FCN in Sachen Kreativität und Durchschlagskraft bemerkbar. Mikael Ishak und Sebastian Kerk, die ebenso wie Patrick Erras (für den kurzfristig verletzten Ondrej Petrak) in die Startelf gerückt waren, vermochten an diesem grundsätzlichen Sachverhalt nichts zu verändern. Genauso wenig wie der Japaner Yuya Kubo, der kaum Akzente setzt.
Ähnliches gilt für den teuersten Einkauf Virgil Misidjan. Wie in Düsseldorf brachte Schommers den Niederländer erst als Joker, erneut zeigte er wenig Wirkung und verwunderte mal wieder mit seinem Optimismus, wenn er Dribblings gegen drei Gegenspieler anzettelte.
Zurückgenommene Gelbe Karte sorgt für Verwirrung
Für Verwirrung im mit 34 532 Zuschauern noch immer ordentlich besetzten Rund sorgte die Rücknahme der Gelben Karte, die Leipzigs Konaté erhalten hatte, bevor Schiedsrichter Daniel Schlager nach Rücksprache mit dem Videoassistenten von Freistoß für den Club auf Strafstoß umentscheiden hatte. Die Aufklärung durch den Stadionsprecher kam erst, als Konaté nach knapp einer Stunde Spielzeit vermeintlich zum zweiten Mal Gelb erhalten hatte und sich die Club-Fans schon über die vermeintliche Überzahl freuten.
Nur die beiden Mannschaften hatten sofort davon erfahren, dass Schlager das erste Gelb wieder einkassierte, weil die Doppelbestrafung Elfmeter und persönliche Strafe nicht mehr zulässig ist. Für Rangnick war es ein deutlich größeres Ärgernis, dass der Videoassistent nur den Tatort überprüft und nicht die Situation zwischen Nürnbergs Tim Leibold und Konaté bewertet hatte. „Wenn überhaupt, dann war das ein Foul an Konaté“, sagte der RB-Trainer nicht ganz zu unrecht.
Durch den Sieg von Stuttgart gegen Hannover am Sonntag ist der Rückstand der nun seit 18 Spielen sieglosen Cluberer auf den Relegationsplatz 16 auf sechs Punkte angewachsen. War's das? Normalerweise ja. Die Profis wollen und dürfen das Sterbeglöcklein trotzdem noch nicht läuten lassen. Auf das Vorbild des seit Dezember von Sieg zu Sieg eilenden Mitaufsteigers Düsseldorf angesprochen, sagte Schommers: „Wir arbeiten daran, dass wir so einen Lauf, den niemand mehr von uns erwartet, noch schaffen.“ Dann muss er sich ranhalten, es sind nur noch zehn Spiele.