In den meisten der kleinen Schotterstraßen auf dem Sander Campingplatz ist es ruhig an diesem Spätsommertag. Es geht aufs Ende der Saison zu. In Straße 3 aber herrscht noch Betrieb. Im Schatten eines Holzpavillons sitzt Dieter Erlwein auf einem weißen Gartenstuhl aus Metall. An den Querstreben des Pavillons hat der Dauercamper kleine Musikboxen angebracht. Im Hintergrund läuft Bayern 1.
Von Frühjahr bis zum Herbst sei er jedes zweite Wochenende hier, erzählt der Kraftfahrer aus Unterleinleiter (Lkr. Forchheim). An diesem Tag hat der 62-Jährige sein selbstgestecktes Tagesziel schon erreicht. Den Rasen seiner rund 100 Quadratmeter großen Parzelle hat Erlwein gemäht, die Arbeitsgeräte bereits wieder im Geräteschuppen verstaut.
Die Gemeinschaft hält zusammen
Er sei der Typ, der immer etwas zu tun braucht, erklärt er. Da sei der Campingplatz genau der richtige Ort für ihn. "Zu tun gibt es hier immer etwas", sagt Erlwein. Dabei sei er am Anfang gar nicht so der Camping-Fan gewesen. Damals sei er über Bekannte auf den Platz gestoßen. Seine kleine Tochter hatte Gefallen daran gefunden.
Die Tochter, mittlerweile erwachsen, komme nur noch selten vorbei. Erlwein aber ist geblieben, hat Wurzeln auf dem Sander Campingplatz geschlagen. Irgendwann habe es ihm dann doch gefallen. "Es lebt keiner alleine hier", berichtet er. "Es gibt hier eine Gemeinschaft, drei bis vier Parzellen arbeiten zusammen und jeder hilft jedem." Man quatscht, tratscht, und unterhält sich, sagt Erlwein. Die Camperinnen und Camper schmieden Ausflugspläne, und abends werde oft zusammen gegrillt.
Wer sich mit den Menschen vor Ort unterhält, merkt schnell: Der Campingplatz in Sand, er ist eine Welt für sich. Seit Ende der 60er Jahre gibt es den Platz, die ersten offiziellen Pachtverträge stammen laut der Gemeinde Sand aus dem Jahr 1976. Eingerahmt von Bagger- und Hochreinsee, der Pappelallee und dem Wald- und Wiesenstück "Saure Rasen" bietet er auf insgesamt 13 Hektar Platz für so einige Camperinnen und Camper. Manche von ihnen kommen seit bald fünf Jahrzehnten hierher.
Dieter Erlwein ist seit 15 Jahren mit dabei. Anfang April, zum Start der Saison, reist Erlwein an, im Oktober, meist in der Zeit um den Feiertag, bricht er seine Zelte dann ab. Bis spätestens 30. November müssen die Gäste laut der Gemeinde den 9,5 Hektar großen Dauercampingplatz verlassen. Der Grund dafür ist die Hochwassergefahr.
Das letzte Mal war der Dauercampingplatz im Jahr 2013 teilweise überschwemmt. Wenn es nass und kalt wird, ziehen die Gäste auf das höher gelegene Areal des Touristikcampingplatzes auf der anderen Seite der Pappelallee um. Der ist mit 3,5 Hektar zwar deutlich kleiner und hat nur 100 Parzellen, dafür ist er aber hochwasserfrei.
Wer eine Parzelle will, muss auf die Warteliste
Auch in Straße 11 gibt es einen Dieter, Nachname Heining. Zusammen mit seiner Frau Evi pachtet er seit diesem Jahr eine Doppelparzelle. Die beiden sitzen unter dem Vorzelt eines Wohnwagens, im Schatten einer großen Birke.
Anfang der Saison haben sie ihren Dauerstellplatz auf dem Campingplatz bezogen. Darauf: Ein Wohnmobil, zwei Wohnwägen und ein hölzerner Pavillon, der dem Ehepaar als Außenküche dient. Dieter führt über den Platz. Neben dem Wohnmobil stehen mehrere Solarmodule. Davon bezieht das Ehepaar seinen Strom. Am Rande der Parzelle hegt und pflegt Evi Heining ihre eigene grüne Oase. Dort baut sie Tomaten, Chilis und Weintrauben an.
Dass sie hier eine passende Parzelle bekommen haben, sei gar nicht so leicht gewesen, berichtet das Ehepaar. Laut der Gemeinde Sand gibt es 429 Parzellen mit Stromanschluss auf dem Campingplatz. Doch weil die Parzellen zu 100 Prozent ausgelastet sind, gibt es eine Warteliste. Auch die Heinings haben gewartet, ein Jahr etwa.
Das Warten habe sich gelohnt: "Unter der Woche ist es hier herrlich ruhig", sagt Evi Heining. Den beiden gefalle es gut auf dem Campingplatz – und auch darum herum. "Die Nähe zum Wasser, die Fahrradwege am Main, die Wanderstrecken durch die Haßberge", zählt Dieter Heining die Vorteile auf.
Im Winter Spanien, im Sommer Sand
Im Winter dann, wenn sie den Platz zum ersten Mal räumen müssen – für die Heinings der einzige Nachteil –, könnte es nach Spanien gehen, überlegt Evi. Zur nächsten Saison wollen die beiden aber wieder nach Sand.
Ein bisschen Spanien gibt es aber auch auf dem Campingplatz: Wer in die Schinkenstraße will, der muss nicht nach Mallorca. Wer sie sucht, der sieht sie schon von weitem: Auf den Parzellen rund um die Schinkenstraße stehen einige Fahnenmasten. Mehrere Deutschlandflaggen wehen dort sanft im Wind. Anders als in ihrem Pendant auf dem Ballermann, in der zu dieser Jahreszeit Hochbetrieb herrscht, ist es in der Sander Schinkenstraße ruhig.
Einige Meter weiter, vorbei an alten und neuen Caravans von Knaus, Dethleffs und Fendt, liebevoll dekorierten Camper-Vorgärten und wohl den Klassikern des Campingplatzes schlechthin – den weißen Sitzgarnituren –, genießen Harald und Ingrid Bauer den warmen Spätsommertag.
Ingrid ist in ein Buch vertieft, Harald sitzt am Tisch und trink alkoholfreies Weißbier. "Ich wollte irgendwo zum Angeln, damals. Da hat sich die Region angeboten", berichtet der 66-Jährige. Mittlerweile sind die beiden Würzburger seit über 30 Jahren zu Gast auf dem Campingplatz. Ähnlich wie Erlwein sind auch die Bauers nur am Wochenende da.
Für Harald ist die Zeit auf dem Platz wie Urlaub, erklärt er. Seine Doppelparzelle habe er sich in den letzten Jahrzehnten so gestaltet, wie er es braucht. Die Dusche mit Warmwasseranschluss, den grau-braun gestrichenen Räucherofen und den Grill daneben habe er selbst gebaut, berichtet er stolz.
Ein bisschen steht die Zeit still
Viel habe sich nicht geändert, in den letzten Jahren, berichtet Bauer. Nicht in den kleinen Straßen, und auch nicht auf den grünen Parzellen. Es kämen aber weniger Kinder als früher, so der 66-Jährige. Ein Spielplatz könnte das ändern, vermutet er. Denn: Wer seine Enkel bespaßen will, muss derzeit selbst kreativ werden, das weiß Bauer aus eigener Erfahrung.
Ganz ohne Termine ist sein Wochenend-Urlaub dann doch nicht. Um 15 Uhr ist es Zeit für ein Kaffeekränzchen. In Straße 14 kommt Bewegung. Seine Schwägerin, Hildegard Hart aus der ersten Parzelle rechts, feiert an diesem Tag ihren Geburtstag nach. 74 Jahre alt ist sie geworden, seit 45 davon ist sie Gast auf dem Campingplatz. Auf dem ordentlich gedeckten Tisch vor dem Wohnwagen hat Hart, ein Urgestein des Campingplatzes, Kuchen und Gebäckstücke angerichtet.
Hildegard nimmt eine weiße Thermoskanne und schenkt ihren Gästen – sie alle kommen aus der Campingplatznachbarschaft – Kaffee ein. Ihre Schwester Ingrid Bauer möchte lieber ein Bier. Alkoholfrei, allerdings. Es werde nicht mehr so viel getrunken wie früher, sind sich die Geburtstagsgäste einig: Das Alter steigt, der Alkoholkonsum sinkt. Allerdings: So ein Campingplatz halte jung, kommt es unisono aus allen Mündern.
Eine Nacht oder eine ganze Woche
Auf der anderen Seite der Pappelallee, in der Nähe der Toiletten, der Rezeption, des Kiosks und der Sanitäranlagen, liegt der Platz für Touristikcamper. Manche von ihnen schlagen ihre Zelte dort für eine Nacht auf, andere bleiben eine ganze Woche.
Harald Storch und Monika Vaupel aus Gersfeld (Lkr. Fulda) haben sich dort für sieben Tage eingerichtet, zusammen mit Hund Samy. Die beiden kampieren in ihrem "Klappi", einem Faltcaravan. Er sei als Kind schon einmal hier gewesen, berichtet der 47-Jährige. Sein Onkel hatte damals einen Dauercampingplatz gehabt. "Eigentlich ist der Campingplatz ja gleich um die Ecke, trotzdem ist es hier ganz anders als in der Rhön", sagt Storch.
Für Monika Vaupel ist es der erste Besuch. Der 48-Jährigen gefällt vor allem, dass die beiden ihren Hund Samy mitnehmen können, auch mit an den Baggersee. Ob auch sie zu Dauercampern in Sand werden? Wer weiß. Klar ist aber: Die beiden wollen wiederkommen, im nächsten Jahr.