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Unterfranken
9 Bilder von Menschen, die wegen Corona den Beruf gewechselt haben
Anderer Job: Musiker, Fitnessstudio-Betreiber oder Wirt – der Fotograf Daniel Peter hat neun Personen porträtiert, die ihren eigentlichen Beruf wegen der Pandemie nicht ausüben können. Was sie jetzt machen.
Silvia Kirchof (50) aus Gerolzhofen, von der Chanson-Sängerin zur Klinikclownin
Foto: Daniel Peter | Silvia Kirchof (50) aus Gerolzhofen, von der Chanson-Sängerin zur Klinikclownin
Daniel Peter
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:58 Uhr

Anderer Job: Musiker, Fitnessstudio-Betreiber oder Wirt – der Fotograf Daniel Peter hat neun Personen porträtiert, die ihren eigentlichen Beruf wegen der Pandemie nicht ausüben können. Was sie jetzt machen.

Silvia Kirchof (50) aus Gerolzhofen, von der Chanson-Sängerin zur Klinikclownin   „Für einen Moment war wirklich der Boden unter den Füßen weg“, sagt Silvia Kirchhof und hält kurz inne. „Als Künstlerin ist man ja gewohnt, dass nicht immer Unmengen an Geld reinkommen. Aber aktuell ist halt echt wenig!“, fügt sie hinzu. Anfang 2020 hatte die hauptberufliche Chansonsängerin und Theaterleiterin einen vollen Terminkalender. Ein großes Theaterprojekt, Konzerte auf Kleinkunstbühnen, Geburtstagen, Firmenfeiern und Tagungen. Im gesamten deutschsprachigen Raum. Mit der Pandemie kommen die Absagen. Im Sommer entspannt sich die Situation. Es gibt Konzerte im Freien, kleine Gartenpartys und viel Solidarität. „Wir konnten bisschen was verdienen. Und vor allem auch mal wieder vor Publikum arbeiten“, sagt Kirchhof. Gut für die Psyche. Kurz mal aufatmen. Unter strengen hygienischen Auflagen darf Kirchhof im Herbst wieder als Klinikclownin arbeiten. Vom Balkon aus. Erst in der Würzburger Kinderklinik am Mönchberg, dann auch in der Universitätskinderklinik. „Das war für mich existenziell, Beruf und Berufung“, sagt Kirchhof. Endlich darf sie wieder was geben. Und es kommt auch was zurück. Schnell zeigt sich, dass die Klinikclownerie auch auf dem Balkon sehr wertvoll ist. Die Kinder sind isoliert, nur ein Elternteil kann zu Besuch kommen, keine Freunde, keine Geschwister, keine Großeltern. „Dann ist die Viertelstunde am Fenster Gold wert“, sagt Kirchhof.
Foto: Daniel Peter | Silvia Kirchof (50) aus Gerolzhofen, von der Chanson-Sängerin zur Klinikclownin „Für einen Moment war wirklich der Boden unter den Füßen weg“, sagt Silvia Kirchhof und hält kurz inne.
Rehan Syed (49) aus Würzburg, vom Musiker zum Buchkurier  „Vielleicht kann man die Krise auch als Chance begreifen“, sagt Rehan Syed, Musiker und Musiklehrer aus Würzburg. Als musikalischen Neustart. „Wenn man denn die Chance bekommt im Nachhinein“, fügt der 49-Jährige hinzu. Er sitzt zwischen zahlreichen Gitarren in seinem Büro in der Würzburger Zellerau. Mit dem ersten Lockdown fallen auf einen Schlag alle Auftritte weg. Und damit ein großer Teil seiner Einkünfte. Über einen Bekannten bekommt Syed einen Minijob als Kurier. Für eine Würzburger Buchhandlung fährt er Bücher aus. Und er gibt Gitarrenunterricht. „Jazz, Blues, Funk, alles Nicht-Klassische“, sagt er. Im Lockdown eben digital. Mit dem zweiten Lockdown sterben die ersten Band-Projekte. Keine Auftritte, keine Perspektive. Die Veranstalter sind frustriert. Keiner plant mehr. Aber Syed will es nicht zu negativ sehen. Er kann sich auch vorstellen, in Zukunft was ganz anderes zu machen. „Ich koche sehr gerne“, sagt Syed und lacht.
Foto: Daniel Peter | Rehan Syed (49) aus Würzburg, vom Musiker zum Buchkurier „Vielleicht kann man die Krise auch als Chance begreifen“, sagt Rehan Syed, Musiker und Musiklehrer aus Würzburg. Als musikalischen Neustart.
Lisa Bergmann (31) aus Würzburg, vom Theatergraben ins Seniorenheim  „Ich will was für die Menschen tun“, sagt Lisa Bergmann und lächelt. Jahrelang macht das die studierte Musikerin aus dem Orchestergraben. Mit der Oboe. Zuletzt am Mainfranken Theater in Würzburg. Dann kommt das Coronavirus. Und die Kulturszene liegt brach. Ab März 2020 ist Bergmann in Kurzarbeit. „Da hatte ich viel Zeit zum Nachdenken“, sagt die Musikerin. Sie macht ein Praktikum im Seniorenstift des Würzburger Juliusspitals. Und findet Spaß an der Arbeit. Hilfsbereitschaft liegt ihr in der Natur. Im September beginnt Bergmann die generalistische Ausbildung zur Pflegefachfrau, die Kinder-, Kranken- und Altenpflege umfasst. Bereut hat sie den Schritt nicht. Einziger Wermutstropfen: die Arbeitszeiten. „Die waren als Musikerin entspannter“, sagt sie und lacht.
Foto: Daniel Peter | Lisa Bergmann (31) aus Würzburg, vom Theatergraben ins Seniorenheim „Ich will was für die Menschen tun“, sagt Lisa Bergmann und lächelt. Jahrelang macht das die studierte Musikerin aus dem Orchestergraben.
Oliver Trapp (53) aus Eibelstadt, vom Fitnessstudio zur Impf-Hotline  „Da rufen 90-Jährige verzweifelt an und fragen nach einer Impfung“, sagt Oliver Trapp aus Eibelstadt (Lkr. Würzburg). Der 53-Jährige arbeitet bei der Impf-Hotline des Landes Nordrhein-Westfalen und ist dort täglich mit Schicksalen konfrontiert. „Dann sterben wir eben“, bekommt er häufig zu hören. „Ich bin nicht nur Hotline-Mitarbeiter, sondern auch Seelsorger“, erklärt Trapp. Eigentlich betreibt der 53-Jährige zusammen mit seiner Frau ein Fitnessstudio für Frauen in der Würzburger Sanderau. Aber das ist dicht. Wegen Corona. Trapp sitzt auf einem Trainingsgerät und wirkt frustriert. Für den ersten Lockdown hatte er Verständnis. Aber seit dem zweiten Lockdown ist Trapp von der Politik enttäuscht. Die Beschaffung des Impfstoffes läuft schleppend. Und der Sommer wurde in seinen Augen nicht ausreichend genutzt, um sich gegen eine zweite Welle zu wappnen. „Die versprochenen Hilfszahlungen bleiben oft aus“, sagt Trapp. „Die Politik steuert uns Mittelständler mit offenen Augen in die Katastrophe.“
Foto: Daniel Peter | Oliver Trapp (53) aus Eibelstadt, vom Fitnessstudio zur Impf-Hotline „Da rufen 90-Jährige verzweifelt an und fragen nach einer Impfung“, sagt Oliver Trapp aus Eibelstadt (Lkr. Würzburg).
Abele Melissa (45), vom Ausflugsschiff an den Pizzaofen  Von der „Alten Liebe“ an den Pizzaofen... „Das Leben muss doch noch was anderes zu bieten haben, als nur Arbeit, Arbeit, Arbeit!“, sagt Abéle Melissa, während er eine Pizza Prosciutto aus dem Ofen holt. 22 Jahre arbeitete der 45-Jährige auf der „Alten Liebe“. Jeden Sommer verbringt er auf dem Ausflugsschiff. Dann kommt die Pandemie. Lockdown. Die Schifffahrt ist ausgesetzt. Auf einmal hat er Zeit für Familie und Freunde. Und für sein großes Hobby: die neapolitanische Pizza. Melissas Vater ist Italiener. Er hat es im Blut. Auch wenn er Italien nur aus den Sommerferien kennt. Im Januar startet er durch. Sein bester Freund ist Küchenchef in Erks Stuben. Melissa nutzt die Ruhetage des Lengfelder Traditionslokals und backt Pizza nach neapolitanischem Vorbild. Wo sonst fränkische Bratwürste brutzeln, riecht es wie in der Via dei Tribunali in Neapel. Die ganze Familie hilft mit.
Foto: Daniel Peter | Abele Melissa (45), vom Ausflugsschiff an den Pizzaofen Von der „Alten Liebe“ an den Pizzaofen... „Das Leben muss doch noch was anderes zu bieten haben, als nur Arbeit, Arbeit, Arbeit!“, sagt Abéle Melissa, während ...
Marion Neuendorf aus Würzburg, von der Bühne in den Waldorfhort  Singen mit dem Publikum beim Auftritt, singen mit anderen Menschen im Singkreis, singen mit den Kindern in der Waldorfschule. Das Singen in der Gruppe ist Marion Neuendorf sehr wichtig: „Es verbindet und schafft Harmonie“, erklärt die studierte Sängerin. Seit Ausbruch der Pandemie ist das Singen allerdings verrufen. Gerade in der Gruppe. Am Freitag, den 13. März 2020, ist damit offiziell Schluss. „Von einem Tag auf den anderen ging gar nichts mehr“, sagt Neuendorf. „Kreative Menschen, kreative Überlebensideen“, denkt sich die Musikerin und startet eine Werbeaktion: Unter dem Motto „Ich will nicht am Hungerbuch nagen“ verkauft sie einen Band mit eigenen Gedichten. Die Aktion rettet sie über die finanzielle Durststrecke. Zumal die staatliche Soforthilfe auf sich warten lässt. Im Sommer zeichnet sich ab, dass Singen in geschlossenen Räumen weiter nicht mit den Hygienebestimmungen vereinbar sein wird. Die Volkshochschule sagt ihre Kurse ab. An Auftritte ist nicht zu denken. Neuendorf bewirbt sich für eine Stelle in der Waldorfschule. Und es klappt. Ein Job in der verlängerten Mittagsbetreuung. Die Kinder lieben sie. Das spürt man. „Das macht Spaß und sichert die finanzielle Basis“, sagt Neuendorf.
Foto: Daniel Peter | Marion Neuendorf aus Würzburg, von der Bühne in den Waldorfhort Singen mit dem Publikum beim Auftritt, singen mit anderen Menschen im Singkreis, singen mit den Kindern in der Waldorfschule.
Christian Hänsch (51) aus Bad Kissingen, vom Wirt zum Pfleger  „600 Liter Bier werde ich wohl in den nächste Tagen wegschütten“, sagt Christian Hänsch, der Gastwirt der „Eule“ in Bad Kissingen, in ruhigem Ton. Er sitzt in seinem Kasack an der Theke der Kultkneipe. Die Heizung ist ausgefallen, es ist eiskalt im Gastraum. „Die staatlichen Hilfen kommen nur schleppend an“, sagt Hänsch. Und sie decken auch nur die Unkosten. „Von irgendwas muss ich ja auch leben!“ Hänsch lacht. Deswegen arbeitet er halbtags als Pfleger in einer Behinderteneinrichtung. Damit finanziert er seinen Unterhalt. „Und ich tue dabei noch etwas Gutes“, sagt Hänsch. Er arbeitet nur Spät- und Nachtschichten. Den Rhythmus ist er von der Gastronomie gewöhnt. „Die Kollegen freuen sich“, sagt er und grinst.
Foto: Daniel Peter | Christian Hänsch (51) aus Bad Kissingen, vom Wirt zum Pfleger „600 Liter Bier werde ich wohl in den nächste Tagen wegschütten“, sagt Christian Hänsch, der Gastwirt der „Eule“ in Bad Kissingen, in ruhigem Ton.
Matthias Schneider (37) aus Würzburg, vom Backline-Verleih zum Klinik-Sicherheitsdienst „Man bangt um seine Existenz“, sagt Matthias Schneider aus Würzburg. Der 37-Jährige betreibt einen sogenannten Backline-Service. Das heißt, er vermietet Instrumente und Musikequipment an Bands, die auf Tour sind. Vorwiegend aus den Vereinigten Staaten. Parkway Drive, Deeznuts, Sick of it All. Viele bekannte Bands nehmen seinen Service in Anspruch. Das Geschäft florierte. Bis März 2020. Das neuartige Coronavirus verbreitet sich weltweit. Der damalige US-Präsident Donald Trump kündigt an, die Grenzen zu schließen. „Wir hatten Bands auf Tour, die haben fluchtartig das Land verlassen“, sagt Schneider. Im ganzen Bundesgebiet sammelt er sein Equipment ein. Danach kommen die Absagen. Touren, Festivals, Shows, alles wird nach hinten verlegt oder fällt komplett aus. Die Einnahmen fallen weg. Aber die Fixkosten laufen weiter. Um die 8000 Euro muss er jeden Monat aufbringen. „Trotz der staatlichen Hilfen habe ich immer draufgelegt“, sagt der 37-Jährige. Er macht einen Security-Schein, um mit einem Nebenjob die finanzielle Last abzufangen. „Wenn die Leute sich halbwegs an die Vorgaben halten würden, wäre vielleicht im Sommer wieder was möglich“, sagt Schneider. Aber so richtig glaubt er nicht dran.
Foto: Daniel Peter | Matthias Schneider (37) aus Würzburg, vom Backline-Verleih zum Klinik-Sicherheitsdienst „Man bangt um seine Existenz“, sagt Matthias Schneider aus Würzburg. Der 37-Jährige betreibt einen sogenannten Backline-Service.
Gert Weichsel (60) aus Volkach, von der Künstlervermittlung zum Obstregal  „Wenn dir von heute auf morgen etwas genommen wird, womit du dein halbes Leben zu tun hattest, wofür du brennst. Wie gehst du damit um?“ Gert Weichsel schaut nachdenklich. Dann lacht er. Er lacht oft. Auch wenn er gerade nicht viel zu lachen hat. Weichsel ist Booker. Er vermittelt Bands und Musiker an Festivals und Clubs. Ob Honky Tonk, Stadtfest in Schweinfurt oder Weinfest in Volkach (Lkr. Kitzingen) – Weichsel mischt mit. Schon als Kind hört er mit seinem Bruder Beatles-Platten. Als Jugendlicher singt er in der New-Wave-Band Zartbitter. „Musik war mein Leben“, sagt er. Doch dann kommt Corona. Und mit dem Virus kommen die Absagen. Seine kompletten Einkünfte brechen weg. Aber Weichsel hat Glück im Unglück. Für das Winterloch hatte er als Aushilfe im Edeka in Kitzingen angeheuert. Sein Chef gibt ihm die Chance aufzustocken. „Jetzt klingelt der Wecker halt um 2.20 Uhr“, sagt er. Dann geht er mit dem Hund raus. Und um 4.30 beginnt seine Schicht. Er räumt Obstregale ein. Als Nachtmensch ist das für ihn keine große Umstellung. Er ist froh, dass er den Job hat. Sonst hätte es finanziell sehr finster ausgesehen. „Aber wenn es mit der Livemusik wieder losgeht, bin ich der Erste, der wieder aufspringt“, sagt Weichsel und grinst.
Foto: Daniel Peter | Gert Weichsel (60) aus Volkach, von der Künstlervermittlung zum Obstregal „Wenn dir von heute auf morgen etwas genommen wird, womit du dein halbes Leben zu tun hattest, wofür du brennst.
 
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  • Blum66
    Auf jeden Fall zeigt es uns das man sich verändern kann. Es gibt immer einen Weg, nur möchte man den gehen. Sehr vorbildlich. Aber bei den für manchen ausreichenden Sozialleistungen kommt sowas natürlich nicht in Frage. Viel Erfolg allen in ihren neuen Betätigungsfeld.
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  • marent1@hotmail.de
    Mich macht dieser Artikel eher hoffnungsfroh, denn er zeigt dass es immer einen Weg gibt und dass man auch aus einer Krise neue Wege finden kann. Dass auch manche Menschen die Pflege für sich entdeckt haben, freut mich - selbst in dem Bereich tätig - sehr,denn hier ist Mangel, hier gibt es immer Arbeit und hier wird die Gesellschaft bereichert. Was ist daran schlimm?
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  • Ingrid Jahnel + Bernd Jahnel
    Mache meinen Job noch und fahre Kinder in Förderschulen des Landkreises Schweinfurt seit 15 Jahren. Jedoch Corona Impfen will uns Impfzentrum SW nicht eher mit 68Jahren im Fahrdienst eines Wohlfahrtsverband.
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  • k.a.braun@web.de
    Mich macht dieser Artikel sehr traurig, denn er zeigt, wie viel Kultur derzeit notgedrungen brachliegt. Natürlich freue ich mich, dass all diese Menschen das Glück hatten, in dieser schwierigen Zeit eine andere Tätigkeit zu finden. (Es gibt ja leider viele, die das nicht haben.) Aber ich wünsche ihnen allen, dass sie nach der Pandemie wieder in ihre eigentlichen Berufe zurückfinden. Dort gehören sie nämlich hin.
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