Selten wurde so viel über Rassismus debattiert wie in den vergangenen Wochen. Und jetzt? Bevor die Diskussion wieder einschläft und sich vielleicht wieder mal nichts ändert: Was sagen diejenigen, die die Diskriminierung täglich trifft? Fotograf Daniel Peter hat Menschen aus Würzburg und der Region besucht, die eine Frage am allermeisten nervt: Woher kommst du? Ihre Antwort: von hier!
Shanice Dressel
28, Kauffrau für Büromanagement, Rimpar
„Die haben schon die Richtigen angestellt hier.“ Shanice arbeitet nebenbei im Service. Da kommen solche Sprüche regelmäßig. „Rassimus ist überall“, sagt die 28-Jährige. Aber er wird verharmlost. „Alle, die eine dunklere Hautfarbe haben, kommen aus Afrika. Und können auch gar nicht woanders herkommen. So steckt es in den Köpfen.“ Shanice seufzt. Sie bewirbt sich bei einer Firma. Erst mit Bild: keine Reaktion. Sie bewirbt sich im gleichen Jahr erneut. Diesmal ohne Bild. Und wird sofort zum Gespräch eingeladen. „Mit den gleichen Zeugnissen und den gleichen Bewerbungsunterlagen“, sagt Shanice. Als sie ihren Bruder und zwei Freunde aus der Disko abholt, geraten sie in eine Polizeikontrolle. Sie hat nichts getrunken, der Atemtest ist negativ. Trotzdem nehmen die Polizisten das komplette Auto auseinander. Shanice muss Urin abgeben. Aber laut Innenminister Horst Seehofer gibt es bei der Polizei kein Problem mit Racial Profiling.
Yasmin Dillamar
38, Hebamme in Elternzeit, Würzburg
„Man spricht sehr oft im Großen, aber selten im Kleinen über Rassismus“, sagt Yasmin. Dass jemand die Straßenseite wechselt, wenn er Yasmin sieht. Oder dass sie einen Job nicht bekommt. Aber es wird sehr wenig darüber geredet, dass es selbst im Freundeskreis ein Thema ist. Wenn Freunde auf Facebook Sachen posten wie: „Wenn ich jetzt nicht mehr Mohrenkopf sagen darf, dann möchte ich auch, dass Weisskraut umbenannt wird“. Yasmin kommentiert das dann auch. „Aber dann bin ich oft die empfindliche, humorlose Person. Und das finde ich echt traurig“ sagt Yasmin. „Ich fühl mich oft alleine auf weiter Flur“, fügt sie hinzu. Und es passiert nicht nur in den Sozialen Medien. Beim Kaffeetrinken präsentieren Freunde die Negerkusstorte. Und wenn der zwölfjährige Sohn einwendet, dass man das so nicht mehr sagt, gehen Diskussionen los. „Warum können die Leute nicht anerkennen, dass es uns verletzt? Und zumindest in unserer Gegenwart aus Respekt eine andere Wortwahl finden?“, sagt Yasmin.
Sachin Kumar
30, Master International Business, Würzburg
Sachin kommt vor acht Jahren von Indien nach Würzburg, um seinen Master zu machen. „In der Zeit bin ich 16-mal umgezogen“, sagt er. Niemand will ihm einen richtigen Mietvertrag geben, deswegen wohnt er zur Zwischenmiete. Nach seinem Masterabschluss geht Sachin zu einer Wohnungsbesichtigung. Er zieht sich gut an und klingelt. Eine Frau macht auf. Die Wohnung sei bereits vergeben, erklärt sie und schließt die Tür. Sachin hört, wie sie abfällig zu ihrem Mann sagt, dass es ein Ausländer gewesen sei. „Ich hätte am liebsten geweint. Diese Frau hat mich doch gar nicht kennengelernt.“ Nach 15 Minuten war die Anzeige wieder auf Facebook ausgeschrieben. Von den Behörden fühlt sich Sachin gegängelt. „Für das Visum brauche ich einen Arbeitsvertrag, für den Arbeitsvertrag ein Visum.“ Und als er den Vertrag hat, ist das Gehalt zu niedrig.
Stephan Horn
48, Trommelbauer und Allround-Handwerker, Geroldshausen
„Ich hab meine Kindheit in verschiedenen Ländern verbracht, und ich war immer Ausländer“, sagt Stephan. Seine Eltern sind 1973 aus Chile geflüchtet. Kurz vor dem Militärputsch. „Mit dunklem Hauttyp gehörst du einfach nicht dazu“, sagt Stephan. Sogar an der Hauptschule in Erlangen, wo der Ausländeranteil bei 50 Prozent liegt. Als Teenager verkleidet er sich als Rechter. Um vielen Situationen aus dem Weg zu gehen“, erklärt er. Bei einer sechsmonatigen Reise in Chile begegnet er seiner indigenen Linie: die Mapuche. Aber auch dort ist er fremd. „In Chile bin ich der Gringo. Bei den Mapuche bin ich der Winka“, sagt Stefan. Das ist ein Begriff für die Kolonialisten, gegen die die Mapuche seit Hunderten Jahren Widerstand leisten. „Ich bin nirgendwo akzeptiert. Eigentlich könnte ich mich auch vor ein Auto schmeißen“, sagt Stephan. „Wie kommt es, dass wir uns so entfremdet haben? Wo ist die Menschlichkeit?“, fragt er. „Nicht du Türke, du Syrer. Wir Menschheit“, fügt er hinzu.
Silei Ali
24, Studentin, Würzburg
„Du arbeitest wie ein Taliban“, sagt der italienische Gastwirt zu Silei. Sie arbeitet in einem Eiscafé in Jülich. Sie fängt gerade an und macht Fehler. Er will witzig sein. „Aber es war nicht witzig, weil ich angefangen habe zu weinen“, sagt Silei. Sie ist gerade 16 und weiß überhaupt nicht, wie sie sich verteidigen soll. Sie versucht, ihm aus dem Weg zu gehen. „Die Leute verstehen einfach nicht, dass Deutschland ein multikulturelles Land ist. Eine Deutsche kann auch Silei heißen, dunkle Haut und schwarze Haare haben“ sagt Silei. Aber die Leute glauben ihr das Deutschsein nicht. Vor allem im Ausland. Das belastet sie sehr. Aber Diskriminierung kommt auch aus den eigenen Reihen: „Meine Eltern kommen aus Pakistan, ich bin muslimisch aufgewachsen“, sagt Silei. Aber sie lebt liberal, hat Tattoos und geht feiern. Viele Muslime kritisieren die Lebensweise anderer Muslime in Deutschland. „Sie erwarten, dass man im Schema bleibt“, sagt Silei.
Luc Maurice
28, Barkeeper, Würzburg
„Woher kommst du eigentlich?“ Die Frage hört Luc immer und immer wieder. „Aus Würzburg. Born und raised“, antwortet er dann. Aber die Leute hören nicht auf zu fragen. Bis er über seine Wurzeln spricht. Würzburg reicht als Antwort einfach nicht aus. Egal, von welcher Seite Rassismus kommt, er trifft Luc immer: „Wenn du dann das zehnte Mal innerhalb von vier Monaten was Blödes hörst, machst du dir dann schon Gedanken: Gehöre ich vielleicht wirklich nicht hierher?“ Ein Gast im „Dornheim“ beschimpft ihn als Neger, ein anderer spricht ihm das Recht ab, die deutsche Sprache zu sprechen. Polizeikontrollen muss er im Wochentakt über sich ergehen lassen. „So geil bunt dein Weltbild auch sein mag, du kannst die Ungleichheit nicht wegreden“, sagt Luc. „Die Leute sind einfach nicht gleich“, fügt er hinzu. Rassismus ist überall. Und seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd in den USA entsteht dafür ein Bewusstsein. Das gibt Luc Hoffnung.
Charif Korodowou und Akbar Korodowou
19 und, Altenpflegeschüler und Abiturient
Dir macht das heiße Wetter doch nichts aus, oder? Darf ich mal dein Haar anfassen? Warum sprichst du so gut deutsch? Es sind die kleinen Rassismen im Alltag, die Charif und seinen Bruder Akbar ärgern. „Wenn wir in einen Laden kommen, werden wir kritisch beäugt und beobachtet“, sagt Charif. Klauen die vielleicht was? „Es sind eigentlich harmlose Sachen, die aber in der Summe sehr belasten“, fügt Charif hinzu. Akbar hat gerade Abitur gemacht. Selbst am Gymnasium gibt es viel Ignoranz. Von Mitschülern. Aber auch von Lehrern: Im Ethikunterricht fragt eine Lehrerin Akbars Schwester, ob sie lieber Neger oder Schwarz genannt werden will. „Gar nichts von beiden?“ erwidert die Schwester. Die Lehrerin lacht nur hämisch. Den offenen Rassismus gibt es natürlich auch. Ein Radfahrer beschimpft Charif und Akbar in der Zellerau: „Macht mal Platz, ihr Scheißneger!“ Passanten geben Rückendeckung und beruhigen die beiden. „Jeder sollte wachsam sein und reagieren, wenn Rassismus in seinem Umfeld passiert“, sagt Akbar.
Carmen Bidi
34, Mitarbeiterin im Physiklabor, Würzburg
„Nachdem ich ausgewandert bin, habe ich vier Jahre nur Teller abgespült“, sagt Carmen. Und das mit Master-Abschluss. Mit einem Praktikum schafft sie es, einen Job zu bekommen, der näher an ihrer Qualifikation liegt. „Ich spüre Rassismus nicht auf den ersten Blick. Nur wenn ich meinen Mund aufmache“, sagt Carmen. Einige Leute sprechen dann einfach nicht mehr mit Carmen. Oder gehen auf Abstand. „Die Leute sagen nicht direkt, dass sie mich nicht mögen, weil ich Ausländerin bin“, sagt Carmen. Aber mit ihrem Verhalten signalisieren sie genau das.
Enrico Kufuor
32, Basketballtrainer, Würzburg
„Es passiert sehr viel Rassismus und er passiert sehr häufig!“, sagt Enrico. „Man vergisst es manchmal, weil es zur Normalität geworden ist.“ Wenn jemand einmal nach der Herkunft fragt, kein Problem. Aber wenn es 365-mal im Jahr passiert, wirft es eben Fragen auf. „Vielleicht sehen mich die Menschen gar nicht als Deutschen?“ Aber Enrico ist Deutscher. Er wurde in Berlin geboren und wuchs dort auf. Er ging auf eine deutsch-amerikanische Schule. „Sehr divers, da gab es wenig Probleme“, sagt Enrico. Im Basketball hat sich die Rassismus-Problematik in den letzten 20 Jahren verbessert. „Die besten Spieler in der US-Liga sind schwarz und zu denen schauen die Leute hoch“, sagt Enrico. Es passieren aber immer noch Zwischenfälle. Vorletzte Saison trainierte er noch in Baden-Württemberg. Bei einem Spiel beleidigt ein Gegenspieler einen von Enricos Spielern rassistisch. „Leise. So dass es niemand hört. Ich hab es leider erst danach erfahren. Sonst hätte ich sofort die Schiedsrichter gerufen!“, sagt Enrico.
Vanessa und Lévante Dressel
30 und 8, Pflegekraft im Blindeninstitut und Schüler, Heidingsfeld
„Ich will, dass meine Familie sicher vor Polizeigewalt ist.“ Mit dem Schild geht Lévante zur Black Lives Matter- Demo. Er ist acht und ruft jede Parole mit. Der Tod von George Floyd bewegt ihn sehr. Mit seiner Mutter Vanessa hat er die Geschichte im Fernsehen verfolgt. „Warum hassen die Leute uns so? Wir sind doch nicht böse. Wir sind nicht anders. Wir haben doch nur eine andere Hautfarbe.“ Lévante kann es einfach nicht verstehen. Er hat Angst um seine Verwandten in den USA. Seine Mutter Vanessa stärkt ihm den Rücken. Er hat viele Fragen. Woher komme ich? Was ist meine Geschichte? Zusammen mit Freundinnen plant Vanessa einen Nachmittagskurs über Schwarze Geschichte. „Weil es im Unterricht einfach nicht vorkommt“, sagt sie. „Sie wissen schon, dass Sie und Ihr Sohn eigentlich aussteigen und laufen müssten.“ Das müssen sich Vanessa und Lévante von einem älteren Mann in der Straßenbahn sagen lassen. Ein anderer Familienvater kontert und stellt den Mann zur Rede. Das hilft ihr sehr. Der Mann lässt trotzdem nicht ab. Ness und ihr Sohn verlassen die Bahn.
Rebecca Türpe
43, Pflegekraft, Heidingsfeld
„Ich hab immer das Gefühl, ich bin ein Mensch zweiter Klasse. Ich bin halt die Schwarze. Und das geht mir sehr nah.“ Rebecca schweigt. Sie ist in Deutschland geboren. Im Kindergarten ist Rebecca die Einzige mit dunkler Haut. Andere Kinder hänseln sie. Mit den üblichen Schimpfwörtern. „Da hab ich gemerkt, dass an mir etwas anders ist“, sagt Rebecca. Ihre Mutter wird auf offener Straße beschimpft. „Meine Schwester ist von einem anderen Vater. Und wenn deine Kinder farblich nicht zusammenpassen, bist du halt die Negerhure“, sagt Rebecca. „Wenn ich in die Straßenbahn steige, werde ich begafft wie ein Tier im Zoo. Guck mal die Schwarze da, die Negerin.“ Oder die Leute hinter ihr an der Kasse schimpfen laut über die Ausländer, die ihnen die Jobs wegnehmen. Rebecca konfrontiert die Menschen mit ihren Aussagen. Das hat sie gelernt. „Ganz oft kommt nur Schweigen.“
Warum haben wir denn in Deutschland Gebiete in denen ausschließlich Ausländer wohnen, z. B. Wertheim Wartberg, Berlin Neukölln. Weil der Deutsche unter einer „Integration Inkompetenz“ leidet. Die Bundesregierung hat hier ein Total VERSAGEN zu akzeptieren. Eine Interessante Statistik zeigt dass 41 % der CDU Wähler keinerlei Rassismus Problem in Deutschland sehen, schlechter ist nur noch die FDP und die AfD (Quelle destatis).
Weil viele in der Bevölkerung noch Ressentiments gegen Ausländer haben und solange wir Politiker haben die solche Verdachtsmomente befeuern (z. B. Seehofer mit seiner Verweigerung der Rassismus Studie) bin ich der Meinung und stehe dazu dass wir und massiv schämen sollten. Stuttgart zeigt das Versagen
Das was in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Köln, Ruhrgebiet, etc abgeht, ist das Ergebnis davon, dass bestimmte Gruppen sich in Deutschland einfach nicht integrieren wollen. Und das leider teilweise schon seit Jahrzehnten.
Und wenn die Studie dann zeigt, dass in Teilen der Polizei, wie in Teilen der gesamten Bevölkerung, Rassismus herrscht, dann ist das Rassismusproblem in Deutschland gelöst?? Oder was?
Innenminister Herrman sagte bei Dunja Hayali im TV; er lehne die Studie ab. Wenn einem Beamten Rassismus konkret vorgeworfen werde, wird dem nachgegangen und der Beamte muss mit disziplinarischen Konsequenzen rechnen. Das reicht doch.
Aber Leute wie sie,@schimmel, möchten alle Polizisten als Vertreter des Staates unter Generalverdacht stellen, wie in Berlin.
Reden sie doch mal mit Polizisten in Großstädten wo überwiegend bestimmte Personengruppen dealen und Straftaten begehen. Da macht es keinen Sinn Leute mit Anzug und Krawatte zu kontrollieren.
Ein Beispiel habe ich noch. Mein Sohn fuhr in jungen Jahren oft mit der Bahn. Mit langen Haaren und BW- Parka würde er oft kontrolliert. Er nahm es locker und ich habe viel später davon erfahren. Also..so what..
Mir kommt es in Deutschland langsam so vor als ob man beim Staat eine Sehschwäche auf dem rechten Auge hat und das nicht nur bei der Polizei sondern auch Bundeswehr usw.
Es ist eine Schande dass die Regierung, ganz speziell unser Innenminister hier die Problematik klein reden will. Ich habe erst vor einigen Tagen gehört dass er sich für eine Studie einsetzen würde um die Gewalt gegen die Polizei darzustellen. Seltsamerweise aber nicht für eine Studie um Rassismus aufzudecken.