Kanülen, Spritzen, Desinfektionsmittel, Schutzhandschuhe, FFP2-Masken. Auf die Dinge würde wohl jeder kommen, der gefragt wird, was ein Impfzentrum so alles braucht – zusätzlich zum Impfstoff natürlich. An Toner und Kopierpapier würde er allerdings wohl nicht gleich denken. Aber genau davon wird am Schweinfurter Impfzentrum (betrieben von der Firma 21Dx im Auftrag von Stadt und Landkreis) in den Containern am Volksfestplatz einiges gebraucht. "1000 Blätter am Tag", sagt Herwig Seidling, der Facility Manager und "Logistiker von Geburt an", wie er so schön sagt. Er ist ständig dabei, etwas zu überprüfen. Ob im Pausenraum genügend Getränke da sind, zum Beispiel. Für die Teams sind die Tage oft sehr stressig, weiß Seidling. Eine kalte Apfelschorle zwischendurch tue schon mal gut.
"Man sieht mich nicht, ich impfe nicht", sagt Seidling. Aber sein Job ist genauso wichtig wie der der Impfteams, der Leute im Callcenter , der Leute beim Ein-und Auschecken der "Impflinge", das wird dem Besucher schnell klar. Was auch klar wird: Seidling ist stolz auf seinen Job und auf den Teil, den er zum großen Ganzen beisteuert. Wie eigentlich jeder, mit dem wir uns bei unserem Besuch unterhalten.
Hüttl: "Ich bin ein Aufbauer"
Teamgeist, das ist extrem wichtig für Dr. Markus Hüttl, den Ärztlichen Leiter des Impfzentrums. "Ich bin glücklich mit meinem Team", sagt er. Die Leute hat er alle selbst ausgewählt, "handpicked". Jüngere und Ältere sind dabei, Ärzte aus der Gegend, bekannte Gesichter. Aber auch Quereinsteiger, die hier Dank Hüttl ihr Potenzial entdecken und vielleicht jetzt beruflich lieber in Richtung Medizin gehen als in Richtung Lehramt.
Hüttl hat viel Erfahrung im Aufbauen. Nicht nur von Einrichtungen, sondern auch von Teams. Für die WHO hat er im Irak, in Mossul, Kriegskrankenhäuser aufgebaut, als der Kampf gegen die Terror-Organisation IS tobte. In West-Afrika sind unter seiner Leitung Ebola-Zentren entstanden. Viren und Krisengebiete scheinen seine Welt zu sein. "Ich bin ein Aufbauer", sagt er.
Der Stempel ist der ständige Wegbegleiter
Was unterscheidet den Aufbau des Zentrums in Schweinfurt von anderen Projekten? Hüttl überlegt kurz: "Es ist kleinteiliger", sagt er. Und wahrscheinlich braucht er einen Stempel bei Projekten in anderen Ecken der Welt nicht so oft wie hier in Deutschland. An diesem Tag braucht er ihn jedenfalls ziemlich oft. Um die Impfstoff-Lieferung abzuzeichnen, zum Beispiel.
Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden. Der Impfstoff darf nicht Temperaturen unter zwei und über acht Grad ausgesetzt sein. 179 Fläschchen des Biontech-Vakzins werden geliefert. Aus jedem werden sechs Impfdosen entnommen. "Genau so viel, wie der Hersteller angibt", sagt Hüttl. So sei gewährleistet, dass jeder die gleiche Dosis bekomme.
Bessere Orientierung dank Farbsystem
Eine Mitarbeiterin macht die Spritzen für die Impfungen fertig. Auf jede kommt ein Farbpunkt. Rot steht für Biontech, grün für Astrazeneca, blau für Moderna. Die Farben finden sich auch auf den Kühlschränken, in denen die Impfstoffe gelagert werden. Hüttl und sein Team haben das Farbcode-System entworfen. "Wir sind ein kreativer Haufen", sagt er .
Die Impfkabinen sind ebenfalls farblich markiert, die einzelnen Impfteams tragen rote, blaue, oder grüne Westen. Wer geimpft wird, bekommt am Eingang eine farbige Karte, die er erst beim Rausgehen wieder abgibt. Das sorgt für eine bessere Orientierung. Nicht nur für die Leute, die geimpft werden, sondern auch für die, die ihnen helfen, den Weg zu finden. "Manche sind schon ziemlich aufgeregt", sagt ein Arzt.
Feedback ist dem Impfteam wichtig
Helga Moritz (86) wirkt relativ gelassen. Ihre Tochter begleitet sie zu ihrer zweiten Impfung. Gut vertragen habe sie die erste, sagt die Seniorin. Die Impfung ist flott erledigt, Mutter und Tochter machen sich weiter auf den Weg zum "Ruheraum". Bis der Rollator aus der Kabine gefahren ist, braucht es ein bisschen Geschick.
In der Zweigstelle in der Stadthalle in Gerolzhofen ginge das natürlich einfacher. Auch der Geräuschpegel ist dort niedriger. Trotzdem geben Geimpfte als Feedback auch in der Stadthalle an, dass sie mit dem Gebäude nicht so glücklich sind, erzählen Hüttl und Derya Üreyil, Leiterin der Abteilung "Mimpf"– mobiles Impfen. Für "Stimpf" (stationäres Impfen) ist Felix Weisheit zuständig. Rückmeldungen nimmt das Team sehr ernst. Gute Ideen seien dabei gewesen, die man umgesetzt habe. Fühlt ihr euch wohl? Stimmt alles? Das wird auch das Team regelmäßig gefragt. "Ich bin sehr dahinter her, dass es dem Personal gut geht", sagt Dr. Markus Hüttl.
Deutlich mehr Menschen kämen für eine Impfung in Frage
Eines können Hüttl und sein Team jedoch nicht verbessern, obwohl es ganz oben auf der Wunschliste steht: mehr Impfstoff bekommen. Bis jetzt wurden 24 677 Impfungen durchgeführt für die Bewohner von Stadt und Landkreis Schweinfurt. Mobil, stationär, in Einrichtungen, in Kliniken. Das Team könnte dreimal so viele Leute impfen - hätte es mehr Impfstoff.
Auf der anderen Seite haben sich bis jetzt nur zusätzliche 34 119 Bürgerinnen und Bürger außer den bereits geimpften Personen registrieren lassen für eine Impfung An die 150 000 kämen dafür jedoch derzeit im Bereich des Schweinfurter Impfzentrums in Frage, schätzt Hüttl. Kommt mehr Impfstoff, sollten möglichst viele Leute bereit sein, sich impfen zu lassen, betont er: "Registrieren ist essentiell." Eine Anmeldung sei unverbindlich, man könne sich jederzeit abmelden.
Warum soll man sich impfen lassen? "Für sich und für andere", sagt Hüttl. Die persönliche Motivation: Nicht selbst schwer erkranken oder sterben. Die epidemologische: Andere nicht anstecken. Damit wären wir wieder bei einer Sache, mit der Hüttl einige Krisen gemeistert hat: Teamgeist.
Hinweis: Fotograf Josef Lamber und Autorin Susanne Wiedemann haben sich einem Corona-Schnelltest unterzogen, bevor sie das Team begleiteten. Das Personal wird täglich getestet.