Wer vom malerischen Hof aus die Werkstatt betritt, taucht ein in eine Welt der Stille und Präzision. Es riecht nach Holz, überall sind kleine und große Werkzeuge zu sehen. Spezialzwingen, japanische Messer, winzige Hobel. Und dazwischen die alte Grundig-Stereoanlage, aus der kein Ton zu hören ist. Es ist ruhig und friedlich hier, irgendwann hört man aus einer Ecke der Werkstatt leise Schleifgeräusche. Jochen Roethel ist kein lauter Mensch. Er redet leise. Und in wohl überlegten Worten.
Willkommen beim Gitarrenbauer. Zwei Monate lang dauert es im Schnitt, bis ein Instrument fertig ist. Gerade baut Jochen Roethel drei Gitarren parallel. Eine für einen Kunden in Japan, eine wird in die USA gehen. Und eine Gitarre bleibt in Sommerhausen. Roethel, gebürtiger Kitzinger, arbeitet meist auf Bestellung, die Wartezeit beträgt mindestens ein Jahr. Keine Seltenheit in dieser Nische. Die Kunden wissen was sie wollen - und sind bereit auf ein Spitzeninstrument zu warten.
Alles beginnt mit dem Holz. Klassisch werden Fichte für die Decke und Palisander für den Korpus verwendet. Aber auch Zeder und Ahorn gehören zu den Lieblingen des Gitarrenbaumeisters. Seinen Holzbestand hat Roethel früh in seiner Laufbahn gekauft, noch bevor viele der verwendeten Hölzer unter Artenschutz gestellt wurden. „ Heutzutage ist das ein riesiger behördlicher Aufwand eine Gitarre ins Ausland zu verschicken“, sagt der 50-Jährige. Mehrere Genehmigungen müssen für den Export bei mehreren Behörden beantragt werden.
Immerhin, sein Holzbestand reiche ihm für den Rest seines Lebens, sagt der Instrumentenbauer augenzwinkernd. Manchmal kauft er noch Bestände von Kollegen, die in Ruhestand gehen. „ Alle schauen auf die Tropenhölzer, niemand bemerkt was in den Alpen passiert. Gutes Hochgebirgsfichtenholz wird für die kommenden Generationen an Gitarrenbauern sehr schwer zu bekommen sein.“
Seine Lehre zum Gitarrenbauer beginnt Jochen Roethel 1990 nach dem Abitur in Gießen beim Hersteller Lakewood. „Es hat sich so ergeben, eigentlich habe ich immer Rock und Pop auf E-Gitarren gespielt. Aber der Instrumentenbau hat mich gereizt.“ Während seiner Lehrzeit besucht der Unterfranke einen Gitarrenbauworkshop in Andalusien. Der Flamenco, das Flair, die Baukunst begeistern ihn so sehr, dass er sich entschließt selbständiger Gitarrenbaumeister zu werden.
Durch Kontakte auf Gitarrenfestivals und Messen erweitert Roethel seinen Kundenkreis. Musikhochschulen werden auf ihn aufmerksam und bestellen Instrumente. Eine Konzertgitarre für den professionellen Spieler kostet schnell über zehntausend Euro. Für eine Berufsmusiker keine unübliche Investition in ein Arbeitsmittel, das täglich genutzt und strapaziert wird.
Seinen Weg zum Erfolg beschreibt Roethel so: „Die Instrumente müssen natürlich gut sein. Der Rest ist Erfahrung und ein bisschen Glück.“ Er baut in der spanischen Bauweise. Keine Schraube wird verwendet, alles wird genauestens zugeschnitten und vorbereitet und dann miteinander verleimt. Mit Hautleim oder Knochenleim zum Beispiel, wie man ihn schon vor Jahrhunderten verwendete.
Roethel macht so gut wie alles von Hand. Die Decke wird gehobelt und geschliffen - bis sie dem Meister klanglich gefällt. So dünn wie möglich, so dick wie nötig um später den Zug der Saiten zu halten.
Schwingung, die sich so gut wie möglich von einem Bauteil ins andere überträgt, ist das erklärte Ziel. Da muss alles exakt passen, sagt der Gitarrenbaumeister. „Es ist eine Summe von Details, die aus einem guten ein hervorragendes Instrument machen.“
Feinste Intarsien und Zierleisten fertigt er in feinster Kleinarbeit von Hand. Eine Roethel-Gitarre ist vor allem eines: leicht. Zwischen 1200 und 1300 Gramm wiegt ein fertiges Instrument. Die fein ausgearbeitete Decke macht gerade einmal 120 bis 140 Gramm aus. „Das ist wichtig", sagt der Meister, "die Decke kann dann gut und leicht zum Schwingen gebracht werden. Alles bleibt elastisch. Es ist eben was anderes ob man ein Seil an einer Betonwand festmacht oder an einem Ast. Die Saite kann besser und freier schwingen.“
In seinem Leben hat der 50-Jährige schon ungezählt viele Gitarren gebaut. In der Lehre waren es viele Hunderte, als selbständiger Meister rund 200 Instrumente.
„Ich lerne immer noch, das ist ja das spannende!“, sagt Roethel in seiner Sommerhausener Werkstatt. Er sucht immer wieder Möglichkeiten, die Konstruktion im Detail zu verbessern. Es geht um kleine Unterschiede. Darum, wie Teile aufeinandertreffen oder kleine Leisten auf der Unterseite der Decke des Instruments positioniert sind. Feinheiten, die immer noch ein Quäntchen mehr an Klang und Vollendung herausholen können.
„Die Stille und Einsamkeit bei der Arbeit sind nicht immer einfach", sagt Roethel über sein hochfeines Handwerk. "Andere Menschen wollen abends nach Hause um endlich mal ihre Ruhe zu haben. Mich treibt es dann eher raus.“
Wenn dann die vielen Teile und Kleinstteile miteinander verleimt sind, das Griffbrett bundiert und der Steg auf die Decke geleimt ist, beginnen die Lackierarbeiten. Rund vier Wochen lang wird trägt Roethel immer wieder Schellack mit einem Stoffknäuel auf, lässt alles trocknen, schleift wieder . . . bis die Lackierung die nötige Dicke und Perfektion erreicht hat. Der Lack, sagt Roethel, bleibe dann elastisch und wird nicht starr. Wichtig für Schwingung und Klang.
Das aktuelle Stück muss noch vor Juli nach Tokio, weil dann die Hitze und die Luftfeuchtigkeit in Japan so hoch sind, dass ein Versand zu gefährlich wäre für die feine Gitarre.