
Seinen 14. Geburtstag hat Max Krieger in China gefeiert, das Geburtstagsständchen gaben ihm seine Chorkollegen an der Chinesischen Mauer. Auch vor Papst Franziskus hat er bereits gesungen – bei einer Papstmesse in der Sixtinischen Kapelle. Ein Solo beim Weihnachtskonzert des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck, zahlreiche Reisen nach Spanien, Italien, Österreich, in die Schweiz und die Niederlande: Das alles hat Max Krieger als Kind und Jugendlicher bereits erlebt. Von der vierten Klasse bis zum Abitur war der inzwischen 21-Jährige Mitglied des Windbacher Knabenchors, mit dem er insgesamt 484 Konzerte im In- und Ausland absolvierte. Heute studiert Krieger Landwirtschaft in Triesdorf – und tritt immer wieder mit dem preisgekrönten A-Cappella-Männerensemble "Sonat Vox" auf.

"Singen hat mir schon immer sehr viel Spaß gemacht – ich habe viel mit meinen Großvätern gesungen", erzählt Max Krieger. Der damalige Schulleiter der Auber Grundschule wurde auf die Stimme des Jungen aufmerksam und schlug Max vor, beim Windsbacher Knabenchor vorzusingen. Der Achtjährige nahm das Angebot an; doch als er nach der Aufnahmeprüfung eine Zusage bekam, war die Entscheidung keine leichte, erinnert er sich: "Ich war sehr heimatbezogen."
Da die Fahrt von Aub nach Windsbach über eine Stunde dauert, bedeutete die Entscheidung für den Knabenchor gleichzeitig auch die Entscheidung für ein Leben im dazugehörigen Sängerinternat, mit Besuch einer öffentlichen Schule vor Ort. "Windsbach muss man so leben, wie es ist, und man muss es auch wollen", erklärt Krieger. Am Johannes-Sebastian-Bach-Gymnasium, auf das Max ging, gibt es eine eigene Chorklasse, da die Sänger wegen zahlreicher Chorreisen immer wieder tage- oder wochenweise im Unterricht fehlen.
Der Alltag der insgesamt zirka 140 Chorschüler – vom Viertklässler bis zum Abiturienten – ist straff durchstrukturiert: Neben dem Besuch der Schule gibt es im Internat feste Früh- und Spätstudierzeiten, regelmäßige Frühandachten, individuelle Stimmbildung, Instrumentalunterricht, Probenwochenenden, dazu täglich eineinhalb Stunden Chorprobe: "Es ist sehr viel Selbstdisziplin gefragt, um alles unter einen Hut zu bekommen", sagt Krieger. Ehrgeiz und eine gewisse Selbständigkeit seien Voraussetzung, "weil man nichts von Mama hinterhergetragen bekommt".
"Ich hatte bis Anfang der sechsten Klasse relativ viel Heimweh", erinnert sich Krieger. Auch für seine Mutter ist diese Zeit mit gemischten Gefühlen verbunden: "Es war für mich sehr schwer", sagt Sandra Krieger. "Max nicht nach Windsbach zu schicken, wäre aber purer Egoismus gewesen. Was er dort erleben durfte, hätten wir ihm als Familie nie bieten können." Eine feste Telefonzeit jeden Abend mit der Familie zuhause habe über die Anfangszeit hinweggeholfen.
Über die Jahre komme man immer mehr in Windsbach an, sagt Max Krieger. Seine Freunde hätten sich mehr und mehr wie Brüder angefühlt; die Internatsgemeinschaft sei zu einer Art zweite Familie geworden. Nach einem halben Jahr Vorbereitung auf den Gesamtchor, wurde Max Mitglied im sogenannten Probenchor und war damit nur noch alle zwei bis drei Wochen zuhause in Aub. Doch mit dem Probenchor kamen die Chor-Reisen – "ich hatte viel Spaß", so Krieger.
Der Windsbacher Knabenchor mit dem Schwerpunkt auf geistlicher Musik gilt als eines der führenden Ensembles seiner Art. "In der Öffentlichkeit kennt man vielleicht eher die Regensburger Domspatzen, den Thomanerchor Leipzig oder den Dresdner Kreuzchor", sagt Krieger. Den Windsbacher Knabenchor hält er für "den besten in Deutschland". Da dieser mit einer Geschichte von "nur" 75 Jahren relativ jung sei, könne man sich nicht auf Traditionen ausruhen, sondern müsse sich immer wieder beweisen. "Als Sänger dort spielt man Champions League", sagt Krieger und lacht. "Im Prinzip ist man Hochleistungssportler – mit seiner Stimme."
Mit dem Ende der Schulzeit endet auch die Zugehörigkeit im Chor; "nur ein bis zwei Schüler pro Jahrgang streben eine Karriere in der Musik an", so Krieger. Doch einige Ehemalige möchten weitersingen – und so gründete Justus Merkel 2015 das A-Capella-Männerensemble Sonat Vox, dem sich Ende 2018 auch Max Krieger anschloss. Mit einer einzigen Ausnahme haben die Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren alle den Windsbacher Knabenchor besucht; der Schwerpunkt des Programms des Ensembles mit immer wechselnder Besetzung liegt auf geistlicher A-Capella-Musik.

"Da unsere Mitglieder über ganz Deutschland verteilt sind, erstellen wir schon früh einen Jahresplan für unsere Auftritte, so dass jeder gut planen kann", sagt Krieger, dessen Stimmlage Tenor 2 ist. "Wir kennen uns alle und unsere Stärken, an der Körpersprache des anderen erkennen wir genau, was er meint", erklärt er die Besonderheit des Ensembles, das bereits zahlreiche Chorwettbewerbe gewonnen hat, wie etwa 2018 den 10. Deutschen Chorwettbewerb.
Konzerte, CD-Produktionen, Tourneen im Ausland – Max Krieger, der zudem Tuba in der Stadtkapelle Aub spielt, genießt es, mit Sonat Vox seine Leidenschaft fürs Singen weiterhin ausleben zu können. "Ich singe für mein Leben gern. Wenn ich singe, bin ich frei", sagt er und klingt dabei keine Spur kitschig. Zum Beruf will er sein Gesangstalent aber nicht machen. "Ich muss was mit den Händen schaffen und sehen, was ich gemacht habe."

Der 21-Jährige hat sich für ein Studium der Landwirtschaft in Triesdorf entschieden, aktuell absolviert er ein Praxissemester auf einem Milchhof bei Hilpoltstein. Die Liebe zur Landwirtschaft liegt in der Familie: Beide Großeltern betreiben eine Nebenerwerbslandwirschaft, "mein Opa und ich teilen außerdem die Leidenschaft für Pferdezucht", erzählt Krieger. Er selbst nennt vier Ziegen, ein Pony, ein Rind und einen Ochsen sein Eigen. "Ich lieb‘ meine Viecher", sagt Krieger und lacht. "Mit meinem Ochsen Ewald laufe ich auch durch Aub." Seine berufliche Vision ist es, als Angestellter in der Landwirtschaft zu arbeiten und nebenbei die bestehenden Strukturen zuhause weiterzuführen und auszubauen.
Würde er, rückblickend auf seine Zeit bei den Windsbachern, noch einmal alles genauso machen? "Ja", sagt Krieger mit Nachdruck. Die Fähigkeit, auf eigenen Füßen zu stehen, gepaart mit der Erfahrung, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der man sich aufeinander verlassen kann, kann ihm niemand mehr nehmen.