Hans-Peter Martin ist eigentlich noch sehr gut zu Fuß. Doch kürzlich saß er für ein paar Stunden im Rollstuhl. „Es ist nicht zu glauben, was man da erlebt“, so der frisch ausgebildete Berater für Barrierefreiheit des Würzburger VdK-Kreisverbands. Plötzlich stieß Martin auf etliche Barrieren. Da gab es unüberwindlich steile Rampen, schwere Türen, die ein Rollstuhlfahrer unmöglich allein öffnen kann, Ampeln ohne Tacker für Blinde sowie Ampeln mit Tacker - die aber gar nicht funktionieren.
Auf diese und viele weitere Barrieren will der VdK deutschlandweit aufmerksam machen. „Weg mit den Barrieren!“ nennt sich die bundesweite Kampagne des Sozialverbands, auf die der Würzburger Kreisverband seine ehrenamtlichen Mitarbeiter am Dienstag bei einer Informationsveranstaltung aufmerksam machte. Alle Bundesbürger werden innerhalb dieser Kampagne aufgefordert, Hindernisse vor Ort aufzuspüren und sie in einer „Landkarte der Barrieren“ unter www.weg-mit-den-barrieren.de im Internet einzutragen.
Über 400 Hürden wurden inzwischen angezeigt. Zwei davon befinden sich in Würzburg, berichtete VdK-Kreisgeschäftsführerin Christiane Straub: „Der für Rollstuhlfahrer kaum nutzbare Hauptbahnhof sowie die Straßenbahn.“ Um letztere nutzen zu können, müssten teilweise eigene Rampen mitgebracht werden.
Der Hauptbahnhof ist für Straubs Vorgänger Hans-Peter Martin seit 25 Jahren ein Ärgernis. „Es war eine meiner ersten Amtshandlungen, an den Vorstand des Bahnhofs zu schreiben und darauf hinzuweisen, dass dringend etwas geschehen muss, damit Behinderte ohne Probleme ein- und aussteigen können“, erzählt er. Im Schneckentempo ging es seither in Sachen Behindertengerechtigkeit voran. Zwar haben die Diskussionen durch die UN-Behindertenrechtskonvention an Fahrt aufgenommen. Doch mangele es an Resultaten.
Vor allem beim Thema „Straßenbahn“ geht zahlreichen VdK-Mitgliedern der Hut hoch. „An der Sanderauer Endhaltestelle, wo sich ein Seniorenheim befindet, muss eine sehr hohe Stufe aus der Straßenbahn hinaus überwunden werden“, kritisiert Brigitte Walz, Frauenvertreterin vom Sanderauer VdK-Ortsverein. Das finde sie „unmöglich“ von der Straßenbahn.
„Diese Stelle ist ein echt neuralgischer Punkt“, bestätigte Volker Stawski, Leiter der städtischen Beratungsstelle für Senioren und Behinderte: „Hier sind schon Leute runtergefallen.“ Die Haltestelle behindertengerecht umzugestalten, koste allerdings eine Stange Geld: „2,5 Millionen für die kleine, sieben Millionen Euro für die große Lösung.“ Doch Geld, so Barrierefreiheitsberater Hans-Peter Martin, sei kein Argument, Hürden und Gefahrenstellen zu belassen: „Wir haben nun mal die Behindertenrechtskonvention unterschrieben. Kosten dürfen keine Rolle spielen.“
Wenn mit Zahlen argumentiert wird, findet der Sozialverband, dann bitte mit Statistiken, die aufzeigen, wie notwendig Barrierefreiheit ist. Christiane Straub hat solche Statistiken parat. Nach ihren Informationen gibt es in Stadt und Kreis Würzburg inzwischen 27.000 Menschen mit einer schweren Behinderung. Damit ist jeder zehnte Bürger in und um Würzburg dringend auf Barrierefreiheit angewiesen. Doch auch Menschen ohne Schwerbehindertenausweis profitieren davon, wenn Hürden beseitigt werden - Mütter mit Kinderwagen oder Patienten, die nach einem Unfall für einige Wochen auf Krücken angewiesen sind.
Der Würzburger VdK will in den kommenden Monaten weitere Berater für Barrierefreiheit ausbilden. Daneben wurden weitere neue Ehrenämter geschaffen, informierte Ehrenamtskoordinator Werner Hufnagel. So baute VdK-Mitglied Rita Mocker ein Team von 20 Pflegebegleiterinnen und Pflegebegleitern auf. Diese Ehrenamtlichen besuchen alte, einsame Menschen zu Hause: „Wir gehen mit ihnen spazieren, lesen vor und sind einfach für ein Gespräch da.“ Das Angebot kann auch von Senioren wahrgenommen werden, die dem VdK nicht angehören.
Neu sind schließlich „Lotsen“ wie Angelika Küspert. Die Sozialpädagogin hilft ebenfalls einsamen Menschen, die sich in persönlich schwierigen Lebenssituationen befinden. Kürzlich hatte sie es zum Beispiel mit einer älteren, stark sehbehinderten Dame zu tun, die sich große Sorgen machte, wie alles nach ihrem Tod weitergehen sollte. Küspert hörte ihr zu, ließ sich die Situation erklären und gab ihr Tipps, wie sie ihre Angelegenheiten regeln könnte. Auch diesen Service bietet der VdK Küspert zufolge auch Nichtmitgliedern an.