Von der Bundespolizei zur Bundeswehr: Mit Jochen Fiedler verpflichtet der evangelische Militärbischof für die Soldaten in Veitshöchheim und Volkach einen umtriebigen Pfarrer, der das Abenteuer liebt, heißt es in einer Pressemitteilung der Bundeswehr.
Biwak mit Soldaten? „Ich bitte darum“, sagt Jochen Fiedler, „da warte ich schon drauf“. Er reißt sich um derlei Abenteuer. Ihn nicht dazu aufzufordern, das käme schon einer groben Unkameradschaftlichkeit gleich. Also sieht Fiedler künftigen Aufgaben entgegen: Auslandseinsatz? „Unbedingt!“
Das ist das Besondere an seinem Job; das macht den wesentlichen Unterschied zu seinem bisherigen Wirkungsfeld aus. Jochen Fiedler ist frisch gebackener evangelischer Militärpfarrer, der „Neue“ in der Veitshöchheimer Balthasar-Neumann-Kaserne. „Es gehört zum Berufsethos, dass der Pfarrer da ist, wo Menschen Krisen erleben“, versichert Fiedler. Dabei ist eines so gar nicht neu: Uniformen. Acht Jahre lang trug er blau – als Polizeipfarrer bei der Bundespolizei, die die Seelsorge vom alten Bundesgrenzschutz geerbt hatte. Sechs Jahre lang in der Bundespolizeidirektion Stuttgart, wo er auch Einsätze rund um die Demonstrationen gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 begleitet hat, zuletzt zwei Jahre im Ausbildungszentrum in Bamberg, seiner Heimat, in einer alten Kaserne, die ihm aus Jugendzeiten vertraut war.
Flecktarn ist vielfältiger
Und auch da kommt wieder die Uniform ins Spiel: In der Nachbarschaft zu dieser Kaserne wuchs er als Bub mit den US-Amerikanern auf, deren kulturellen Einfluss auf seine Heimatstadt er sehr schätzte. Bamberg war damals einer der größten US-Standorte. Jetzt Veitshöchheim. Bundeswehr. Flecktarn. Nicht mit wehenden Fahnen, aber doch sehr gerne und mit großer Neugier, sagt Fiedler. Dem 57-Jährigen hatte es bei der Bundespolizei so gut gefallen, dass man ihn habe lange überreden müssen, um ihn zur Militärseelsorge wegzulocken. „Du hast keinen so langen Anmarschweg, um da anzukommen“, so versuchte ihn eine Kollegin aus der Militärseelsorge in Berlin abzuwerben. Der leitende Militärdekan Ralf Zielinski gab sich geduldig: „Wir warten so lange auf Sie, wie es eben dauert.“ Fiedler gab sich einen Ruck: „Ich bin jetzt in einem Alter, in dem man nochmal wechseln kann“, sagt Fiedler. Seinen Job in Bamberg brachte er in aller Ruhe zu Ende. Seit November ist er in Veitshöchheim, inzwischen ist er auch eingekleidet. Geht es in den Einsatz, trägt der Pfarrer Flecktarn – wie seine Soldatengemeinde. Das Grünzeug sei vielfältiger als seine frühere Polizeiuniform, meint Fiedler, „das hat sich etwas angefühlt wie damals bei der Pfadfinderei“. Noch so ein Anknüpfungspunkt.
Investitur in der Videokonferenz
„Wir haben ein bisschen auf Sie warten müssen“, sagte Militärbischof Bernhard Felmberg bei der Investitur in der Veitshöchheimer Christuskirche. So wie die Corona-Pandemie seine viermonatige Probezeit prägten, so beherrschte sie auch den Gottesdienst: Militärbischof Bernhard Felmberg verlegte den Einführungsgottesdienst kurzerhand ins Internet. 74 Teilnehmende verfolgten die Videokonferenz am Bildschirm. Lediglich der neue Kommandeur der 10. Panzerdivision, Brigadegeneral Ruprecht von Butler, sowie der leitende Polizeidirektor Thomas Lehmann vom Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei in Bamberg konzelebrierten in der Kirche. Die Hand auf Fiedlers Schulter gelegt verpflichteten sie gemeinsam mit Militärdekan Zielinski und dem katholischen Militärpfarrer Andreas Rüdiger den neuen Militärpfarrer für seine neuen Aufgaben. Auf dem Bildschirm hob der aus Berlin zugeschaltete Bischof die Hand zum Segen. „Viel Zeit wird er mit den Soldaten verbringen – das geht über das normale Maß des Dienstes eines Pfarrers hinaus“, sagte Felmberg. Fiedler wird künftig die Standorte Veitshöchheim, Sitz des Stabes der 10. Panzerdivision, und Volkach, wo das Logistikbataillon 467 beheimatet ist, betreuen. „Säen Sie, ernten Sie!“, forderte der Bischof den neuen Militärpfarrer auf. „Sei es bei Frost oder Hitze, Sommer oder Winter, Tag oder Nacht.“
Faible für Technik
Theologie und Pädagogik habe er in Erlangen ja vor allem deshalb studiert, weil er als Jugendlicher im Christlicher Verein Junger Männer aktiv war. Daneben hat Fiedler noch eine andere Berufung: die Elektrotechnik. Seit frühester Jugend bastelt er Elektronisches. Mit einem Lasertag-System für nächtliche Geländespiele, gebastelt aus Blitzbirnen, Lichtkontakten und Taschenlampen, begeisterte er seine Clique – vom Prinzip her ähnlich wie der spätere Duellsimulator der Bundeswehr. Heute ist’s die Funktechnik – in seinem Büro stehen alte Röhrenradios aus Omas Zeiten, die er in seiner Freizeit repariert und restauriert. Das Saba Bodensee zum Beispiel. „Das war früher der Mercedes unter den Radios.“ Seinem Faible für Technik möchte er nun bei der Bundeswehr freien Lauf lassen. „Die Truppe hat da ja viel zu bieten“, sagt Fiedler. Da falle es ihm sicher leicht, mit Soldaten ins Gespräch zu kommen. Wie gut, dass es in Veitshöchheim eine Stabs- und Fernmeldekompanie gibt, aus der bald sogar ein Fernmeldebataillon werden soll. Die Familie gibt dazu ihren Segen: Mit seiner Frau lebt Fiedler in Bad Kissingen, Sohn und Tochter sind längst flügge und studieren in Würzburg und Bayreuth.
Umtriebiger Höhlenforscher
Hitze und Kälte – das meinte Bischof Felmberg ganz wörtlich: „Als Höhlenforscher haben Sie gelernt, dass das Kälteempfinden für den, der es gewohnt ist, ein ganz anderes ist. Höhlenforschung, die Speläologie, ist auch so ein Steckenpferd des Abenteurers Fiedler. „Ich bin nicht so sehr der pastorale Pfarrer“, sagt Fiedler von sich. „Und ich bin auch kein Büchermensch“. Das glaubt man schnell, befasst man sich etwas mit seiner Person. Viele Höhlen auf der Fränkischen und der Schwäbischen Alb kennt er „inside“, so manche hat er mit seinem Höhlenverein vermessen, in so mancher musste er sogar durch Siphons tauchen. „Man kommt dazu, indem man als Kind recht umtriebig ist“, erklärt Fiedler. Einen „Tunichtgut“, so habe man damals jene bezeichnet, die heute eher als Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit gelten. Mit fünf habe er schon hoch hinauswollen – als Astronaut. Mit 16 war’s dann ein Kreidefelsen an der englischen Kanalküste. Ein Kletterseil ist im Gottesdienst sein Symbol: „Lieber klettere ich mit einem ordentlich festen Seil mit anderen zusammen, denn das gibt mir wirkliche Freiheit.“
Pfarrer will in den Einsatz
Seilschaft, Kameradschaft, das kennt er von der Bundespolizei. Die „Kollegialität“, wie es dort heißt, spiele eine große Rolle, gerade „wenn man gemeinsam in einer brenzligen Situation ist“. Diese Horizonterweiterung sucht er. „Ich will in den Einsatz“, sagt er ganz bestimmt, denn er will „für die Leute, die mir anvertraut sind, da sein können, auch wenn sie in den Einsatz gehen“. Er werde künftig mehr mit Menschen zu tun haben, die eine traumatische Situation erlebt haben. Das mache die Seelsorge bei der Bundeswehr anders als bei der Polizei. Dort hätte er zwar ebenfalls in einen Auslandseinsatz gesandt werden können, „es hat sich aber nicht ergeben“. Seiner ersten Mission – ob in der Hitze Malis oder im kalten Winter des Baltikums - fiebert er mit derselben jugendlichen Neugier entgegen wie dem nächsten Höhlentrip. Den Bundeswehrsoldaten gibt Militärbischof Felmberg deshalb einen sehr, sehr brauchbaren Rat mit: „Wenn Sie mit Bruder Fiedler unterwegs sind, ziehen Sie sich warm an!“