Nach einem Gebetsgottesdienst in der Veitshöchheimer Synagoge mit Rabbiner Jakov Ebert lauschten die 60 Besucher im Sitzungssaal des Rathauses gebannt dem lebendigen und klar gegliederten Vortrag der örtlichen Kulturreferentin Dr. Martina Edelmann zur Arbeit und zu den Ergebnissen des 1998 gegründeten und seit dem von ihr begleiteten Genisaprojektes.
Mit eindrucksvollen Bildern veranschaulichte Edelmann die Ablagen in Dachböden und deren Bergung und was man dort so fand wie Teile von Thora-Rollen, erbauliche Literatur, Gebetbücher, Wimpel, Teffilin und Gebetskapseln oder wie in Veitshöchheim ein Schofar-Horn, das am jüdischen Neujahrsfest geblasen wurde.
1986 hatte man die 150 Objekte umfassende Genisa in der 1730 errichteten Veitshöchheimer Synagoge entdeckt. Neben den ausgestellten Schriften lagert im Archivraum des Seminargebäudes in 42 Schubladen, 35 Kisten und 22 kleineren Schachteln das restliche beachtliche Genisa-Material ein. Die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen hielt es
1889: Spendenquittung über 5 Mark an den Veitshöchheimer Lehrer Klein
damals für dringend erforderlich, dass diese Materialien und später auch die aus weiteren fränkischen Synagogen als kulturelle Zeugnisse deutsch-jüdischer Geschichte nicht nur verwahrt, sondern nach und nach erforscht und das Wissen darüber verbreitet wird. Der Fund von Veitshöchheim bedeutete nach Edelmanns Worten einen entscheidenden Schritt, dass die Geschichtsforschung sich nun doch genauer mit den Inhalten einer solchen Ablage beschäftigte.
So wurde in Veitshöchheim 1998 das Genisaprojekt gegründet, das bis heute von der Gemeinde Veitshöchheim, den Bezirken Unterfranken und Oberfranken sowie von der Landesstelle gefördert wird. Die bei der Gemeinde bereits angestellte Volkskundlerin Edelmann übernahm mit einem wöchentlichen Arbeitsaufwand von zehn Stunden die Projektkoordination und -organisation. Die Bearbeitung der Funde wurde durch Werkverträge vergeben. Bisher waren neun wissenschaftliche Mitarbeiter tätig. Zusätzlich absolvierten Studenten vom Lehrstuhl für Volkskunde der Universität Würzburg ein Praktikum.
Ende 2000 war laut Edelmann die komplette Genisa von Veitshöchheim gesichtet. Etwa 2000 Datenbankeinträge über Drucke und Textilien wurden angelegt. Insgesamt umfasse das Projekt bis etwa ins Jahr 1900 genutzte Veitshöchheimer Genisa rund 4000 bestimmbare Fragmente. Die ältesten Stücke datieren noch in das späte 16. Jahrhundert.
Die Besonderheiten der Veitshöchheimer Genisa seien ein hoher Anteil an jiddischer Literatur mit bemerkenswerten Titeln, etwa 250 handschriftliche Zeugnisse wie Rechnungen, Quittungen, Schreibübungen, Briefe, Warenlisten sowie ein breites Spektrum von hebräischer Gebetsliteratur, mit zahlreichen Einblattdrucken, Reste von etwa 60 Torawimpeln und weiteren Textilien.
Um nur ein Beispiel zu nennen, schreibt der Leiter des noch heute in Jerusalem existierenden und zu den wichtigen medizinischen Zentren in Israel gehörendes Hospitals Bikur Cholim anno 1889 auf eine Spendenquittung über fünf Mark an den Veitshöchheimer Lehrer Klein: „Möge Gott Ihre Wohltat tausendfach belohnen.“
Was heißt Genisa?
Das Wort „Genisa“ ist ein Ort, an dem Schriften oder Gegenstände abgelegt werden, die nach jüdischer Religionsvorschrift aus religiösen oder liturgischen Gründen nicht absichtlich vernichtet werden durften, so etwa Gebetbücher oder in hebräischen Buchstaben verfasste profane Texte. In Süddeutschland sei es üblich gewesen, diese Genisoth auf den Dachböden der Synagogen anzulegen.
Eine repräsentative Auswahl von 150 Objekten aus der in Veitshöchheim entdeckten Genisa wird heute in dem eigens dafür eingerichteten Museum neben der Synagoge ausgestellt. Das 1994 eröffnete Jüdische Kulturmuseum Veitshöchheim ist laut Edelmann das einzige in Deutschland, das ausschließlich Genisafunde zeigt.
In den vergangenen Jahren kamen überall immer mehr solcher Schriften zum Vorschein. Insgesamt sind für Franken etwa 40 Fundorte bekannt und es kommen immer neue dazu.