In einer schweren Lebensphase unterbrach der Fotograf Horst Ziegler sein schlafloses Daliegen. Mit dem seinerzeit seltenen Wunsch, endlich wieder mal künstlerisch zu experimentieren, presste er sein Gesicht auf die Glasplatte eines Scanners, unbewegt, dann, in der Wiederholung, mit auf und zu klappendem Unterkiefer und mit Handgesten vor seinem Kopf. So entstanden die Werke seiner Ausstellung "Zerreißprobe", zwölf Schwarz-Weiß-Quadrate von 1,10 Metern Kantenlänge.
Im Ausstellungsraum des Berufsverbands Bildender Künstler Unterfranken sind diese Dokumente einer Nacht – Ziegler schränkt ein: "Eigentlich war es kaum länger als eine Stunde" – in Dreier- und Vierergruppen auf denkbar einfachste Weise so angeordnet, dass sie den Betrachtern Geschichten erzählen. Die meisten Zuschauerinnen oder -hörerinnen lassen ihre Geschichten wahrscheinlich bei dem Schrei beginnen, der von der linken Bildwand her tönt. Brüllt hier jemand auf vor Entsetzen über das Monster im Saal diagonal gegenüber? Dort nämlich hängt das Selbstporträt, dessen Züge Horst Ziegler am stärksten durch Bewegungen beim Scan-Vorgang verzerrt hat. Von Munch bis Bacon in zehn Schritten.
Zu viel Aufwand für zu wenig Käufer
Wichtiger als eine solche nachträgliche kunsthistorische Interpretation ist zu wissen: Der Fotograf hat kein Bild irgendwie retuschiert, gefiltert oder anderweitig effektbehandelt ("nur Flusen weggemacht"). So sieht man echte Speichelbläschen durch die Augen des technischen Geräts, und echte Tiefe ebenso. Aus deren Schwarz tauchen die zwölf Gesichter gespenstisch "schnell" auf, das heißt zwischen dem Nichts im Hintergrund und dem gestochen scharfen Vordergrund liegt nur ein kurzer Übergang in Unschärfe. Der Ausstellungstitel "Zerreißprobe" passt auf mehreren Ebenen zu diesem ungeheuren Gesamterlebnis.
Es wird das letzte sein. Der Wahl-Augsburger Horst Ziegler möchte nach dieser Präsentation in seiner Geburtsstadt Würzburg keine Ausstellungen mehr machen: zu viel Aufwand für zu wenig Käufer. Ziegler spricht von der Erfahrung, dass Bilder, in denen Künstler ihr Leid ehrlich darstellen, das geringste Interesse am Markt erwecken, wenn sie sich kein Image und keinen Namen machen. Vielleicht schätzt Horst Ziegler sich da etwas zu bescheiden ein. Er denkt daran, seine Experimente und Forschungen – vor allem über Pflanzen – zukünftig in Buchform zu veröffentlichen, nicht in Galerien.
Die Ausstellung "Horst Ziegler: Zerreißprobe" ist bis zum 16. Oktober freitags und samstags von 15 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Besuchenswert auch die Zeichnungen im Flur des Druckwerkstattkellers.