Es gab Zeiten, da hat Würzburg Geld gehabt“, antwortet der frühere Schulreferent Reiner Hartenstein heute auf die Frage, woher der Begriff „Schulstadt Würzburg“ komme. Damals konnte die Stadt selbst Lehrer einstellen und vor allem die Schulleiter bestimmen, ohne sie sich vom Staat vorsetzen zu lassen.
Einer der Vorgänger des heutigen Oberbürgermeisters, Alt-OB Klaus Zeitler, sagt es so: „Die Schulentwicklung war über Jahrzehnte ein Schwerpunkt der Kommunalpolitik der 50-er und 60-er Jahre.“ Es habe bayernweit keine Stadt vergleichbarer Größe mit einer derart kompletten Ausstattung an Schulen gegeben wie Würzburg – bis hin zu Fachhochschule und Universität, „wir haben sogar den Schulkindergarten entwickelt zu Zeiten, wo andere noch nicht daran gedacht haben“, und: Schulschwimmbecken waren üblich. Sieht so eine Schulstadt aus? „Ich habe diesen Ausdruck nicht gebraucht“, sagt der 87-Jährige.
Fündig wird man am ehesten im aktuell zusammengestellten Schulentwicklungsplan, der in den vergangenen drei Jahren unter Beteiligung von Schülern, Eltern, Lehrern, Schulleitungen und Fachleuten entstand. „In den kreisfreien oder größeren Städten mit einem traditionell eher ländlichen Umfeld befanden sich in den Jahrzehnten vor der Gebietsreform in der Regel viele weiterführende Schulen oder Schulen mit einem besonderen Schulangebot. Dieses zum Teil als historisch zu betrachtende Erbe wurde in der Stadt Würzburg gepflegt und ausgebaut“, heißt es darin.
Die Ära Hartenstein, Vorgänger des heutigen Schulreferenten Muchtar Al Ghusain, begann im Jahr 1991 (bis 2006). Weil die Stadt Würzburg vor allem wegen einbrechender Gewerbesteuereinnahmen in immer größere finanzielle Schwierigkeiten geriet, hatte Reiner Hartenstein die undankbare Aufgabe, im Schulbereich massiv einzusparen. Hartenstein war damals mehr oder weniger Einzelkämpfer mit dem damaligen OB Jürgen Weber im Rücken und einem Stadtrat, der letztlich mitzog, weil der Sparzwang extrem groß geworden war.
Im Gegensatz dazu verfolgt der heutige Schulreferent Al Ghusain einen anderen Ansatz: Alle miteinander bestimmen die Geschicke der Schulen: Schüler, Eltern, Lehrer, Schulleitungen, Experten aus den Fachbereichen Schule, Soziales, Statistik, der Stadt, der Regierung von Unterfranken, die Ministerialbeauftragten, das Staatliche Schulamt, der Gemeinsame Elternbeirat, der Schülerladen als Schülervertreter, die IHK, die Handwerkskammer, die Agentur für Arbeit und so weiter. Das heißt: Gemeinsam an Grenzen stoßen, die aber für alle verständlicher werden. Das heißt aber auch Weiterentwicklung auf Dauer, neue Wege gemeinsam gehen und Bisheriges überarbeiten. Der Schulentwicklungsplan ist kein statisches Projekt.
Blick zurück: Hartenstein machte sich schnell unbeliebt: Er setzte die Zusammenlegung der Johannes-Kepler- und der Goethe-Grundschule durch. Hintergrund war, dass die Goethe–Grundschule viele, die andere kaum Anmeldungen hatte. Bei einer Fusion konnte Hartenstein aus einer Riesenklasse und einer kleinen dann zwei mit Normalgröße bilden. So haben kleine Schulen wie die Burkarder Schule, fusioniert mit der Steinbachtal-Grundschule, überlebt. Wie krass damals die Meinungen von Eltern und Schulverwaltung aufeinanderstießen, zeigt das Beispiel der Elterninitiative um die Keplerschule: In ihrer Wut wandt sie sich an den damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Ohne Erfolg.
Dann legte Hartenstein erst richtig los, setzte eine Schulrochade durch, die ihresgleichen suchte. Das städtische Mozartgymnasium wurde ins ebenfalls städtische Schönborngymnasium integriert. Ihre ehemaligen Schulleiter wie Heinz Verholen, Ewald Schellenberger und Reinhold Loho sind den Würzburgern noch heute ein Begriff.
Immer weniger Schüler wurden aufgenommen, keine Lehrer mehr eingestellt. Die beiden Schulen gibt es heute nicht mehr, eben so wenig die städtische Schönborn-Realschule, die damals vorübergehend in der Sandbergerstraße unterkam – zuvor Heimat der Jakob-Stoll-Realschule. Die städtische Schulpolitik zielte darauf ab, dass nachfolgende Schüler zwar gleiche Ausbildungsmöglichkeiten fanden, aber in staatlichen Schulen, in denen der Freistaat und nicht die Stadt das Lehrpersonal zahlt. Die Jakob-Stoll-Realschule zog aus der Sandbergerstraße (Frauenland) in die Zellerau, die dortige FOS/BOS (Fachoberschule, Berufsoberschule) ins Berufsbildungszentrum I (BBZ I, Oberthürschule). Das frühere städtische Musik-Konservatorium ging in der staatlichen Hochschule für Musik auf.
Aus diesen Sparmaßnahmen erwuchsen letztendlich – oft in schmerzlichen Prozessen, neue staatliche Schulen. So erblühte die David-Schuster-Realschule in der Sandbergerstraße. Im Jahr 2013 auch die neue, eigenständige FOS/BOS auf dem Gelände der Oberthürschule in der Mozartstraße, ebenfalls unter dem Paradigmenwechsel: staatlich statt städtisch. Im laufenden Schuljahr 2016/17 hat sie schon 1170 Schüler in 45 Klassen. Schulleiterin Susanne Kraus-Lindner rechnet mittelfristig mit über 1300 Schülern. Die einstige städtische FOS/BOS läuft mit jetzt nur noch sieben Klassen zum Ende des Schuljahres endgültig aus.
Weil der Staat dafür auch Neubauten forderte, blieben die alten Gebäude teils unrenoviert zurück. Beispiele sind das Gebäude der einstigen Mozartschule in der Maxstraße und die Hauger Schule in der Wallgasse. Allein Siebold- und Riemenschneider-Gymnasium nutzen hier insgesamt 15 Schulräume. Und auch andere wie zum Beispiel Musikschule und Jenaplanschule sind froh, in diesen Häusern unterrichten zu können.
100 Planstellen hat Hartenstein im Lauf der Jahre gestrichen. „Wir hatten mal 500 städtische Lehrer“, sagt Schulamtsleiter Heinz Benkert; „jetzt sind es noch 360.“ Mit einem Schuletat von knapp 81 Millionen Euro positionieren sich die schulischen Ausgaben im städtischen Gesamthaushalt heute an zweiter Stelle hinter dem Sozialetat. Früher lagen sie an der Spitze.
Der Schulentwicklungsplan hat als Basis in einem eigenen Band Schulportraits mit Foto oder Schullogo, mit Daten aller Art, Ausbildungszweigen, Gebäudebeschreibungen, mit Hinweisen zu Mensa und Betreuungsangeboten bis hin zu Schulpartnerschaften und schließlich mit Perspektiven für das jeweilige Haus. Darauf ruhen die Diskussionen um die Zukunft der Einrichtungen. Im Textteil von Band I „Würzburg in Bewegung“ finden sich viele Aussagen der Eltern zum Beispiel zur Zufriedenheit mit dem schulischen Betreuungsangebot, finden sich Anregungen aus Umfragen – zum Beispiel „bessere Verkehrssituation“, stehen Entwicklungen von Schülerzahlen, die in Würzburg leicht rückläufig sind, im Fokus. Weiterentwickelt wird in Würzburg künftig aufgrund des Schulentwicklungsplanes, dessen Chance es sei, alles „umfassend in den Blick zu nehmen und auf lange Sicht zu planen“, so Al Ghusain.
Daraus sollen Entscheidungen resultieren.
Al Ghusain spricht von „mindestens einer Hand voll Baustellen“, die es immer gibt, wenn akutes Handeln nötig wird: „Wir reparieren das Auto während der Fahrt“ – also bei laufendem Schulbetrieb. Dazu kommt langfristiges Planen. Eine enorm gute Struktur bei der Abwicklung von Baustellen brauchen die Macher künftig zum Beispiel bei massiven Bau- und Sanierungsprojekten der Klara-Oppenheimer-Schule auf dem Gelände der s.Oliver Arena. Vergleichsweise einfacher werden Umbauten an Siebold- und Riemenschneidergymnasium. Jedenfalls erklärt Al Ghusain nachdrücklich, geplant würden in den nächsten Jahren Projekte „in dreistelliger Millionenhöhe“, die mit 75 Prozent vom Staat bezuschusst werden könnten. Das ist ein Wort.
Schulen in Würzburg
Schularten: 17 Grundschulen hat die Stadt, neun Mittelschulen inklusive der drei privaten Vinzentinum, freie Waldorfschule und Montessorischule. Es existieren drei Realschulen, neun Förderzentren, drei Wirtschaftsschulen, neun Gymnasien, FOS/BOS und ein Abendgymnasium.
Hinzu kommen vier große Bildungszentren (BBZ) mit fünf Berufsschulen, Berufsfachschulen und Fachschulen, ergänzt noch durch Fachakademien und eine Landwirtschaftsschule.
Allein im Gesundheitswesen bieten sich 20 Schulen an, davon sieben als öffentliche Schulen und 13 als private. Ausbildungen in Schulen werden im Universitätsklinikum ebenso angeboten wie beispielsweise bei KoeBau. Je nachdem, ob man diese Schulen mitzählt, und ob man die Bildungszentren aufgliedert, schwankt die Zahl der Schulen zwischen 33 und 100. Al Ghusain spricht von aktuell 29 000 Schülern in Würzburg, allein an den Gymnasien über 5000.