Es gibt diesen Zaubertrick mit der Glühlampe, die weiterleuchtet, auch wenn sie aus der Fassung geschraubt wird. Irgendeine versteckte Batterie wird wohl dafür verantwortlich sein, denkt sich da der Zuschauer. Lässt der Zauberkünstler die Lampe jedoch zwischen seinen Händen schweben, wird es mit der Erklärung schon schwieriger. Es muss ein unsichtbares Seil angebracht sein – doch kann der Magier seine Hände rund um die weiterhin brennende Lampe bewegen. Und dann wird es noch unerklärlicher: Im Amsterdamer Carré-Theater lässt Zauberkünstler Hans Klok die Birne auch über den Köpfen der Zuschauer in den vorderen Reihen schweben. Spätestens da hat der Zauberer die Zuschauer vollends in seinen Bann gezogen.
Im Januar 2018 tritt Hans Klok mit seiner Show in Würzburg auf. Er ist neben David Copperfield oder Siegfried und Roy einer der bekanntesten Großillusionisten der Welt. Seine Art der Zauberei ist spektakulär, rasant und effektreich. Da kann auf der Bühne auch schon mal etwas mit einem lauten Knall explodieren.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt der Zauberkünstler Bernd Zehnter aus Reichenberg (Lkr. Würzburg). Er will sein Publikum mit kleinen Geschichten emotional und „pur“, wie er selbst sagt, berühren. So unterschiedlich diese zwei Spielarten der Zauberkunst auch sind – beide Künstler schaffen es, ihr Publikum so zu faszinieren, wie es weder die spektakulärsten Bilder im Fernsehen noch die verrücktesten Videos auf Youtube vermögen. Warum verblüffen Zauberkunststücke in einer reizüberfluteten Welt immer noch so sehr?
Wie er die Glühbirne zum Schweben bringt, wird der niederländische Großillusionist mit der wallend blonden Mähne natürlich nicht preisgeben. Erstens untersagt es die Berufsehre, Tricks der Allgemeinheit zu verraten. Zweitens sind Geheimnisse dieser Art viel Geld wert. Selbst ein berühmter Magier wie Hans Klok, der bereits am Las Vegas Strip zusammen mit Sexsymbol Pamela Anderson eine eigene Show hatte, kam nicht auf die Lösung. Erst Jahre nach dem Tod seines Kollegen Harry Blackstone Jr., der den Trick von seinem Vater geerbt hatte, verriet ihm dessen Witwe den Kniff mit der fliegenden Glühlampe und erlaubte ihm exklusiv, ihn in seiner Show vorzuführen – natürlich nur auf Lizenz und für das nötige Kleingeld.
Den dritten Grund, warum Zauberer ihre Geheimnisse hüten, kann Bernd Zehnter erläutern: „Der Effekt macht nur sieben Prozent aus. Aber den Bezug zum Publikum schaffen, das Kontaktaufnehmen mit dem Zuschauer, der Live-Moment – das macht 93 Prozent aus.“ Ein Zaubertrick besteht also nur zu einem geringen Teil, den Zehnter für sich auf exakt sieben Prozent festgelegt hat, aus einem Geheimnis. Viel wichtiger sind demnach der geschaffene Kontext, der Spannungsbogen und die Art der Präsentation. Der Begriff „Zaubertrick“ sei daher auch nicht treffend, meint Zehnter. Vielmehr müsse man von einem „Zauberkunststück“ sprechen. Denn erst wenn ein technischer Trick durch besagte 93 Prozent zum Kunststück werde, schaffe es ein Zauberer, sein Publikum nachhaltig in die phantasiereiche Welt des (vermeintlich) Unerklärlichen zu führen.
Die „Fliegende Glühlampe“ ist dafür ein Paradebeispiel – und wohl daher auch eine von Hans Kloks Lieblingsnummern. So fehlte sie auch nicht in seiner Show „House of Horror“, die der 47-Jährige vergangenen Spätsommer sieben Wochen lang im Amsterdamer Carré-Theater zeigte und mit der er im Winter 2017/18 unter dem Namen „House of Mystery“ nach Deutschland beziehungsweise am 14. Januar 2018 nach Würzburg kommt.
Einige nennen Klok den „schnellsten Magier der Welt“ – so bezeichnet er sich auch selbst –, denn er kann in fünf Minuten fünfzehn große Illusionen zeigen. Ein wahres Feuerwerk des Staunens, das er auch im Finale seines aktuellen Programms abfeuert. Neben der Zauberei gibt es in der Show auch eine Menge Akrobatik von verschiedenen Zirkus-Künstlern zu sehen. In Amsterdam waren die Zuschauer von der knapp dreistündigen Vorstellung hellauf begeistert und das niederländische Publikum belohnte „ihren“ Star mit Standing Ovations.
Als Künstler von internationaler Bekanntheit beherrscht Klok die ganze Bandbreite der Zauberei, unter anderem aus den Sparten Taschenspiele, Telepathie oder Entfesselung. So zaubert der Niederländer etwa unzählige Spielkarten aus seiner Hand, errät die Gedanken eines Zuschauers oder befreit sich unter Zeitdruck aus Ketten. Seine größte Attraktion sind aber die sogenannten Großillusionen, die mit aufwändigen Apparaturen daherkommen. Damit lässt er hübsche Assistentinnen oder gleich sich selbst verschwinden. Ein anderes Mal lässt sich Klok von einem Schwert aufspießen oder – für eine Extraportion Horror – mit der Guillotine den Kopf abschlagen.
Weder dem Magier noch seinen Assistenten geht es dabei wirklich an den Kragen. „Das sieht furchtbar gefährlich aus, aber der ist ja nicht lebensmüde“, plaudert Bernd Zehnter über seinen Kollegen aus dem Nähkästchen. „Wenn plötzlich ein Seil reißt und er sich noch reflexartig woanders festklammert, passiert das per Fernsteuerung und ist mindestens hundert Mal vorher einstudiert worden. Aber das ist Dramaturgie und Spannung, die das Publikum mitreißt. Das sind die 93 Prozent!“
Ganz ungefährlich sind die Tricks dennoch nicht. So verletzte sich Klok eigenen Worten zufolge ein paar Tage vor der Aufführung in Amsterdam am Kopf. Seitdem bekommt er vor Ausführung des Zauberstücks von einer Assistentin einen Hut aufgesetzt, der in Wahrheit ein getarnter Schutzhelm ist. „Ich kann mir nicht vorstellen, eine Show ohne Gefahr zu machen. Das gehört für mich dazu“, sagt Klok über sein Programm, das stellenweise einem Actionfilm in nichts nachsteht. Ein Stück weit werde dies auch von den Zuschauern erwartet. Die sind durch Internetvideos und TV-Shows gewissermaßen abgehärtet, meint der Zauberkünstler.
Diese Erwartungshaltung werde durch TV-Magier wie etwa Chris Angel noch befeuert, meint Bernd Zehnter. „Er macht im Fernsehen Dinge, die ohne Kameratricks und Schnitt einfach nicht gehen.“ Live auftretende Zauberer wie er und Klok würden dann aber daran gemessen werden. Ob Kloks „Narben“ dann auch wieder nur ein Trick sind, um Gefahr zu suggerieren? Das sei gut möglich, aber gar nicht so entscheidend, meint Zehnter. Ob echt oder nicht – das gehöre nun mal zu den 93 Prozent.
Diese 93 Prozent sind es auch, die Zauberkunst zu einer individuellen und immer wieder aufs Neue faszinierenden Angelegenheit machen. „Man kann keinen Effekt neu erfinden, denn es gibt nur 15 Dinge, die in der Realität nicht gehen“, erklärt Bernd Zehnter. Zu diesen 15 Dingen gehören etwa Wahrsagen, Schweben, Färben oder Verschwinden und Erscheinen. Objekte wandern zu lassen sei zum Beispiel kein neuer Effekt. „Das ist nur die Verknüpfung aus Verschwinden und Erscheinen, die im Kopf des Zuschauers die Illusion von Wandern entstehen lässt“, so der Reichenberger.
Es gebe zwei Arten, wie die Zuschauer mit dieser Illusion umgehen, meinen Klok und Zehnter übereinstimmend. Die einen wollen sich einfach nur verzaubern lassen und die Magie genießen. Die anderen wollen die Geheimnisse der Tricks aufspüren und beobachten jede Handbewegung, Requisite und jeden Ablenkungsversuch akribisch, kommen aber doch nicht auf die Lösung. Zumindest der Aspekt mit der Ablenkung sei vergebliche Mühe des Zuschauers, sagt Bernd Zehnter. Ob vor 2000 oder vor 40 Zuschauern – es sei für einen Zauberkünstler unmöglich, alle auf einmal abzulenken. Stattdessen funktioniere Zauberkunst durch das Prinzip der Parallelhandlung.
Ein Beispiel: Bernd Zehnter nimmt Spielkarten in die Hand und formt diese zu einem geraden Stapel. Dass der Zauberer dabei aber die unterste Karte kurz ansehen konnte, wird vom Zuschauer schlicht übersehen. Denn das sorgfältige Ordnen der Karten ist für den Zuschauer ein ganz gewöhnlicher Vorgang und das Gehirn denkt: „Das ist kein Trick, das darf er“, erklärt Zehnter. „Wenn ich Handlungen zeige, die der Zuschauer von klein auf kennt, dann verlässt er sich darauf, dass was ich mache in Ordnung ist.“ Auch ließe sich keine Handbewegung so schnell ausführen, als dass das Auge sie nicht sehen könnte.
Aus diesen Gründen sind Geschichten, Emotionen und Bekanntes so wichtig in einer Zaubershow. Hans Klok fügt all dem noch eine gehörige Portion rasanter Action hinzu, Bernd Zehnter spricht die Zuschauer eher auf der Gefühlsebene an. Beide Arten der Zauberkunst faszinieren auf eine Weise, wie es Fernsehen oder Youtube nicht vermögen. Das Unerklärliche zieht die Menschen daher seit jeher magisch an – und das muss man gesehen haben.