zurück
Würzburg
Würzburgs Uniklinik: Krankenhaus-Gigant mit großen Plänen
Sie ist mit über 6000 Beschäftigten größter Arbeitgeber der Stadt und steht vor weiteren Millionen-Projekten. Der neue ärztliche Direktor der Uniklinik im Gespräch.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 26.01.2021 07:06 Uhr

Mit Jahresbeginn hat der Kardiologe Prof. Georg Ertl (65) das Amt als Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Würzburg übernommen und damit die Nachfolge von Prof. Christoph Reiners angetreten. Wir sprachen mit dem Herzspezialisten über aktuelle und kommende Herausforderungen und Entwicklungen am Universitätsklinikum.

Frage: Herr Professor Ertl, seit 1.Januar sind Sie ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums. Was könnte sich unter Ihrer Führung verändern?

Prof. Georg Ertl: Es ist bisher ja vieles gut gelaufen. So hoffe ich zunächst, dass sich durch den Chefwechsel nichts zum Negativen wandelt. Mit der Zeit wird sich natürlich einiges verändern – weil sich die Bedingungen für Uniklinika generell entscheidend ändern werden. Da muss sich auch ein ärztlicher Direktor darauf einstellen und entsprechende Strategien weiterentwickeln.

Was ändert sich denn an Bedingungen?

Ertl: Das neue Krankenhausstrukturgesetz schnallt den Gürtel enger, um die Kosten im Gesundheitssystem im Griff zu behalten. Wir werden die Zahl der Fälle nicht beliebig steigern können.

Wie geht es denn der Uniklinik Würzburg wirtschaftlich? Wo steht sie im Vergleich zu anderen Häusern?

Ertl: Dem Universitätsklinikum Würzburg geht es wirtschaftlich gut im Vergleich zu anderen Unikliniken. Wir machen keine großen Gewinne – aber das ist auch nicht der Auftrag eines Universitätsklinikums. Alle unsere Einnahmen können wir wieder in Patientenversorgung, Forschung und Lehre investieren.

Wenn man unter Kostendruck die Zahl der Fälle nicht steigern kann – heißt das, die Patientenversorgung leidet?

Ertl: Das glaube ich nicht. Wir können uns verbessern, indem wir Abläufe optimieren. Besondere innovative Leistungen werden durch das neue Strukturgesetz belohnt.

Die Uniklinik ist mit über 6000 Mitarbeitern größter Arbeitgeber in Würzburg. Müssen Sie am Personal sparen?

Ertl: Ich glaube, Personal können wir schlicht nicht sparen – sonst geht?s nicht mehr.

Zumal Sie Großes vorhaben, einiges ist im so genannten Campus-Konzept formuliert. Was hat es damit auf sich?

Ertl: Das Campus-Konzept wurde noch vor den Plänen für das Zentrum für Operative Medizin entwickelt. Deshalb haben wir auch den Zuschlag für das ZOM bekommen. Das geht in die 90er Jahre zurück. Es ist ein bauliches Konzept, das über Jahrzehnte und auch nach ZIM und ZOM weiterverfolgt wird: Wir haben einen wunderbaren Campus, das alte Luitpold-Krankenhaus, eingeweiht 1922. Das war damals ein fantastisches Klinikum, man hatte für die Zeit exzellente Möglichkeiten. Interessanterweise wird das fast 100 Jahre alte Luitpold-Krankenhaus in Teilen noch heute genutzt, während das Kopf-Klinikum nach gut 40 Jahren kaputt ist.

Der Campus wächst von seinem Ursprung, dem Lukra, den Berg hinauf… Wie weit denn noch?

Ertl: Wir sind ins ZIM eingezogen und haben gemerkt, dass die Flächen nicht ausreichen. Das heißt, wir haben inzwischen eine sehr starke Verdichtung im Universitätsklinikum. Das schafft kurze Wege und hat Vorteile. Aber ich glaube schon, dass wir hinter dem neuen Parkhaus weiter wachsen werden.

Was sind denn die wichtigsten Eckpfeiler für die nächsten Jahre?

Ertl: Es fing an mit ZOM und ZIM. Dann kam als Seiteneinsteiger das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz, das Ende des Jahres bezogen wird. Dort finden Forschung und Patientenversorgung statt. Das nächste große Thema ist die Kopfklinik, die baulich nicht zu sanieren ist – deshalb ein Neubau an gleicher Stelle. Das stellt uns und die Anlieger vor große Herausforderungen. Wir wollen auf die Grombühler größtmögliche Rücksicht nehmen. Anlieger werden nicht nur informiert, sondern einbezogen – in enger Abstimmung mit der Stadt. Die nach oben verlängerte Straßenbahn ist ebenfalls Teil des Campus-Konzepts und wird ein Gewinn für Grombühl sein.

Wie schätzen Sie die Bedeutung der Straßenbahn ein? Sie erschließt künftig das komplette Klinikum…

Ertl: Natürlich ist es ein Riesenaufwand für einen Kilometer neue Trasse. Aber dies schafft die Möglichkeit, aufs Auto zu verzichten. Der Verkehr ist eine große Belastung für Mitarbeiter, Patienten, Anwohner. Sie finden oft keinen Parkplatz. Deshalb haben wir das Parkhaus gebaut, was erhebliche Erleichterung gebracht hat. Und die Straßenbahn fährt dann direkt vor die Tür – deutlich besser als ein zehnminütiger Fußweg für Patienten oder Mitarbeiter von der bisherigen Haltestelle aus.

Der Bau der verlängerten Trasse ist auch deshalb kompliziert, weil im Untergrund viele Leitungen verlaufen. Sie müssen in großem Stil auch Versorgungsleitungen auf dem Campus erneuern. Können Sie das erklären?

Ertl: Sie müssen sich das als gewaltigen begehbaren Kanal vorstellen, durch den alle Leitungen führen. Und der muss komplett erneuert werden, die Leitungen stammen zum Teil noch von 1922. Im Moment planen wir wieder einen zentralen Kanal, in dem alles gut zugänglich ist – auch für Reparaturen oder für neue Leitungen.

Das heißt, sie gehen den Campus in den kommenden Jahren von unten – Stichwort Leitungen – wie auch an der Oberfläche an. Es sind Neubauten, Umzüge, Rochaden geplant…

Ertl: Das Campus-Konzept befindet sich in enger Abstimmung mit der Universität. Das Virchow-Zentrum und das Zentrum für Infektionsbiologie sind ja in die alte Chirurgie gezogen. Und in die alte Innere Medizin werden die Anatomie und die Physiologie einziehen. Hierfür gibt es konkrete Planungen.

Das heißt, Sie konzentrieren weiter auf dem Campus?

Ertl: Ja. Für die Studenten ist es ein großer Fortschritt, wenn wir nicht mehr drei, sondern nur noch zwei Standorte haben…

Kinder- und Frauenklinik sollen auch verbunden werden?

Ertl: Unser Leitmotiv lautet „Innovation und Qualität durch Kooperation“. Ein großer Vorteil unserer Klinik ist, dass wir alle Fächer vorhalten. Wenn wir intern gut kooperieren, ist das ein riesiger Qualitätsvorteil. Dafür auch die baulichen Voraussetzungen zu schaffen – das ist Teil dieses Campus-Konzepts. Im Bereich „Mutter und Kind“ gibt es engste Verbindungen. Nehmen Sie die Geburt: Das Kind kommt zur Welt und es gibt vielleicht ein Problem bei der Mutter, oder schon während der Schwangerschaft. Ziel ist, Frauen- und Kinderklinik auch baulich zusammenzuführen in ein Frauen-Mutter-Kind-Zentrum. Die Strahlentherapie wiederum ist in Anwendungen und Möglichkeiten derart gewachsen, dass sie eine eigene Baulichkeit bekommt.

Es geht hier also um zwei größere Neubauten – Frauen-Mutter-Kind-Zentrum und Klinik für Strahlentherapie?

Ertl: So ist es. Wobei das Frauen-Mutter-Kind-Zentrum in die bestehende Frauenklinik integriert wird. Es ist ein Neubautrakt an der Frauenklinik geplant.

Die heutige Kinderklinik wird damit frei, gibt es dafür auch schon Pläne?

Ertl: Da gibt es viele Pläne – sie sind aber noch nicht spruchreif.

Bei der Strahlentherapie handelt es sich um einen Neubau an gleicher Stelle?

Ertl: Nein, im Moment ist sie ja noch in der Kopfklinik untergebracht. Dort wird der Raum im Zuge des Neubaus benötigt. Die Klinik für Strahlentherapie wird etwa zeitgleich neu errichtet im Bereich hinter Frauen-Mutter-Kind-Zentrum.

So viel Platz ist noch auf dem Campus?

Ertl: Es gibt auch ältere, nicht mehr genutzte Gebäude, die man abreißen kann.

Gewaltige Baumaßnahmen, die Sie hier skizzieren… Allein ZIM/ZOM haben rund 300 Millionen Euro gekostet. Welchen finanziellen Umfang haben die geplanten Investitionen?

Ertl: Wenn man alles zusammenrechnet, kommt man wohl nochmal auf dieselbe Summe. Aber es sind bauliche Investitionen, die auch der Region zu Gute kommen, den Firmen, den Beschäftigten.

Wie geht es Ihnen in der neuen Rolle als Ärztlicher Direktor? Zeichnen sich persönliche Schwerpunkte ab?

Ertl: Mir geht es sehr gut, es macht große Freude. Das Klinikum läuft gut, der Vorstand ist sehr kooperativ, wir haben eine schlagkräftige, gut organisierte Verwaltung, motivierte Mitarbeiter. Die Leute identifizieren sich sehr stark mit dem Klinikum. Das ist ein großer Wert. Persönlich sind mir Kooperation und Vernetzung in der Gesundheitsversorgung sehr wichtig. Beispiel Herzschwäche: Wir haben erforscht, dass Patienten eine um 30 Prozent höhere Lebenserwartung haben, wenn sie in einem Verbund aus Hausärzten, Kardiologen und Klinik betreut werden. Ihre Lebensqualität erhöht sich und sie müssen weniger stationär ins Krankenhaus.

Gibt es Verschiebungen zwischen Forschung und Patientenversorgung?

Ertl: Nein. Das Universitätsklinikagesetz fordert von uns Patientenversorgung im Dienste von Forschung und Lehre. Das bedeutet aber nicht, dass wir sie auf dem Buckel der Patienten machen. Im Gegenteil. Ein Patient ist in der klinischen Studie besser aufgehoben als in der normalen Patientenversorgung, weil er viel engmaschiger begleitet wird. Damit kommt Forschung direkt dem Patienten zugute.
 

Zur Person

Prof. Dr. Georg Ertl (65) stammt aus dem pfälzischen Neuburg/Rhein und besuchte in Karlsruhe das Gymnasium. Nach Studium in Mainz und Graz approbierte und promovierte er an der Universitätsklinik Mainz. Nach Stationen u.a. in Düsseldorf und in den USA kam er 1981 an die Würzburger Uniklinik, wo er 1986 an der Medizinischen Fakultät im Fach Innere Medizin habilitierte, er wurde Oberarzt und Leiter der Intensivstation. Seit 1991 Universitätsprofessor und leitender Oberarzt, hatte er von 1995 bis 1998 den Lehrstuhl für Kardiologie an der Uniklinik Mannheim inne und war dort Klinikdirektor. 1999 übernahm er den Lehrstuhl für Innere Medizin der Uni Würzburg und wurde hier Direktor der Medizinischen Klinik I.

Ertl ist Mitglied in zahlreichen medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften und Gremien und hat sich vor allem durch Studien zur Herzinsuffizienz einen Namen gemacht. Von 2011 bis 2013 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie-Herzkreislaufforschung, er holte das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz nach Würzburg – ein großer Erfolg für den Medizin- und Wissenschaftsstandort. Ertl ist Mitglied in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Text: aj

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Andreas Jungbauer
Christoph Reiners
Frauenkliniken
Herzinsuffizienz
Innere Medizin
Krankenhäuser und Kliniken
Patientenversorgung
Strahlentherapie
Universitätskliniken
Universitätsklinikum Würzburg
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • davis
    Ich glaube ich bin in der falschen Branche (produktionsnah, also da wo das Geld *verdient* wird). Mit anderen Worten, wo man sich krank schuftet.

    Ich hätte mir lieber eine Branche aussuchen sollen, wo das Geld mit vollen Händen *ausgegeben* werden kann. Wie z.B. hier -- um die kaputten Ruderer aus der Produktion wieder zusammenzuflicken.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten