Der Kult mit ihr war bemerkenswert: Viele Menschen aus der ganzen Welt verehrten Lady Diana. Ein Phänomen, mit dem sich die Würzburger Volkskundlerin Annika Risse in ihrer Magisterarbeit beschäftigte. Bei einer Volkskunde-Tagung zum Thema Religiosität und Spiritualität in Würzburg wird sie ihre Ergebnisse am 26. September präsentieren. Sie selbst beschäftigt sich inzwischen mit einer ganz anderen Thematik: Horrorfilme. Darüber will sie ihre Doktorarbeit schreiben.
Warum wurde Lady Di zu jener Kultfigur, die sie zeitleben war? „Sie bot eine ideale Projektionsfläche“, sagt Risse. Sie bediente den Traum vom Aschenputtel, der zum Star wurde, verdiente als Bulimikerin Mitleid und rief solidarische Empörung hervor, als herauskam, dass Prinz Charles sie betrog. „Sie war also nicht einfach nur eine blonde Prinzessin“, erläutert die 29-jährige Volkskundlerin, die seit einem Jahr als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Europäische Ethnologie der Uni Würzburg tätig ist.
Die Verehrung der Quotenbringerin, die zu Lebzeiten in den Medien omnipräsent war, hatte durchaus religiöse Züge. Kannte doch auch die frühere Volksfrömmigkeit „Fan-Objekte“, die intensiv verehrt wurden. Überhaupt ist Religiosität im Zeitalter der Säkularisierung ein kaum fassbares, buntes Phänomen.
„Keine Gefahr für die Kirche“
„Patchworkreligiosität“ kennzeichnet Risse zufolge unsere Zeit. „Es gibt unzählige Wahlmöglichkeiten“, so die Volkskundlerin, die im Nebenfach Philosophie und Theologie studierte. Die einen sind „erzkatholisch“, die anderen „schwören“ auf Feng-Shui, wieder andere lassen sich schamanisch behandeln oder haben das Pilgern für sich entdeckt. Und dann gibt es eben diejenigen, deren Leben sich mehr oder weniger stark nach einem Star ausrichtet. Das alles hat mit Gott nichts zu tun: „Weshalb ich dieses Phänomen auch nicht als Gefahr für die Kirche sehe.“ Wer sich akupunktieren lässt und Yin und Yang in Balance bringt, kann dennoch katholisch sein.“
Wann etwas quasi religiös, wann etwas lediglich kultig ist, das ist schwer zu trennen. Wie zum Beispiel verhält es sich mit Menschen, die es lieben, Horrorfilme zu schauen? Die kein Festival auslassen und sich an einem Horrorfilmwochenende drei Tage lang bei schönstem Wetter in ein Kino setzen, um täglich fünf Streifen zu sehen? Vor drei Monaten begann Annika Risse, diesem Phänomen nachzugehen. Wohin sie ihre Forschungen führen werden, weiß sie noch nicht. Klar ist nur, dass sie sich von gängigen Klischees wegbewegen werden: Wer Horrorfilme liebt, ist nicht von Natur aus brutaler als seine Zeitgenossen. Und natürlich ist Horrorfilm nicht gleich Horrorfilm.
Eine Filmreihe wie Don Coscarellis „Das Böse“ genießt heute Kultstatus. Andere Streifen dieses Genres sind außerhalb der Fangemeinde völlig unbekannt. Es gibt ruhigere, subtile Filme und solche mit reichlich Ekel, Grauen und Gemetzel.
Auch die Kennzeichnung durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft ist ganz verschieden. „The Pyramid – Grab des Grauens“ ist bereits ab zwölf freigegeben. Den spanischen 101-Minüter „KM 31 - Der Tod wartet bei Kilometer 31“, der als „bitterböse“ gilt, darf man schon ab 16 gucken. Die Horrorkomödie „100 Bloody Acres“ hingegen ist erst ab 18 empfohlen.
Warum lassen sich manche Menschen filmisch so gern in Panikstimmung versetzen? Oder erzittern sie nach dem hundertsten Film gar nicht mehr vor Grauen? Risse interessiert, wie echte Horrofilmfans alptraumhafte Schocker wahrnehmen. Was zieht sie inhaltlich, was formal-ästhetisch an? Ist es der raffinierte Kamerablick? Wie denken sie über ihre eigene Schaulust nach? Und wie wichtig ist ihnen die Community? All das sind spannende Fragen, denen die Doktorandin in den kommenden Monaten nachgehen will. Wer auf die Antworten ebenso neugierig ist wie sie selbst, muss sich noch eine Weile gedulden. In drei Jahren hofft Risse ihre Arbeit beenden zu können.
Öffentliche Tagung der dgv-Kommission für Religiosität und Spiritualität vom 25. bis 27. September im Toscana-Saal der Würzburger Residenz. Tagungsgebühr: Studierende frei, ermäßigt 15 Euro, dgv-Mitglieder 35 Euro, Gäste 45 Euro. Anmeldung: Uni Würzburg, Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde, eike.lossin@mail.uni-wuerzburg.de