
Das Würzburger Gerichtswesen war im Mittelalter außerordentlich vielfältig. Die Gerichtshoheit des Fürstbischofs leitete sich ab von der sogenannten durch Kaiser Barbarossa 1168 verliehenen "Güldenen Freiheit", der "dignitas iudiciaria", eben der Gerichtshoheit, die prinzipiell im gesamten Ostfranken galt. Der Bremer Erzbischof Adam, ein bedeutender Chronist des 11. Jahrhunderts, rühmte den Würzburger Bischof. Dieser habe in seinem Territorium keine gleiche oder übergeordnete Herrschaftsgewalt zu dulden. Alle Grafschaften seien seiner Botmäßigkeit unterworfen.
Unterschiedliche Gerichte
Neben dem sogenannten Brückengericht, dem Feld- und dem Hofgericht ist insbesondere das Landgericht von Interesse. Anfangs war es – seine Entstehungszeit fällt wohl noch auf das Ende des 12. Jahrhunderts – ein reines Adelsgericht, das bei Klagen um Erbe, Eigengütern und Lehensachen angerufen wurde. Ausgestattet war es mit dem Privileg "de non evocando", was bedeutete, dass ein Rechtsstreit nur vor dem landesherrlichen Gericht ausgetragen werden konnte. Zuständig war es für das gesamte Bistum und Herzogtum, d.h. es verfügte letztendlich über das Monopol in der Rechtssprechung.
Landrichter war der Bischof als Territorialherr bzw. der von ihm stellvertretend ernannte Domherr. Er führte den Vorsitz, ihm assistierte ein Landschreiber. Das Gericht tagte ursprünglich im sogenannten Saal im Kürschnerhof, später in der fürstlichen Kanzlei vor dem Dom. Es umfasste sieben sogenannte Urteiler, dies sollten "zum Wappen geborene Ritter", also Adlige sein.
Laufende Gerichtsverhandlung
Die Abbildung einer Landgerichtssitzung von 1520 vermittelt einen aufschlussreichen Eindruck von einer Sitzung dieses Gerichtes bei einer mündlichen Verhandlung. Wir sehen oben an der Wand sitzend den präsidierenden Landrichter, nämlich den Domkanoniker Weiprecht von Grumbach, der als Zeichen seiner Autorität den Gerichtsstab hält, rechts hinter ihm das Amtswappen des Fürstbischofs Konrad von Thüngen (1519 – 1540). In dessen Namen leitet Grumbach die Verhandlung dieses weltlichen Gerichts.

Ein weiterer Domkanoniker steht links oben hinter der Gerichtsschranke, in der Hand ein Schriftstück, möglicherweise handelt es sich um ein urkundliches Beweisstück des Klägers. Unten vor den Schranken rechts am Tisch spricht in grauem Gewand, einer Robe, mutmaßlich ein Gegenredner oder Streitgenosse. Alle Redner und Mitkläger sollten nach der Landgerichtsordnung von 1512 außerhalb der Gerichtsschranken stehen.
Rechts oben am Tisch ist der Landschreiber namens Johann Reukauff abgebildet, er führt das aufgeschlagene Protokoll, neben ihm sitzen die sieben adligen Beisitzer, die jeweils durch ihre Wappen gekennzeichnet sind. Es handelt sich um die Schöffen. Die Verhandlungen fanden wohl, wie es die Zuschauer mit Frauen, Kind und Hund außerhalb der Schranken nahelegen, öffentlich statt.
Das Landgericht verhandelte zivilrechtliche Verfahren
Alle Korrespondenzen des Landgerichts mussten vom Landschreiber persönlich unterschrieben sein. Wurden Urteile angefochten, so ging der Rechtszug an die Räte des Fürsten oder den Fürstbischof selbst. Landrichter war in der Regel ein adliger Domherr. Auch die Beisitzer sollten adlige Stiftsgenossen sein, die Wappen bestätigen dies.
Das Landgericht war im späten Mittelalter kein Standesgericht. Inhaltlich ging es um zivilrechtliche Verfahren, vereinzelt wurde auch über Lehenstreitigkeiten entschieden. Im Vordergrund standen Acht- und Anleiteverfahren, Erbrecht, Eherecht, Personen- und Vermögensrecht, insbesondere Immobiliarprozesse. Neben dem Adel standen als Kläger vor diesem Forum Bürger, Bauern, Geistliche und Laien, auch die Juden.

Ohne Siegel keine Rechtskraft
Das schriftlich fixierte Urteil war nur mit Siegel rechtskräftig. Zur Sicherheit wurden die Entscheidungen auch in den Gerichtsprotokollen festgehalten. Den Typar, den metallenen Gerichtssiegelstempel, führte und verwahrte der Landrichter selbst, bei Abwesenheit auch der Landschreiber. Gesiegelt wurde mit einem Rundsiegel, das die Gerichtshoheit der Würzburger Kirche und des Herzogtums Franken zum Ausdruck bringt.
Als Sinnbild des obersten Gerichts war es somit kein persönliches, sondern ein institutionelles Siegel. Es stellt den auf einem mit Tierköpfen geschmücktem Faltstuhl thronenden Bischof St. Kilian dar, seine Rechte hält das erhobene Schwert, seine Linke umgreift den Bischofsstab. Die äußere Umschrift zeigt die Worte: HERBIPOLIS SOLA IUDICAT ENSE – STOLA ("Würzburg allein richtet mit Schwert und bischöflicher Stola"). Das Schwert symbolisiert die Rechtssprechungshoheit und die Waffenbefugnis, die Stola das Bischofsamt. Die innere Umschrift – S[IGILUVM] PROSCRIPTIONIS EPI[SCOPI] HERBIPOLENSIS - verweist auf die weitere Funktion des Siegels als sogenanntes Achtsiegel, genutzt bei Achturteilen des Landesherrn, die den Betroffenen, falls er sich den richterlichen Entscheidungen nicht fügte, für fried- und rechtlos erklärten.