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Würzburg
Würzburger Lufthansa-Pilot fliegt Corona-Schutzkleidung aus China ein
Wenn Lufthansa-Pilot Wolfgang Hanft dieser Tage startet, sind die Sitzreihen im Airbus hinter ihm leer. Denn er transportiert nicht Menschen, sondern lebenswichtige Fracht.
Lufthansa-Kapitän Wolfgang Hanft ist froh, mit den Transportflügen von Schutzkleidung helfen zu können.
Foto: Wolfgang Hanft / Lufthansa | Lufthansa-Kapitän Wolfgang Hanft ist froh, mit den Transportflügen von Schutzkleidung helfen zu können.
Kirsten Mittelsteiner
Kirsten Mittelsteiner
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:34 Uhr

Normalerweise sitzen hinter Flugkapitän Wolfgang Hanft in der Kabine des Airbus 330 rund 250 Passagiere in Vorfreude auf ihre Ziele in fernen Ländern. Aber was ist in Zeiten der Corona-Krise schon normal? Nichts. Auch nicht für einen Piloten der Lufthansa-Flotte Airbus 330 / 340, der auf 41 Jahre Berufserfahrung zurückblickt. Bei seinem jüngsten Flug vor wenigen Tagen nach China herrschte hinter Hanft im Rumpf des zweistrahligen A 330 gähnende Leere. Die Sitze verwaist, vorsorglich mit Plastikfolien überzogen, für den Fall, dass auch im Passagierbereich Ladung transportiert werden musste.

Der Würzburger transportierte mit einer Crew bestehend aus drei weiteren Piloten und drei Flugbegleitern dringend benötigte medizinische Schutzkleidung von China nach Deutschland. Der Innenraum blieb auch auf dem Rückflug leer, denn wie viel Ladung am Ende tatsächlich anfiel, zeigte sich erst vor Ort. In Shanghai warteten zwölf Tonnen Schutzkleidung auf den Transport, unter anderem zwei Millionen Masken. Maximal sind bei diesen Flügen bis zu rund 30 Tonnen Fracht möglich, abhängig von der Dichte der Güter.

Freude und Bestürzung

Der jüngste Flug von Wolfgang Hanft führte von Frankfurt zunächst nach Seoul, wo wegen der strengen chinesischen Quarantänebestimmungen übernachtet wurde, dann weiter nach Shanghai, wo geladen wurde, und dann zurück. Wegen der langen, 18-stündigen Flugdienstzeit (so der Fachbegriff, der auch Laden und Kontrollen beinhaltet) von Seoul nach Frankfurt müssen vier Piloten an Bord sein.

Dass Hanft zum Einsatz kommt, hat er seiner Lizenz für den A 330 / 340 zu verdanken. Diese Flotte wird dank der besseren Wirtschaftlichkeit im Vergleich zum A 380 oder der Boeing 747 zur Zeit für den Frachttransport verwendet. Die Cargo-Kapazitäten reichen im Augenblick bei weitem nicht aus, denn in normalen Zeiten werden 50 Prozent des Frachtaufkommens auf Passagierflügen mitbefördert, was aber im Augenblick nicht möglich ist, weil es im Moment keine Passagierflüge gibt.

Gespenstische Stille

"Ich freue mich sehr, diese Flüge machen zu können": Für Wolfgang Hanft ist es jedes Mal wieder ein erhebendes Gefühl, das Flugzeug mit dem Kranich im Logo gen Himmel zu steuern. Auch nach gut 25 000 Flugstunden, in denen er unzählige Ziele auf der ganzen Welt angeflogen hat. Aber diesmal kommt zum Gefühl der Freude große Bestürzung angesichts der zerstörerischen Kombination aus Reiseverbot und Wirtschaftskrise.

"Das ist ein singuläres Ereignis von bedrückendem Ausmaß", sagt Hanft, "und ein dramatischer Einschnitt in der Luftfahrt." Da kam die Suche nach Freiwilligen für diese Transportflüge gerade recht. "Es ist befriedigend, helfen und wenigstens einen kleinen Beitrag leisten zu können", erklärt er, wenngleich die Situation insgesamt belastet. Dieses Gefühl begleitet Hanft während des gesamten Fluges.

Thema Fluglizenz

"Das permanente Gequassel auf den Ohren fehlt", verdeutlicht er die Einsamkeit am Himmel. In der Regel befinden sich zehn bis 15 Maschinen im gleichen Korridor, die alle miteinander über Sprechfunk in Kontakt stehen. Und im Augenblick? "Gespenstische Stille", beschreibt  Hanft. Wie auch am Boden. Wo sonst am größten deutschen Flughafen geschäftiges Treiben herrscht, ist derzeit kaum etwas in Bewegung. Leere Terminals, kein Warten auf Starts und Landungen oder freie Haltepositionen. Und dann der Anblick der flügellahmen Flotte, geparkt auf einer der Landebahnen. "Da blutet das Herz", erklärt der 63-Jährige, für den das Fliegen nicht nur Beruf, sondern große Leidenschaft ist.

Ein weiteres großes Problem neben den immensen wirtschaftlichen Einbrüchen für das größte deutsche Luftfahrtunternehmen, dessen Zahl der Flüge im Vergleich zum Vorjahr auf rund fünf Prozent abgesackt ist, besteht für die Piloten in der Erhaltung ihrer Fluglizenz. Sie ist für ein halbes Jahr gültig. Für ihren Fortbestand müssen die Piloten binnen 90 Tagen drei Starts und drei Landungen durchführen. Nicht möglich in diesen Zeiten. Deshalb steht ab Mai und Juni vermehrtes Simulator-Training auf dem Programm. "Es wird lange dauern, bis sich die Lage normalisieren wird", vermutet der Würzburger – froh, in Kürze zu seiner nächsten Mission "Transport von Schutzkleidung", diesmal über Seoul nach Nanjing aufbrechen und damit einen weiteren Beitrag leisten zu können.

Frachtflüge in Corona-Zeiten
Derzeit bedienen die 17 Frachtflugzeuge von Lufthansa Cargo planmäßig Shanghai, Peking, Chendgu sowie die Sonderverwaltungszone Hongkong insgesamt 20 mal wöchentlich. Hinzu kommen abhängig von den Buchungen bis zu fünf Flüge täglich mit Passagierflugzeugen als Frachtmaschinen. Das Unternehmen übernimmt den Transport der Güter von einem Flughafen zu einem anderen. Davor und danach sind Speditionen in der Lieferkette, die die Frachtfluglinie beauftragen und bezahlen.
 
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