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Würzburg
Würzburger Historiker: Mondlandung war für Medien inszeniert
Die ersten Menschen auf dem Mond: 1969 ein propagandistischer Coup der USA im Wettlauf mit den Sowjets. Der Würzburger Historiker Peter Hoeres sagt: So war's gedacht.
Die Mondlandung im Juli 1969: Aus Sicht von Geschichtswissenschaftler Peter Hoeres inszeniert vor allem als Medienereignis.
Foto: Johannes Kiefer | Die Mondlandung im Juli 1969: Aus Sicht von Geschichtswissenschaftler Peter Hoeres inszeniert vor allem als Medienereignis.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:26 Uhr

Die USA führen Krieg in Vietnam, im eigenen Land gibt es Rassenunruhen und Aufstände für mehr Gleichberechtigung, durch die Kuba-Krise droht die Gefahr eines dritten Weltkriegs: Die 1960er Jahre sind politisch bewegt und gekennzeichnet vom Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion. Und die beiden Supermächte führen ihn auch außerhalb der Erde: Der Wettlauf ins All wird ein ideologischer Wettkampf der Systeme. Der Zeithistoriker Peter Hoeres, Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte an der Uni Würzburg, hat sich das Jahrzehnt der Mondlandung und die politischen Triebkräfte der Raumfahrt genauer angeschaut.

Frage: Die ersten Menschen auf dem Mond – war der wissenschaftliche Erfolg größer oder der propagandistische?

Peter Hoeres: Wissenschaftlich war die Mission kaum definiert, sie war auch nicht wie erhofft von militärischer, sondern primär von symbolischer Bedeutung. Militärisch war sie ursprünglich motiviert, weil die USA eine Bedrohung durch Interkontinentalraketen fürchteten und nach Abwehrmöglichkeiten suchten. Und symbolisch ging es natürlich um den Wettkampf der Systeme. Die Amerikaner standen unter Druck.

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Warum?

Hoeres: Beim Wettlauf ins All, dem „space race“ hatten die Sowjets vorgelegt – 1957 durch den Sputnik-Satelliten und 1961 mit Juri Gargarin als dem ersten Menschen im Weltall. Deshalb gab US-Präsident Kennedy in der berühmten Rede an die Nation 1961 das Ziel aus, noch innerhalb der Dekade auf den Mond und zurück zu fliegen.

Man spricht gerne vom Sputnik-Schock 1957. War es wirklich dieser "Schock", weil man die Sowjets unterschätzt hatte?

Hoeres: Die Sowjets hatten 1949 gegenüber den USA als Atommacht nachgezogen, das war bereits gravierend. Und Sputnik, als Erdsatellit mit einer Interkontinentalrakete in die Umlaufbahn befördert, war dann tatsächlich eine Überraschung. Als unmittelbare Reaktion darauf wurde 1958 die NASA gegründet.

Kampf der Systeme im Weltall: Geschichtsprofessor Peter Hoeres beleuchtet das politische Umfeld der Mondlandung 1969.
Foto: Johannes Kiefer | Kampf der Systeme im Weltall: Geschichtsprofessor Peter Hoeres beleuchtet das politische Umfeld der Mondlandung 1969.

Wurde der Wettlauf also von den Sowjets angestoßen?

Hoeres: Das kann man so nicht sagen. Die Amerikaner hatten in der Aktion "Paperclip" direkt nach dem Zweiten Weltkrieg deutsche Ingenieure wie Wernher von Braun - Stichwort V2-Rakete, Hitlers "Wunderwaffe" - in die USA gebracht. Er hat sich dort nahtlos eingefügt und die Raumfahrt entscheidend vorangebracht. Die Russen haben den Wettlauf durch ihre Erfolge allerdings beschleunigt.

Und wurden alle Fortschritte propagandistisch ausgeschlachtet?

Hoeres: Ja, absolut. "Space" ist das wichtigste Wort in den amerikanischen Zeitungen in den 60er Jahren. Die Russen haben ihre Erfolge gefeiert, und die Amerikaner haben das sehr genau beobachtet. Es gab aus Moskau Drohungen, Interkontinentalraketen mit Atomsprengköpfen einzusetzen. Denken Sie daran: Der letzte Angriff auf amerikanisches Territorium war 1814, als die Briten das Weiße Haus niederbrannten. Die Angst, auf dem eigenen Kontinent getroffen zu werden, war sehr groß.

Und über die Raumfahrt suchte man nach Verteidigung?

Hoeres: Es gab gigantische Sciene-Fiction-Pläne über Weltraumschlachten und Abwehrschirme, was später US-Präsident Ronald Reagan mit seinem SDI-Programm auf den Weg zu bringen versuchte. Vieles war überschießende Fantasie. Es gab Romane, Spekulationen in den Medien – es war ein Riesenthema. Man dachte wirklich: Der nächste Krieg findet im Weltraum statt und nicht mehr auf der Erde.

Wenn die Mondlandung diese starke symbolische Bedeutung im Wettkampf der beiden Supermächte hatte – dann musste man sie über die Medien maximal inszenieren?

Hoeres: Es gibt sogar die These, dass die Mondlandung eigentlich nur aufs Fernsehen hin geplant war. Zumindest gab es eine enge Zusammenarbeit zwischen NASA auf der einen und RCA und Westinghouse, den zwei Fernsehproduktionsfirmen, auf der anderen Seite. Der Funkverkehr konnte ja wie Fernsehbilder live und global übertragen werden. Mit der Foto-Illustrierten "Life", vergleichbar dem deutschen "Stern" wurde eine Exklusiv-Kooperation vereinbart, um die spektakulären Bilder aus dem All zu vermarkten. Die NASA hat Millionen dafür ausgegeben. Die Mondlandung wurde auf die mediale Vermittlung hin inszeniert. Das war der Hauptsinn der Mission.

Peter Hoeres, Würzburger Professor für Zeitgeschichte, im Gespräch mit Main-Post-Redakteur Andreas Jungbauer. 
Foto: Johannes Kiefer | Peter Hoeres, Würzburger Professor für Zeitgeschichte, im Gespräch mit Main-Post-Redakteur Andreas Jungbauer. 

Nicht ohne Erfolg. Weltweit schaute eine halbe Milliarde Menschen zu.

Hoeres: Es war bis dahin das größte Medienereignis. Wobei der Ostblock keine Livebilder sendete. In China wurde gar nicht berichtet. Die ziemlich ruckligen Livebilder liefen nur im Westen.

Ist es vor diesem Hintergrund denkbar, dass die NASA bei Bildern und Berichten von der Mondlandung „nachgeholfen“ hat? Bis hin zur Verschwörungstheorie, die ganze Aktion habe nie real stattgefunden. Das hätten die Sowjets doch als Erste enttarnt, oder?

Hoeres: Nicht nur die Sowjets, auch die amerikanischen Medien. Sie sind sehr unabhängig organisiert, die kann man nicht komplett kaufen. Auch über den zeitgleich stattfindenden Vietnamkrieg haben die Medien sehr kritisch berichtet. Es waren ja Tausende von Menschen an der Apollo-Mission beteiligt. Dass sie alle in eine Verschwörung eingeweiht gewesen sein sollen, ist extrem unplausibel.

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Gab es in den 60er Jahren tatsächlich einen Wettlauf zum Mond? Hatten USA und UdSSR das gleiche Ziel?

Hoeres: Ja, aber bei diesem Rennen hinkten die Sowjets hinterher. Eine bemannte Mondlandung war für damalige Verhältnisse eine ungemein komplexe Angelegenheit. Sie brauchten ja nicht nur die Trägerrakete, sondern auch eine Landefähre, die aus der Mondumlaufbahn heraus vom Mutterschiff abkoppelte und später wieder andockte. Hier hatten die Amerikaner die Nase vorn, aber: Sie wussten nicht genau, wie weit die Sowjetunion ist. Man fürchtete, ein weiteres Mal überrascht zu werden.

Das heißt, man hatte keine Zeit zu verlieren. Man wollte so schnell wie möglich als Erster auf dem Mond landen.

Hoeres: Genau. Und gewisse Risiken nahm man dafür in Kauf. Es gab ja 1967 bei der ersten Apollo-Mission beim Brand während eines Tests sogar drei Tote.

Wie haben denn die Sowjets auf den Erfolg der Amerikaner reagiert?

Hoeres: Sie haben gute Miene zum bösen Spiel gemacht und gratuliert. Man muss sehen: In den 60er Jahren gab es bereits eine Verschiebung vom Kriegsdiskurs hin zu einem Menschheitspathos. Eine Verschiebung vom Kalten Krieg hin zur globalen Verantwortung, die die Amerikaner seit jeher für sich beanspruchen. Zwar hisste man die amerikanische Flagge, verkaufte die Mondlandung aber als Projekt für die gesamte Menschheit.

Gab es in USA eigentlich auch kritische Stimmen?

Hoeres: Es wurde damals schon viel Kritik geäußert an den Kosten des Unternehmens nach dem Motto: Lasst uns lieber die Probleme auf der Erde lösen als Milliarden Dollar in den Weltraum zu schießen. Die USA standen im Vietnamkrieg, es gab Proteste gegen die Rassendiskriminierung, für Gleichberechtigung. Mit Erreichen des Ziels der Mondlandung wurden die Gelder für die weiteren Missionen schrittweise gekürzt. 1972 betrat zum letzten Mal ein Mensch den Mond.

Legenär: 'Buzz' Aldrin steht am 21.Juli mitteleuropäischer Zeit auf der Mondoberfläche. 
Foto: Neil Armstrong | Legenär: "Buzz" Aldrin steht am 21.Juli mitteleuropäischer Zeit auf der Mondoberfläche. 

War es im All nur ein Wettlauf der beiden Supermächte oder gab es noch andere Player?

Hoeres: Zunächst waren es nur die USA und die Sowjetunion. 1970 brachten die Chinesen den ersten Satelliten in den Weltraum, die Europäer kamen mit der ESA Mitte der siebziger Jahre und den Ariane-Raketen in den 80er Jahren ins Spiel. Es war ein Duell der beiden Supermächte, nur sie konnten damals die nötigen Ressourcen aufbringen.

Und heute? Ist ein solcher Zweikampf nochmal denkbar?

Hoeres: Über die Internationale Raumstation ISS kooperieren ja alle Raumfahrtnationen. Das Demütigende für die Amerikaner ist, dass sie nach Beendigung des Space-Shuttle-Programms 2011 kein einsatzfähiges Transportmittel haben und immer auf die Russen angewiesen sind. Nur die Russen können derzeit Weltraumflüge durchführen.

Präsident Donald Trump hat die Rückkehr zum Mond angekündigt und damit neue weltumspannende Ansprüche formuliert. Könnte es doch zu einem neuen Wettlauf kommen?

Hoeres: Das ist nicht Trumps Erfindung, die beiden Ziele wurden schon länger vorbereitet: die Rückkehr zum Mond und zum anderen, jemanden zum Mars zu bringen. Die Pläne sind aber symbolisch nicht so aufgeladen wie 1969, weil man nicht genau weiß, wann eine Mission zum Mars tatsächlich realisiert werden kann. Einen Wettlauf zum Mars wie im Kalten Krieg halte ich für wenig wahrscheinlich. Allerdings könnten private Unternehmen die Führung übernehmen.

Prof. Peter Hoeres (48) hat an der Universität Würzburg seit 2013 den Lehrstuhl für Neueste Geschichte inne. Zuvor vertrat er die Professuren für Fachjournalistik Geschichte an der Universität Gießen und für Neueste Geschichte an der Gutenberg-Uni Mainz.  Seine Forschungsschwerpunkte: internationale Geschichte, Kulturgeschichte, Medien-, Wissenschafts- und Ideengeschichte. Seit 2017 gehört er dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale für Politische Bildung und seit 2018 der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an. Im September erscheint sein Buch "Zeitung für Deutschland - die  Geschichte der FAZ". Für das Projekt erhielt Hoeres als erster Wissenschaftler Zugang zu den Archivalien der einflussreichen Tageszeitung, die im November 70 Jahre alt wird.

 
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