Am Anfang stand eine Vision: Irgendwo in Würzburg sollte es einen „Freiraum“ geben, wo man sich völlig ungezwungen treffen könnte. Egal, ob man gerade Geld einstecken hat oder nicht. Egal, ob man reden, zuhören oder sich einfach nur für ein Stündchen ausruhen möchte. Vor zweieinhalb Jahren wurde die Vision Wirklichkeit: Der „Freiraum“ konnte im Inneren Graben eröffnet werden. Inzwischen ist er in der Maiergasse 2 etabliert. Als ein sehr lebendiger Ort, wo es etwas anders zugeht.
An drei Tagen – mittwochs, samstags und sonntags – hat der „Freiraum“ jeweils sechs Stunden zwischen 16 und 22 Uhr geöffnet. An den meisten anderen Tagen bespielen externe Akteure mit ihren Projekten den Raum. Dienstags treffen sich Menschen, um gemeinsam Yoga zu praktizierten und um zu meditieren, donnerstags wird „Gewaltfreie Kommunikation“ geübt, montags findet eine interkulturelle Teestube statt. „An unseren regulären Öffnungstagen kommen zwischen 5 und 20 Menschen“, sagt Dietmar Kaiser, Ideengeber des „Freiraum“ und Mitglied im „Freiraum“-Vereinsvorstand.
Dem „Konsumwahn“ eine Absage erteilen
Viele Menschen kommen her, weil sie hier kreativ sein können. Musik spielt eine große Rolle. Es gibt einen eigenen „Freiraum“-Chor, der von Simon Schellhorn, einem Profi-Musiker, geleitet wird. Jeder darf mitsingen. „Wir üben oft Volkslieder“, sagt Kaiser. Etwa „Die Gedanken sind frei“. Jeden Monat stellt ein Künstler oder eine Künstlerin aus. Aktuell sind zum Beispiel Werke von Reinhold Gröger alias „egon“ von der Würzburger Ateliergemeinschaft „Wilde 13“ zu sehen. Ab dem 1. Mai zeigen Fotos „Unorte des Kapitalismus“.
Der „Freiraum“ versteht sich als „Postwachstumsprojekt“. Was bedeutet, dass die, die hinter der Konzeption stehen, dem „Konsumwahn“ unserer Gesellschaft, der Art und Weise, wie wir, immer enger getaktet, arbeiten, sowie der Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, eine Absage erteilen. Anhänger dieser Idee versuchen, möglichst gut miteinander auszukommen, auf Augenhöhe. Egal, was jemand hat, kann oder ist. Sie wollen möglichst einfach leben. Statt zu kaufen, tauschen und teilen sie.
Tauschen statt neu kaufen
Darum gibt es im „Freiraum“ auch ein „Umsonstregal“ mit Klamotten, Büchern und anderen Sachen, woraus man sich einfach bedienen kann. „Damit wollen wir nicht Bedürftige versorgen“, betont Catrin Reimer, die sich im „Freiraum“ engagiert. Die Motivation, im Regal zuzugreifen, sollte in erster Linie der Gedanke sein, dass es schlicht nicht notwendig ist, sich ständig etwas Neues zu kaufen. Das meiste, was man im täglichen Leben braucht, ist im Überfluss vorhanden. Dennoch wird weiter produziert und konsumiert. Obwohl bekannt ist, dass wir, was den Verbrauch an Ressourcen und Umweltbelastungen anbelangt, weit über dem leben, was die Erde auf Dauer verkraften kann.
Nicht jeder, der in den „Freiraum“ kommt, teilt die Ansichten von Dietmar Kaiser und Catrin Reimer voll und ganz. Das muss aber auch nicht sein. Den beiden liegt es völlig fern, zu missionieren. Sie freuen sich über jeden, der hereinkommt. Und das sind in der Tat ganz unterschiedliche Leute. Heute sitzt Catrin Reimer mit Benedikt Seger in der Sofaecke. Der ist Entwicklungspsychologe und als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Würzburg tätig.
Veranstaltungsreihe zu „Postwachstum“ geplant
Neben ihr spielt Dietmar Kaiser mit Christian Schreiber Gitarre. Auch Schreiber ist Profimusiker. Bis zu seiner Pensionierung war er als Hornist im Philharmonischen Orchester Würzburg tätig. „Eines Tages lief ich am ,Freiraum? vorbei und sah da drin eine Gitarre liegen“, erzählt er. Er trat ein und bemerkte, dass die D-Saite fehlte: „Da kaufte ich eine.“ So kam er in Kontakt mit Kaiser. Seitdem kommt Christian Schreiber regelmäßig in den „Freiraum“ und spielt mit Kaiser Gitarre.
Um die Idee „Postwachstum“ zu erklären, organisiert der „Freiraum“ vom 1. bis zum 14. Mai das 2. Politische Labor mit Referentinnen und Referenten aus der alternativen Szene. Die Petra Kelly Stiftung ermöglicht die Veranstaltungsreihe unter dem Motto „Kooperation statt Konkurrenz und Nachhaltigkeit statt Wachstum“ durch eine Förderung in Höhe von 1000 Euro.