Planfeststellungsverfahren, Verkehrswegeplan, Vergabe- und Vertragsordnung bei Bauaufträgen (VOB): Die Liste sperriger Begriffe im öffentlichen Bauwesen ist lang. Dahinter stecken jede Menge Regularien, die bei Großprojekten zu einer Schwemme an Bauplänen und Prozessschritten führen. Die Würzburger Firma EPLASS schlägt eine Schneise in dieses Dickicht – mit ihrer gleichnamigen Software und damit einhergehenden Beratungsleistungen.
"Begonnen hat alles 1995 mit einem Ideenwettbewerb der Deutschen Bahn", erinnert sich der langjährige EPLASS-Geschäftsführer Andreas Fersch: "Für die Hochgeschwindigkeitsstrecke Nürnberg-Ingolstadt sollten rund 60 000 einzelne Teilpläne erstellt werden. Das muss man sich mal vor Augen halten." Der Konzern habe dann nach einem digitalen Prozess gesucht, um das Verfahren steuern zu können. "Bis zu diesem Zeitpunkt musste noch jeder Beteiligte auf Papier die Änderungen einzeichnen und jeden einzelnen Schritt händisch abzeichnen." Das habe natürlich zu riesigen Zeitaufschüben geführt.
Beim Wettbewerb der Deutschen Bahn gewonnen
Fersch war damals IT-Leiter der Ingenieurgesellschaft Seib Ingenieur Consult, die ihren Sitz an der Grombühlbrücke hatte. In dieser Funktion bewarb er sich mit dem selbst entwickelten Planmanagementsystem EPLASS bei dem Bahn-Wettbewerb – und gewann. "Daran hing ein riesiger Auftrag, weshalb Hans Seib und ich eine eigene Firma gründeten", erklärt Fersch, der in Greußenheim wohnt. Der heute 80-jährige Seib zog sich 2008 zurück, seither führt Fersch die stark wachsende Firma allein. 2015 folgte der Umzug in das Novum-Gebäude zwischen Schweinfurter Straße und Pleichach.
- Lesen Sie auch: Cloud-Computing hilft der Umwelt
Die Deutsche Bahn ist dem Unternehmen als größter Kunde treu geblieben. "Aktuell haben wir 62 Projekte mit der Bahn am Laufen. Wir haben EPLASS häufig nach den Bedürfnissen der Bahn weiterentwickelt", erzählt Fersch. So war die Firma unter anderem auch am Projekt Berliner Hauptbahnhof und dem Megaprojekt Stuttgart 21 mit beteiligt. Die Internationalisierung ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten. Schon 2000 waren die Würzburger beim Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke quer durch Taiwan mit an Bord. "Wir haben die deutschen Baufirmen Hochtief und Max Bögl um die Welt begleitet", erzählt Projektmanagerin Marzi Strutzke.
Von Schottland bis Katar
Die Schrägseilbrücke Queensferry Crossing in Schottland, das Nationalstadion in Bukarest, die Doha-Metro oder zwei Kraftwerke in Chile: Sie alle wurden mit EPLASS abgewickelt. "Unser beeindruckendstes Projekt war die 8,6 Kilometer lange, überdachte Einkaufsstraße 'Barwa Commercial Avenue‘ in Katars Hauptstadt Doha", berichtet Strutzke, eine gebürtige Kanadierin. "Barwa besteht aus fünf einzelnen Gebäuden und hat 920 000 Quadratmeter Geschossfläche." Die Bauzeit betrug vier Jahre, ehe die Shopping-Mall 2012 durch Hochtief übergeben worden sind. Wieder übernahm EPLASS die Steuerung der Planungsabläufe im Hintergrund.
"Wir haben Cloud-Computing (Anmerk. d. Red.: IT-Infrastruktur, die beispielsweise über das Internet verfügbar gemacht wird), schon gemacht, als es diesen Begriff in der IT noch gar nicht gab", unterstreicht Fersch, der 2010 eine strategisch bedeutsame Entscheidung getroffen hat. Mit EPLASS ist er unter das Dach des vermeintlichen Münchner Konkurrenten Thinkproject geschlüpft. "Wir ergänzen uns perfekt. Thinkproject ist eher im Hochbau aktiv, wir machen hingegen nach wie vor große Infrastrukturprojekte." Eine Zeit lang fokussierte sich EPLASS auf den deutschen Markt, "weil hier unheimlich viel gebaut worden ist und immer noch wird".
Guter Ruf auch im Ausland
Zu den Projekten in der Region, die einen EPLASS-Stempel haben, gehören beispielsweise der A3-Katzenbergtunnel mit dazugehöriger Heidingsfelder Brücke, die A7-Brücken-Erneuerungen über das Pleichach- und Kürnachtal sowie der in diesem Sommer als Public-Private-Partnership-Projekt gestartete Teilausbau der A3 zwischen Biebelried und Fürth/Erlangen.
Mittlerweile hat sich die IT-Beratungsfirma auch ohne die großen Baufirmen einen guten Ruf im Ausland aufgebaut, so dass sie dort eigenständig auftritt. "Die Deutsche Bahn gilt europaweit als vorbildlich, was ihre Bauprojekte angeht. So klopfen immer wieder auch europäische Gesellschaften bei uns an", berichtet Marzi Strutzke.
Beim kürzlich begonnenen Ausbau der Zugstrecke Dresden-Prag ist EPLASS mit von der Partie – sowohl für die Deutsche Bahn auf der einen als auch die tschechische Gesellschaft auf der anderen Seite der Grenze. Bei der Fehmarnbeltquerung zwischen Deutschland und Dänemark ist man mit der eigenen Muttergesellschaft beteiligt. Kürzlich konnten die Würzburger erstmals Projekte in Österreich an Land ziehen.
Was steckt hinter dem System EPLASS?
Aber was genau steckt eigentlich hinter dem System EPLASS? "Letztlich automatisieren und steuern wir mit unserer Software das Plan- und Dokumentenmanagement selbst hochkomplexer Projekte, sodass jeder einzelne Schritt auch im Nachgang nachvollziehbar bleibt", erklärt Fersch. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um das erste Planverfahren oder die finale Realisierung des Bauvorhabens handele. Über all die Jahre habe man sich ein großes Know-How bei Bauprojekten angeeignet, so dass man auch kompetent beraten könne. "Software as a Service" sei das große Stichwort. Der neueste Trend in diesem Bereich ist BIM, Building Information Modeling. "Bauprojekte könnten heutzutage drei-, vier- oder gar fünfdimensional geplant werden."
Unter den rund 50 Mitarbeitern bei EPLASS sind viele Bauingenieure und IT-Experten, die Firma bildet auch selbst aus. Von der Corona-Krise hat die Firma sogar profitiert: Die meisten Bauprojekte liefen weiter – und plötzlich waren händeringend gesuchte Fachkräfte auf dem Markt. Fersch, der nach eigener Aussage der Statur von Reiner Calmund nahekommt und sportbegeistert ist, macht eine Aussage des Fußballmanagers zu seinem Motto: "Kompetenz und Leidenschaft ist die Formel zum Erfolg." Allein Wissen reiche nicht aus, findet er: "Es braucht auch Enthusiasmus für die Arbeit."