zurück
WÜRZBURG/KARLSRUHE
Würzburger Finanzjongleure kriegen keine neue Prozess-Chance
Frankonia-Prozess       -  Kurz vor dem Urteilsverkündung im Würzburger Frankonia-Prozess.
Foto: Manfred Schweidler | Kurz vor dem Urteilsverkündung im Würzburger Frankonia-Prozess.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:38 Uhr

Gute Nachricht für Tausende betrogener Deltoton- und CSA-Kunden, aber schlechte für die verurteilten Millionenbetrüger vom Beton-Ei in Dettelbach (Lkr. Kitzingen): In einer wegweisenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das Urteil des Landgerichts Würzburg gegen Drahtzieher bei Schwindelgeschäften der Frankonia-Gruppe endgültig für richtig befunden. Die verurteilten Manager müssen nun jahrelange Haftstrafen absitzen - und weitere Verdächtige müssen um ihre Freiheit zittern.

In allen Punkten gehalten

Am Mittwoch machte die seit Wochen erwartete Nachricht aus Karlsruhe im Landgericht Würzburg wie ein Lauffeuer die Runde: Der BGH hatte das Würzburger Urteil in allen Punkten gehalten. Der vorsitzende Richter der Wirtschaftstrafkammer Reinhold Emmert sagte auf Anfrage: „Es freut uns natürlich, dass der Bundesgerichtshof in der Beurteilung der Rechtslage zum gleichen Ergebnis kommt wie wir.“ Er war sich bereits zuvor dessen bewusst gewesen, mit dem mutigen Urteil juristisches Neuland beackert zu haben, um Anlage-Berater stärker in die Haftung zu nehmen. Zu Einzelheiten äußerte er sich zunächst nicht. Die Verteidiger wollten das Urteil auf Anfrage zunächst nicht kommentieren, sondern zuerst mit ihren inhaftierten Mandanten sprechen.

Geschäfte mit der Angst vor Altersarmut

In dem bundesweit beachteten Verfahren gegen ehemalige Weltklassefechter und ihre Komplizen bei der Firma Frankonia (später Deltoton und CSA) in Würzburg war es um dubiose Finanzberatung auf Kosten von 25 000 Anlegern mit kleinem Einkommen gegangen. Die Finanzjongleure hatten ihre Geschäfte mit der Angst kleiner Leute gemacht, mit der staatlichen Rente im Alter nicht genügend abgesichert zu sein. Sie versprachen eine private Altersabsicherung mit hohen Zinsen.

Inzwischen können 25 000 kleine Sparer nur noch hoffen, dass Insolvenzverwalter Markus Schädler ihnen wenigstens einen Teil des Geldes wiederbeschafft. Das Landgericht sah es als bewiesen an, dass ein Großteil der Millionen gar nicht investiert, sondern von Firma zu Firma geschoben wurden – und dann in die Tasche der Verurteilten.

Im nicht verjährten Zeitraum von fünf Jahren schätzt das Gericht den angerichteten Schaden strafrechtlich allein auf etwa 50 Millionen Euro, Davon soll CSA-Fondsmanager Slobodan Cvetkovic für den Löwenanteil von über 30 Millionen verantwortlich sein. Wirtschaftlich liegt der Schaden nach Angaben von Experten im dreistelligen Millionenbereich.

Hohe Haftstrafen

Die Wirtschafts-Strafkammer des Landgerichts hatte im Frühjahr 2016 Cvetkovic wegen Untreue und Betruges für zehneinhalb Jahre ins Gefängnis geschickt. Der frühere Weltklasse-Fechter Thomas Gerull wurde zu acht Jahren, sein Zwillingsbruder Michael zu sieben Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Weitere Verantwortliche hatten Haftstrafen ab dreieinhalb Jahren kassiert.

Während sich andere Gerichte jahrelang mit vergleichbaren Fällen quälen (wie kürzlich bei S & K in Frankfurt oder beim Eliog-Prozess im thüringischen Mühlhausen - jeweils ebenfalls mit unterfränkischen Angeklagten), war das Würzburger Gericht bereits nach drei Monaten zu einem Urteil gekommen. „Die Beweislage war erdrückend“, machte Richter Emmert in der Urteilsbegründung den Angeklagten klar. „Ohne Ihre Geständnisse wäre es noch wesentlich schlimmer gekommen.“

Angeklagter zerknirscht

Einer der Verurteilten, der mit dem Geld der Anleger sein Luxusleben bezahlt hatte, sagte zerknischt im Prozess: „Menschen wie uns sollte es untersagt sein, Anlegergelder zu verwalten.“ So viel Einsicht war nicht von allen Angeklagten zu hören, die sich teilweise erst unter dem Druck der von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Beweislage zu Geständnissen gequält hatten.

Damit hatten die Angeklagten wohl auf mildere Urteile gehofft. Nach dem Urteil vom Frühjahr 2016 bezweifelten die Verteidiger Teile der Strafzumessung – besonders die vom Gericht unterstellten Scheingeschäfte. Deshalb hatten sie sich nach Karlsruhe gewandt, in der Hoffnung auf ene zweite Prozess-Chance. Aber auch die Staatsanwaltschaft erhoffte sich von dort grundsätzliche Hinweise auf die Mitverantwortung weiterer Tatverdächtiger, gegen die sie ermittelt.

Würzburger Urteil mit Signalwirkung

Nur selten war in Würzburg einer BGH-Entscheidung so entgegen gefiebert worden. Es ging nicht nur um den bedeutendsten Wirtschaftsprozess in Unterfranken der vergangenen Jahre. Das Urteil setzte über Würzburg hinaus Signale: Denn mit der Bestätigung druch den BGH nimmt es Finanzjongleure stärker als bisher in die Pflicht, für ihr Handeln und ihre Versäumnisse auf Kosten der Investoren bei Scheingeschäften den Kopf hin halten zu müssen.

Nun müssen mindestens weitere fünf Tatverdächtige mit den Folgen ihres Tuns rechnen. Manche gaben mit Experten-Gutachten den Finanzvorschlägen der Deltoton- und CSA-Finanzberater eine ehrlichere Fassade. Andere warben dafür, indem sie auf Fotos im Hochglanz-Prospekt für einen CSA-Fonds neben Prominenten wie Ex-Bundeswirtschaftsminister Günther Rexroth, IOC-Präsident Thomas Bach oder Baden-Württembergs früherem Landesvater Lothar Späth posierten und ihren Kunden versicherten: Für die Seriosität der Geschäfte „stehen wir mit unserem Namen“.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Manfred Schweidler
Bundesgerichtshof
Kriminalität
Landgericht Würzburg
Lothar Späth
Stiftung Warentest
Thomas Bach
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • ra.kellermann@gmx.de
    endlich mal Recht (!) gesprochen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten