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WÜRZBURG
Würzburger CSU-Mann hadert mit Flüchtlingspolitik seiner Partei
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:51 Uhr

Man muss sie suchen, aber es gibt sie: Mandatsträger der CSU, die die restriktive Flüchtlingspolitik der Partei, allen voran die oft sehr harsche Sprache von Markus Söder und Andreas Scheuer ablehnen. Die – kaum zu glauben – Bundeskanzlerin Angela Merkel für die richtige Frau am richtigen Platz halten. Und das dann auch öffentlich sagen. Thomas Schmitt (59) ist einer von ihnen. Der langjährige Geschäftsführer des Diakonischen Werks in Würzburg und heutige Außenbeauftragte der Rummelsberger Diakonie ist CSU-Mann mit Herzblut. Nach beruflichem und politischem Engagement in Sachsen kam er Ende der 90er Jahre zurück in seine Heimatstadt Würzburg. Seit 2002 sitzt er dort im Stadtrat, von 2008 bis 2014 war er CSU-Fraktionschef. Von seiner Parteispitze fordert er heute: „Rhetorisch abrüsten und moralisch aufrüsten.“

Altvordere wie Ex-Parteichef Theo Waigel, Ex-Fraktionschef Alois Glück, Ex-Minister Hans Maier oder auch der frühere Landtagspräsident Johann Böhm aus Unsleben (Lkr. Rhön-Grabfeld) hatten bereits vor Monaten Mäßigung im Umgang mit Asylsuchenden und der Schwesterpartei CDU angemahnt. Genutzt hat es wenig. Die CSU hat den Ton zuletzt weiter verschärft: Flüchtlinge sollen schneller nach Afghanistan und in den Irak zurückgeschickt werden, die Einwanderung soll auf Menschen christlich-abendländischer Kultur beschränkt, die Burka verboten, die doppelte Staatsbürgerschaft abgeschafft und der Familiennachzug beschränkt werden. Und was Merkel betrifft, da treiben Horst Seehofer und Co. weiter ein unwürdiges Katz- und Mausspiel.

Gebot der Menschlichkeit

Thomas Schmitt hat bereits am 6. September 2015, unmittelbar nachdem die Bundesregierung sich bereit erklärt hatte, die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge einreisen zu lassen, und es erste Kritik aus Bayern gab auf Facebook geschrieben: „Meine liebe Partei, es ist ein Gebot der Menschlichkeit, die aktuelle Not der Flüchtlinge in Budapest zu beenden...“ Den Vorwurf, Merkel habe die Grenzen geöffnet, mag Schmitt nicht teilen.

„Nach meinem Verständnis gibt es im Schengen-Raum keine Grenzen.“ Freizügigkeit im Inneren sei einer der Grundwerte, für die er als überzeugter Europäer einstehe, so Schmitt. „Abschottung a la Orbán“ sei das Gegenstück. Europa müsse sich entscheiden, welchen Weg es auf Dauer gehen möchte. Schmitt fürchtet, dass die Gemeinsamkeiten weniger werden. „Dabei kann das in der globalisierten Welt niemand wollen.“

Klar seien etwa bei der Registrierung von Flüchtlingen Fehler gemacht worden, räumt Schmitt ein. Auch habe man sich die Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt zu einfach vorgestellt. Aber die Probleme seien lösbar, gerade auch weil sich so viele Menschen engagieren. Von der Politik dürften die Helfer dabei Zuspruch und Unterstützung erwarten. „Da sagt niemand, wir schaffen das nicht. Die Leute wollen anpacken, sie sind höchst motiviert.“

Treffen mit Seehofer

So hat es der Liebe von Schmitt zur CSU dann auch einen ziemlichen Knacks versetzt, als Thomas Kreuzer, der Fraktionschef im Landtag, beim „Politischen Ascherdonnerstag“ in Würzburg die Flüchtlingshelfer von München abfällig „Bahnhofsklatscher“ nannte. „Meine Töchter waren dabei“, sagt Schmitt. „Ich stehe loyal zur CSU, aber ich erwarte auch von anderen, dass sie das ,C' im Partei-Namen ernst nehmen.“ Entsprechend aufgerüttelt, vermittelten fränkische Parteigrößen ein Treffen kirchlich engagierter Christsozialer mit Seehofer. Schmitt war dabei.

Über die Gesprächsinhalte habe man Vertraulichkeit vereinbart. Daran hält sich der 59-Jährige. Er mag den Ministerpräsidenten, sieht auch dessen Nöte, den Einfluss der CSU auf Bundesebene dauerhaft zu sichern. Aber für die absolute Mehrheit in Bayern Werte wie das Asylrecht („Die Verfassung kennt keine Obergrenze. Was machen wir mit dem 200 001. Asylsuchenden?“) oder die Religionsfreiheit in Frage zu stellen, dieser Preis ist ihm zu hoch. Bethlehem, der Geburtsort von Jesus, „ein urchristlicher Ort“ liege heute im arabischen, muslimisch geprägten Palästina.

„Das ist Globalisierung, Kulturräume lassen sich heute nicht so einfach fassen“, sagt er zu den CSU-Plänen, Zuwanderer anhand ihrer Herkunft auszuwählen. Nächstenliebe dürfe nicht von der Religionszugehörigkeit abhängen.

Kompliment „Gutmensch“

Den Vorwurf, ein „Gutmensch“ zu sein, empfindet Schmitt als Kompliment. Naiv aber ist er nicht. Denn natürlich erlebt auch er in seinem Umfeld, wie die Skepsis gegenüber Flüchtligen zugenommen hat. Aber diese Stimmung einfach nur aufzunehmen, sei keine verantwortungsvolle Politik. Vielmehr müsse man der Polarisierung entgegenwirken. Er, so Schmitt, halte es da mit CSU-Urvater Franz Josef Strauß, von dem die Weisheit stammt: „Man muss dem Volk aufs Maul schauen, aber man darf ihm nicht nach dem Mund reden.“ Insofern gelte es, den Menschen in Bayern zu erklären, dass sich die Gesellschaft verändern wird, so wie sie sich die Jahre über immer wieder – „zum Guten“ – verändert hat. Als „erfolgreichste Partei in Europa“ könne die CSU dies mit viel Selbstbewusstsein tun.

Dass bei der Integration noch viel zu tun bleibt, weiß Schmitt aus eigener Erfahrung. Er sieht sich als „Pragmatiker mit Herz“. Die Rummelsberger Diakonie, sein Arbeitgeber, hat allein 600 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge in der Obhut. „Da erlebt man die Nöte jeden Tag, aber auch die Hoffnungen.“ Schmitt lässt sich seine Zuversicht nicht nehmen. Er hadert mit der CSU, aber er wird ihr nicht den Rücken kehren. In der Minderheit zu sein, diese Erfahrung kennt er, sie hat ihn nachhaltig politisiert. Als er 1972 bei einem Schülertreffen erlebte, wie 400 junge Menschen die Niederlage von CDU/CSU-Kandidat Rainer Barzel beim Misstrauensvotum gegen SPD-Kanzler Willy Brandt bejubelten, habe er sich entschieden, so erzählt es Schmitt, politisch aktiv zu werden – auf Seiten der Verlierer. Wenig später sei er der Jungen Union beigetreten.

Boykottdrohung

Als kürzlich die Nachricht die Runde machte, Horst Seehofer boykottiere den CDU-Parteitag im Dezember, reise aber zu Putin nach Moskau, da drohte der Würzburger, falls es so komme, werde er bei den kommenden Wahlen sämtliche Infostände seiner Partei boykottieren. „Dafür stelle ich mich nicht mehr hin“, schrieb Thomas Schmitt bei Facebook. Seehofer hat den Besuch bei Putin mittlerweile abgesagt.

 
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Kommentare
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  • post@herbertstapff.de
    noch in der CSU und warum noch im Stadtrat Würzburg? Gibt die MainPost nun jedem Stadtrat eine Seite, um sich zu profilieren?
    Und nebenbei: Warum nimmt die Kirche des Herrn Schmitt weder Flüchtlinge auf noch finanziert die Kostenlawine mit?
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  • Lebenhan1965
    Haben Sie den Artikel nicht gelesen?
    Die christlichen Kirchen finanzieren sehr wohl mit und bringen auch Flüchtlinge in kirchlichen Einrichtungen unter.
    Wer anderes behauptet diffamiert nur.
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  • andreas.brauns@auge.de
    ... das manche Leute mal "einschalten" sollten, bevor sie "hate speech" von sich geben.
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  • Fr-goetz@t-online.de
    ...Herr Schmitt anderer Meinung ist wie sein Minister!
    Es ändert auch da nichts, dass sie mit ihrer Meinung gegen des Volkes Willen regieren wollen! 82 % der Deutschen wollen eine andere Politik wie Merkel!
    Das muss auch die CSU respektieren, ansonsten kann man diese Partei nicht wählen!
    "Die Mehrheit wird am Ende der Schlacht gezählt"!
    Herr Schmitt wäre für mich kein "Volksvertreter"!
    Wir wählen ein Parteiprogramm, keine Personenmeinung und kein Herrn Schmitt!
    Der hat sich ohnehin durch die Partei dort hochgemogelt!
    Mit seinen Namen hätte er nichts erreicht!
    Das nötige Programm wo wir derzeit brauchen, hat die CDU/CSU nicht! Also nicht wählbar!
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  • evi.schmitt@gmx.de
    ... werden in Kommunalwahlen Persönlichkeiten gewählt, die auf der Liste (Wahlvorschlag) einer Partei oder Wählervereinigung kandidieren. Parteiprogramme haben längst nicht die von Ihnen unterstellte Bedeutung.
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  • marent1@hotmail.de
    täte gut: Die CSU verlassen! Wenn die Asylpolitik Herrn Schmitt tatsächlich so unerträglich ist, dass es eine ganze Seite darüber geben muss, dann gibt es doch nur ein Konsequenz: Diese derzeit zutiefst unchristliche C-Partei verlassen.
    Denn ein Seehofer wird sich nicht von einem Schmitt umstimmen lassen, das schaffen andere schon nicht....
    Strebt Herr Schmitt ein neues Amt an oder was ist plötzlich los? das Wort "Gutmensch" hat er früher selbst verächtlich im Stadtrat anderen entgegengeschleudert...
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