Fünf Meter nimmt sich der Schweinfurter Spieler Platz auf dem Spielfeld. Dann sprintet er los, nutzt den Schwung und feuert den Cricketball, der minimal größer ist als ein Tennisball, dafür steinhart, in Richtung des Gegners. Auf dem sogenannten Pitch springt er einmal auf, dann trifft Lengfelds Kapitän Mehram Shah den Ball mit seinem Schläger und befördert ihn raus ins Feld. Cricket kann am ehesten mit der Sportart Baseball verglichen werden. In Lengfeld spielen sie mittlerweile in der Bundesliga und im Vorbereitungsspiel gegen das Team aus Schweinfurt lagen sie am Ende vorne.
"Ohne Wolfgang ginge es nicht". Das weiß innerhalb des Lengfelder Cricket-Teams jeder. Wolfgang Merz ist Abteilungsleiter Cricket beim TSV Lengfeld. 2016 hat er die Abteilung gegründet, ohne jemals selbst Cricket gespielt zu haben. Der Grund dafür war die große Flüchtlingsbewegung. In der Kürnachtalhalle in Lengfeld kamen damals viele Flüchtlinge aus Afghanistan unter, die alle in ihrer Freizeit Cricket spielten. Denn in ihrer Heimat und im benachbarten Pakistan, wo viele der Jungs herkommen, ist Cricket Volkssport. "So beliebt, wie hier Fußball", erzählen sie begeistert.
In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom, der sicherlich auch in der Flüchtlingsbewegung begründet ist. Die Zahl der aktiven Spieler im Deutschen Cricket Bund (DCB) hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als vervierfacht. 6500 Spieler sind es mittlerweile in mehr als 370 Mannschaften. In der Öffentlichkeit spielt die Sportart aber immer noch keinerlei Rolle. 636 Gefällt-Mir-Angaben hat die Facebook-Seite des DCB.
Zum Vergleich: Der Deutsche Fußball-Bund hat 6,4 Millionen. Aber auch andere Randsportarten wie beispielsweise Kegeln haben online fast die zehnfache Aufmerksamkeit. "Es ist nicht mal eine Nische. Es findet unter Deutschen praktisch nicht statt", erzählt Merz.
Deshalb hat er auch Probleme die nötige Ausrüstung zu bestellen. Zwar kann man im Internet aus England die Bälle und Schläger bestellen, aus Pakistan oder Afghanistan sind die Sachen aber deutlich günstiger. "Da hat uns der Zoll einen Strich durch die Rechnung gemacht", berichtet Merz. Die Gesetzeshüter überprüften die Pakete aus dem Nahen Osten, bohrten Löcher in Bälle und Schläger und hatten nichts zu beanstanden an den Sportgeräten. Zu gebrauchen waren diese dann nicht mehr.
Abschiebungen sind ein Problem
Wie hart so ein Ball ist, lässt sich beim Zugucken nur erahnen. Doch nach dem Spiel erzählt Merz, dass er schon drei Mal mit seinen Spielern ins Krankenhaus musste. Sie hatten einen Ball abbekommen. Sofort bildeten sich golfball-, ja fast cricketballgroße Eier. "Herr Wolfgang bringt uns dann immer zum Arzt", schildert Ahmed Sajeed.
Sie haben es also nicht leicht beim Lengfelder Cricket-Team. Das größte Problem sind die Abschiebungen. Erst in diesem Frühjahr sind Spieler abgeschoben worden oder mussten nach Frankreich weitereisen, weil sie hier nur wenig Chancen auf eine Anerkennung hatten.
Einige von ihnen waren bestens integriert, haben teilweise seit acht Jahren in Deutschland gelebt. So wie Muhammad Amarkhil, der seit 2016 bei einer großen Würzburger Druckerei arbeitet und sich dort sehr wohl fühlt.
Neue Trikots dank Sponsoring
"Wir brauchen mehr Unterstützung von Sponsoren", weiß auch Isakhan Zazai. Denn in der Bundesliga-Saison, die im Mai beginnt, müssen sie alleine fünf Mal bis nach München fahren. Für neue Trikots hat es schon gereicht. Nach dem Testspielsieg gegen Erlangen verteilt Merz die neuen Leibchen, die drei Lengfelder Firmen gestiftet haben. Stolz posieren die Spieler mit ihren Trikots, als wären sie damit deutscher Meister geworden. Da ist es egal ob Cricket eine Randsportart ist oder sogar noch weniger. "Sport fördert die Integration. Und das ist gut so", findet Wolfgang Merz.