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WÜRZBURG
Würzburger Apotheker: „Versandhandel ist eine Bedrohung“
Vor dem Bayerischen Apothekertag am Wochenende in Würzburg gibt es politischen Sprengstoff. Michael Sax vom Apothekerverband erklärt die zentralen Forderungen.
Würzburger Apotheker: „Versandhandel ist eine Bedrohung“       -  Michael Sax, Bezirksvorstand des Bayerischen Apothekerverbandes.
Foto: Stefan Mahler | Michael Sax, Bezirksvorstand des Bayerischen Apothekerverbandes.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 06.05.2017 03:31 Uhr

Vor dem Bayerischen Apothekertag am Wochenende in Würzburg gibt es politischen Sprengstoff: Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs sorgt für Zukunftsängste bei den Pharmazeuten. Michael Sax, Bezirksvorstand des Bayerischen Apothekerverbandes für Unterfranken, erklärt die zentralen Forderungen seines Berufsstands.

Frage: In Deutschland und auch in Bayern geht die Zahl der Apotheken stetig zurück. Woran liegt das?

Michael SaX: Einer der Gründe ist, dass der Versandhandel den niedergelassenen Apothekern Probleme macht, befeuert wird das Ganze vom Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Oktober 2016, das nun ausländischen Apotheken auch den Versandhandel von verschreibungspflichtigen Medikamenten zu deutlich günstigeren Preisen erlaubt. Das ist ungerecht.

Wie viel Prozent des Apothekenumsatzes machen denn die rezeptpflichtigen Medikamente aus?

Sax: Durchschnittliche Apotheken machen ihren Umsatz zu etwa 80 Prozent mit rezeptpflichtigen Medikamenten, 20 Prozent mit freiverkäuflichen Arzneien. Für deutsche Apotheken gilt ja nach wie vor die gesetzlich festgelegte Preisbindung nach Arzneimittelpreisverordnung.

Danach darf der Apotheker beim Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nur drei Prozent auf seinen eigenen Einkaufspreis aufschlagen, zuzüglich eines Fixzuschlags von 8,35 Euro pro Packung und 16 Cent für die Vergütung des Notdienstes als Allgemeinwohlpflicht. Die Mehrwertsteuer wird zuletzt addiert.

Warum brauchen wir in Deutschland eine Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente?

Sax: Die Arzneimittelpreisverordnung dient dem Interessenausgleich aller Beteiligten. Den Patienten schützt sie davor, dass seine Notlage durch überhöhte Preise ausgenutzt wird. Feste Preise machen das Sachleistungsprinzip der Krankenkassen erst möglich. Zudem verhindert die Preisbindung destruktive Wettbewerbsformen und sichert eine flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ein Netz wohnortsnaher Apotheken. Sie sichert Objektivität und Neutralität gegenüber den Patienten in der Apotheke.

Wie viele verschreibungspflichtige Medikamente werden bereits im Versandhandel bestellt?

Sax: Im Versand läuft bislang mehr über die freikalkulierbaren Arzneimittel. Der Versand mit rezeptpflichtigen Medikamenten machte 2014 nach Packungen 0,6 Prozent aus. Das ist zum Glück noch sehr wenig. Doch durch dieses EuGH-Urteil wird sich das mit Sicherheit zulasten der deutschen Apotheken verschieben.

Warum eröffnen Sie dann keine Versandapotheke?

Sax: Versandhandel lohnt sich ja nur, wenn Sie große Mengen zu einem kleinen Preis vertreiben. Eine einzelne Apotheke kann das gar nicht leisten. Die Masse macht es. Sie bräuchten riesige Lagerräume, eine umfangreiche Logistik und viel Personal. In Deutschland konzentriert sich der Versandhandel daher auf etwa 30 Apotheken. Außerdem wird durch den Versand ein vermeintlicher Mehrkonsum gefördert, was meinem pharmazeutischen Verständnis der besonderen Ware Arzneimittel und den damit verbundenen Risiken nicht gerecht wird. Zudem wäre ich hier in Deutschland natürlich an die gültige Arzneimittelpreisverordnung gebunden.

Überall im europäischen Ausland, aber auch in den USA sind Arzneien günstiger als in Deutschland. Warum sind Medikamente hierzulande so teuer?

Sax: Das ist so nicht ganz richtig. Im Zuge der frühen Nutzenbewertung gibt es eine Vielzahl von Medikamenten, die in Deutschland günstiger sind als im europäischen Ausland. Generell hat in Europa jedes Land eine eigene Arzneimittelpreisbindung. Pharmahersteller in Deutschland können in den ersten zwölf Monaten nach der Zulassung eines neuen, innovativen Arzneimittels den Preis selbst bestimmen. Im Schnitt dauert es durchschnittlich zwölf Jahre von der Idee bis zur Zulassung eines Arzneimittels. Sprich, bevor man mit Medikamenten etwas verdient, muss man viel Geld investieren.

Welche Vorteile habe ich, wenn ich nicht im Internet, sondern vor Ort meine Medikamente kaufe?

Sax: Der Apotheker vor Ort klärt sofort über Wechselwirkungen und Nebenwirkungen auf. Über einen Botendienst wird von uns das Medikament bis ans Bett gebracht, wenn der Patient zum Beispiel keine Angehörigen hat. Wir machen Nacht- und Notdienst und erfüllen so wichtige Gemeinwohlaufgaben, die uns der Gesetzgeber auferlegt hat. Zudem stellen wir selbst Rezepturen her.

Dennoch haben viele Menschen die Nebenwirkungen von freiverkäuflichen Schmerzmitteln unterschätzt. Wurden sie richtig aufgeklärt?

Sax: Schmerzmittel werden häufig unkritisch angewendet – teilweise mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit. Im Internet kann man 20 Packungen Thomapyrin kaufen, ohne dass ein Hahn danach kräht. Wenn bei mir jemand zum zweiten Mal in der Woche kommt, um Kopfschmerztabletten zu kaufen, dann liegt wohl ein chronischer Schmerzzustand vor und der gehört in ärztliche Hände. Außerdem informieren wir natürlich über Nebenwirkungen von Schmerzmitteln wie chronische Leber- und Nierenschädigungen.

Welche Gesundheitspolitik wünschen Sie sich in den Wahlprogrammen?

Sax: Ich wünsche mir ein klares Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke vor Ort. Im Falle des EuGH-Urteils muss die Politik handeln und den Versand mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verbieten. Denn das ist eine Bedrohung für die hiesigen Apotheken und kann zu großem volkswirtschaftlichen Schaden führen. In 21 Mitgliedsstaaten in Europa ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ebenfalls verboten.

 
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Kommentare
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  • info@sjr-wuerzburg.de
    An die bisherigen Kommentatoren: Und die Onlineapotheke liefert auch nachts um 3, wenn ich notfallmäßig was brauche? Ich bin hier sehr froh, dass wir noch Apotheken vor Ort mit persönlicher Beratung und Nachtdiensten haben!
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  • R.Silber
    Das Zauberwort heißt doch Wettbewerb und diesem mussten sich die Apotheken bis vor 2 Jahren kaum stellen, allenfalls untereinander. Und wenn ich Nachts notfallmäßig ein Medikament benötige, dann liefert mir das die Notfallapotheke, dafür bezahle ich schließlich. Was aber ist daran verwerflich mir Medikamente billiger zu bestellen und den Profit nicht an den Apotheker weiter zu geben? Jahrzehntelang haben Apotheken sehr gutes Geld auf Grund der hohen Gewinnmargen verdient. Jetzt, wo plötzlich ein Wettbewerb stattfindet, dem sich alle anderen Branchen schon lange stellen müssen, kommt das große Jammern. Ganz ehrlich, mein Mitleid hält sich in Grenzen.
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  • R.Silber
    Sehr geehrter Herr Sax, da haben Sie aber Glück gehabt, dass die Globalisierung erst jetzt bei Ihnen angekommen ist. Die meisten Branchen in Deutschland müssen sich seit über 15 Jahren der Konkurrenz aus dem Ausland stellen und dies mit enormen Lohn- und Materialunterschieden. Nennen Sie mir einen vernünftigen Grund warum ich für eine Packung Aspirin 6 € zahlen soll, wenn ich das exakt gleiche Medikament im Internet für 2,80 € bestellen kann? Damit ich den Apotheker meines Vertrauens weiterhin bereichere? Globalisierung funktioniert nun mal nicht nach dem Floriansprinzip, sondern muss die Marktwirtschaft gänzlich mit einschießen.
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  • mausschanze
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • belissimo
    Jammern auf hohem Niveau!!
    Hier geht es den Apotheken doch nur um die Kohle. Dann haben sie halt zwanzig Prozent weniger im Monat, statt 10.000 nur noch 8.000€. Sie werden nicht am Hungertuch nagen.
    Und der Service den die kleine Apotheke vor Ort bietet, wird auch künftig nicht alles über das Netz verkaufen lassen.
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  • eisbaer61
    dass wir in einer Notlage durch überhöhte Preise und Arroganz ausgenutzt werden.
    Endlich haben die zu vielen Apotheker eine Konkurrenz.
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  • pmueller55
    Jammern auf hohem Niveua.
    Jahrzehnte Lang haben sich die Apotheker eine "goldene Nase" verdient und Geld ohne Ende gescheffelt.
    Willkommen in der Realität.
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  • Fr-goetz@t-online.de
    Wunschdenken Herr Sax!
    Was glauben Sie was sich andere Sparten wie unsere mit dem internationalen Handel rumschlagen muss. Wir müssen uns auch der Globalisierung stellen, uns hilft auch keiner. Das sind die Folgen dieser Politik und da kommen wir ja noch gut weg. Gehen sie mal in die Drittlaender wie hart es diese trifft. Das wäre schön wenn jeder, dem wo was nicht gelegen kommt, das politisch verbieten könnte. Dann müssen sie den Sozialismus wieder einführen! Da können sie solche Gedanken verwirklichen! Eines Tages wird die Technik dem Menschen ernähren müssen, weil alle Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, was sagen sie dann?
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