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Würzburger Ansichten: Machtversessen, Stadt vergessen
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 07.05.2014 19:16 Uhr

Womöglich hat Würzburgs neuer Oberbürgermeister Christian Schuchardt zur ersten Arbeitssitzung des Stadtrates an diesem Donnerstag auch die Stadtreiniger eingeladen. Denn nach der dramatischen Bürgermeisterwahl am Montag ist ein Scherbenhaufen zu beseitigen. Nur: Glaubt wirklich ernsthaft jemand, zur Tagesordnung übergehen zu können? Dann hätte man nicht begriffen, welcher Flurschaden hier angerichtet wurde. Für den Stadtrat, für Würzburg, für die Politik generell.

Durch die Kampfabstimmung, das zweimalige Patt und schließlich die Verlosung eines Bürgermeisteramtes – mit der glücklichen Gewinnerin Marion Schäfer (SPD) – hat der neue Stadtrat gleich zum Auftakt gezeigt: Er ist nicht nur zersplittert – er ist auch blockiert. Die Hauptverantwortung dafür trägt die CSU als die mit Abstand größte Fraktion. Sie hätte die Chance gehabt, nach einem Wahlkampf zweier Lager nun den Ausgleich, das Miteinander zu suchen. Stattdessen hat sie gespalten, hat den Keil noch weiter zwischen die beiden Lager getrieben und die gerade beginnende Wahlperiode nachhaltig belastet.

Aber das Wohl der Stadt und der Wille des Wählers scheinen nachrangig gegenüber eigenen Machtgelüsten. Statt den Kompromiss zu suchen, hat die bürgerlich-konservative Wahlallianz Würzburg blamiert. Hat durch den Postenpoker nur Verlierer hinterlassen: den mühsam gewählten Bürgermeister Bauer, die geloste Bürgermeisterin Schäfer, den unterlegenen Kandidaten Spatz (FDP), den hilflos wirkenden OB, einen handlungsunfähigen Stadtrat.

Ein Armutszeugnis war dabei die CSU-Strategie, FDP-Mann Spatz ins Amt heben zu wollen, ohne sich entschlossen für ihn zu erklären – nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach' mich nicht nass.“ Statt Politik mit offenem Visier wird versteckt taktiert. Strippenzieherzeit. Wer erinnert sich noch an das große Jammern nach der dürftigen Wahlbeteiligung am 16. März? Mit solcher Art Politik – machtversessen und engstirnig – wird der Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit nur Vorschub geleistet.

Eisig war die Atmosphäre am Montag im Ratssaal, als das Patt-Ergebnis feststand. Und kühl dürfte es zwischen den beiden Blöcken auch an diesem Donnerstag bei der ersten Arbeitssitzung zugehen. Natürlich wird man bei vielen unstrittigen Themen breite Mehrheiten finden. Aber eine Stadt entwickelt sich nicht durch das Fraglose, das Selbstverständliche. Würzburg lechzt nach Fortschritt, nach Aufbruch, nach Weichenstellungen von Dauer – auch gegen Widerstände. Dafür bräuchte es verlässliche Mehrheiten.

Stattdessen gibt dieser schwarze Montag Anlass zu Sorge und Skepsis für die kommenden sechs Jahre. Oberbürgermeister Christian Schuchardt wird sich schleunigst aus den Fesseln seiner Wahlallianz lösen müssen, wenn er sein Versprechen des Zusammenführens ernst meint. Der Auftakt ist misslungen, das Signal nach außen verheerend.

Da sind sie wieder, die Würzburger Verhältnisse.

 
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  • H. H.
    Das war ja ein Auftakt nach Maß (wenn auch nicht so wie die Initiatoren sich das wohl vorgestellt hatten)...

    Was können die Bürger/innen also jetzt erwarten? Fremdbestimmte Politik, von einer Marionette in den Stadtrat eingebracht und von unkritischen Rät/innen abgenickt? Ein Dauer-Patt von zwei anscheinend gleichstarken Lagern? Ach ja: wie gehts jetzt mit dem MOZ weiter? Und dem Leighton-Stadtteil/ der Linie 6? Der Stadtentwicklung überhaupt? Hm. Will ich das überhaupt wissen? Oder ahne ich schon, dass ich das lieber gar nicht wissen will?

    Vielleicht muss ich mich auch mal als OB-Kandidat aufstellen lassen, weil eins wäre im Wahlfall sicher: mein Verdienst. Dass ich nichts reißen kann, schieb ich nachher auf die widrigen Verhältnisse/ den bösen Stadtrat. Ah Schasbatt, ich hab allerdings keinen sicheren Behördenjob, in den ich mich ggf. wieder zurückgleiten lassen kann...
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Sehr schön Herr Jungbauer. Bravo! Sie schreiben mir aus der Seele.
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  • F. M.
    Herr Jungbauer spricht mir aus der Seele.
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  • M. H.
    Christian Schuchardt hat seine Pflicht aus dem Wahlbündnis erfüllt. Das Losglück hat Spatz verhindert...
    ...jetzt kann es so richtig offen losgehen!
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  • O. S.
    Würzburg hätte sich mal wieder ein Beispiel an Schweinfurt nehmen können. Dort hat die CSU mit 22 von 45 Stimmen fast die absolute Mehrheit und könnte nahezu durchregieren. Aber OB Sebastian Remele (CSU) und die Partei wählten den Weg der Vernunft, unterstützten beim 3. Bürgermeister die SPD als zweitstärkste Fraktion und beantragte sogar noch eine Vergrößerung der Ausschüsse, damit alle in den Stadtrat gewählten Gruppierungen mit am Tisch sitzen können. Auch das scheint eine Möglichkeit zu sein CSU-Politik zu machen. Wieder einmal bleibt uns Würzburger nur der neidvolle Blick auf Schweinfurt!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    ... für diese zutreffenden Worte. Das Glück hat es eingerichtet, dass die Spielchen der Würzburger CSU, der Bötschens, Jörgs und Stamms und ihrer "Marionette" Schuchardt nicht aufgingen. Gelitten hat einmal mehr die Politik-Kultur. Mal sehen, was am Donnerstag im Stadtrat passiert. Schließlich sollen da ja Aufsichtsrats- und Ausschuss-Posten vergeben werden. Wir werden dann bei Ihnen lesen, wer seine Belohnungen für das Mitmachen bei den Machenschaften der C-Partei bekommt.
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  • A. S.
    Freie und geheime Wahlen. Zwei Kandidaten mit realistischen Chancen. Der Montag war ein Fest der Demokratie für Würzburg - bis auf die Tatsache, dass ein deart wichtiges Amt letztendlich durch ein Losentscheid vergeben wurde.
    Gerade solche Momente sind das wichtigste Werkzeug gegen Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit! Politik kann, ja muss öfters so spannend und lebendig sein wie am vergangenen Montag um endlich wieder mehr Bürger und Bürgerinnen für Kommunalpolitik zu begeistern.
    Wer am Donnerstag im Stadtrat nicht wieder zur Tagesordnung übergehen kann, geht grob fahrlässig mit der Zukunft Würzburgs um!
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  • J. S.
    Herr Jungbauer hat es auf den Punkt gebracht. Gogolores hoch drei, was die CSU am Donnerstag abgezogen hat. Wenn das Lager vor hat, weiterhin eine solche Stadtpolitik zu betreiben, seh ich für viele anstehende Großprojekte in Würzburg tiefschwarz. Unreif, undurchdacht, unmöglich! Hoffentlich haben sie aus dem Scherbenhaufen gelernt und reißen das Ruder noch rum.
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  • N. R.
    Danke für diesen erhellenden und deutlichen Artikel, Herr Jungbauer.

    Wir hoffen trotz alledem das Beste für WÜ.

    @ kropka: Nicht den Teufel an die Wand malen! zwinkern
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  • J. P.
    Jetzt stellt sich schon am Beginn heraus, dass leider eine Marionette im Griff der alten CSU und abgehalfterten anderen Wichtigtuern gewählt wurde...
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  • R. B.
    Leider wurden zwei Kommentare von mir hierzu nicht veröffentlicht, offensichtlich weil ich den Namen eines AltOB genannt hatte. Aber immer, wenn diese "abgehalfterten ..." hinter den Kulissen am Werk waren, ging es um Intrigen, Mauschelei und Postenschacherei. Undenkbar auch, dass diese Vorgehensweise nicht mit dem Kreisvorstand der örtlichen CSU abgestimmt war. Der neue OB und die neue Fraktionsvorsitzende haben ihre Feuertaufe jedenfalls nicht bestanden und mit ihrer gesamten Parteiprominenz die Stadt wieder einmal der Lächerlichkeit preisgegeben.
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  • A. G.
    Ich kann nur beipflichten: Auf den Punkt gebracht – besser hätte man es nicht beschreiben können. Vielen Dank Herr Jungbauer! Die Hoffnung die viele Wähler in den neuen Stadtrat gesetzt haben wurde schon gleich am Anfang zunichte gemacht. Ein Schandstück ! (schändliches Bühnenstück); deut. Wörterbuch). Welch ein Glück, dass der Spatz nicht vom Dach pfeift.
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