Ich bin die personifizierte Weihnachtsstimmung. Am liebsten würde ich schon Ende Oktober meine Deko aus dem Keller zerren, anfangen zu schmücken und dabei amerikanische Weihnachtslieder hören. Wenn in der vorletzten Novemberwoche auf dem unteren Marktplatz die Männer mit den Kränen anrollen und den Weihnachtsbaum aufstellen, die Girlanden aufhängen und die Schustergasse verschönern, fang ich an, Weihnachtsmarkt-Dates zu vereinbaren.
Ich liebe die Zeit vor Weihnachten. Und zwar so sehr, dass ich kurz davor Geburtstag habe. Mein Sternzeichen ist quasi Weihnachtself. Als ich ein Kind war, hatte ich allerdings schnell begriffen, wie ungünstig sich das auf meine Geschenksituation auswirkt. Entweder gab es bereits an meinem Geburtstag "was Großes" oder an Weihnachten was "vom Christkind und der Oma zusammen".
Höhepunkt des Ganzen war (und ist es mitunter bis heute), dass meine Geburtstagsgeschenke alle in Weihnachtspapier eingepackt wurden. Was soll das? Ich habe auch ein Recht auf normales Geschenkpapier. Wobei man sich heutzutage ja fast schon schämen muss, wenn man überhaupt was schön verpackt (oder wie ich Wert darauf legt). Zero Waste und so.
Auch mein kindliches Heiligabend-Trauma kann an meiner Leidenschaft für die Adventszeit nicht rütteln: 24. Dezember 1986, circa 17 Uhr. Meine Mutter an der Blockflöte und ich am Klavier im Büro meines Vaters. Daneben befand sich das Wohnzimmer mit Baum und Krippe, wo meine Schwester und Vater versucht haben herauszufinden, welches Lied meine Mutter und ich spielen, damit sie dazu singen konnten. Die völlig unzureichende Qualität unserer musikalischen Darbietung führte jedoch nicht dazu, dass die Performance abgebrochen wurde. Vom Ehrgeiz gepackt, versuchten wir wieder und wieder den Anfang von "Ihr Kinderlein kommet" gemeinsam zu finden, bis mein Vater entnervt ins Zimmer kam und uns verboten hat, weiter zu musizieren.
Obwohl ich nicht gut backen kann, mache ich es jedes Jahr trotzdem: In Gesellschaft, mit korrespondierenden (Glüh-)Weinen, Musikbegleitung und jeder Menge Aufräumspaß hinterher. Das restliche Jahr verbringe ich dann damit, angerissene Haselnusstüten, übriggebliebene Kuvertüre Schokolade oder verklebte Oblaten von A nach B zu räumen. Und dann vergesse ich natürlich, dass ich noch Reste habe (das passiert mir übrigens auch mit unbeliebten Plätzchensorten in Blechdosen ganz hinten auf dem Küchenschrank) und kaufe alles neu.
Außerdem bastele ich mit meinem Kind Karten, Girlanden, Fensterbilder und Dinge, die Oma und Opa exakt eine Woche aufheben, um sie dann wegzuschmeißen.
Gequält von den Nachwehen zahlreicher Weihnachtsfeiern, Glühweinabenden und Instagram-Posts zum Thema "Mein Adventskranz 2022" sinke ich an meinem Geburtstag erschöpft aufs Sofa, friere dieses Jahr ein bisschen dazu und schaue mir die 1000. Wiederholung von "Sissi" an. Herrlich, ich freu mich jetzt schon drauf.
Text: Claudia Görde
Foto: Thomas Obermeier/Montage Anne Schmidhuber
Claudia Görde ist Autorin der Kinderbuchreihe "Fritzi und Lulu".
In der Kolumne "Würzburger Adventskalender" schreiben Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.