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Würzburger Adventskalender: Weihnachten in der "Prairie"
Würzburger Adventskalender: Weihnachten in der 'Prairie'
Sabrina Zinke
 |  aktualisiert: 14.12.2024 02:32 Uhr

2001, August, Havanna: Es war heiß, heiß, heiß und das "Straßen-in-Quadrate"-System verstand ich erst nach dem dritten Cuba libre. Am Malécon traf ich Abenteurer aus der Schweiz und wir entdeckten und eroberten die Insel fortan gemeinsam. Nach vier Wochen ging es zurück nach Berlin (ich) und nach Bern (meine neuen Freunde) und ich versprach ihnen, dass ich das Band der Freundschaft nicht fallen lassen werde.

Zurück in Berlin schrieb ich eine Postkarte: Ich komme Weihnachten zu Euch! Mit Schal, Muff und Ohrenschützer stieg ich bei der Mitfahrgelegenheit von Berlin nach Bern ein und streichelte zehn Stunden lang einem Berner Sennenhund das Fell. Es war mein erstes Weihnachten, das ich nicht im trauten Familienkreis verbrachte.

In Bern angekommen, hatte ich das Bedürfnis, an Heiligabend bei einer Suppenküche mitzuhelfen. So zog ich los im verschneiten Bern und klopfte an verschiedene Kirchenportale, um nachzufragen, ob diese zu Weihnachten ein kleines Festmahl zubereiteten für Menschen, die vielleicht keine Familie oder Freunde hatten, die mit ihnen feierten.

In Berlin brachte der Musiker Frank Zander immer zur Weihnachtszeit Menschen an einen Tisch, die ansonsten sehr selten Beachtung fanden. Die Klöße, der Rotkohl, die Gans wurden dann von Prominenten aus Politik und Kultur serviert. So etwas, dachte ich mir, wollte ich in Bern auch unterstützen. Als ich bei der Dreifaltigkeitskirche anklopfte, war man sehr verwundert, dass eine Deutsche zum Helfen in der Gassenküche (wie die Suppenküche in der Schweiz heißt) in die Schweiz kam. Unweit der Kirche gelegen war das "Offene Haus la Prairie", das zu Heiligabend ein Essen für alle Menschen anbot, die Heiligabend nicht allein sein wollten. So schnippelte ich Karotten, Kartoffeln und Kraut.

Das große Festessen wurde in einem liebevollen und gemütlichen Ambiente abgehalten, mit weißen Tischdecken, Stoffservietten und edlem Silberbesteck. Und zum ersten Mal hörte ich Geschichten von Menschen, die sich nicht nach einem Märchen anhörten oder nach dem Land, wo Milch und Honig fließen. Gegen 22 Uhr leerte sich langsam der kleine gemütliche Festraum, ich hatte mich zum Abwasch gemeldet.

Draußen vor dem Fenster fielen große Schneeflocken vom Himmel. Ich machte das Küchenlicht aus, um das funkelnde Schneetreiben zu beobachten und ich nahm mir vor, nicht den Bus zur Wohnung zu meinen Freunden zu nehmen, sondern die längste Straße entlangzulaufen und die Schneeflocken auf mich rieseln zu lassen. Die Straße war so leer, dass ich mitten auf der Fahrbahn lief. Der Schnee knirschte unter meinen Schuhen, auf meiner Nase tanzten die Schneeflocken und mein Haar glitzerte vom Schnee. Es war meine schönste Weihnachtsnacht: 2001, Dezember, Bern.

Foto: Michael Schwarz

Sabrina Zinke ist stellvertretende Leiterin des Würzburger Stadtarchivs.

In der Kolumne "Würzburger Adventskalender" schreiben Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.

 
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