
Weihnachtliche Klassik schwingt aus dem Radio, während ich beim Frühstück sitze. Auf dem Tisch leuchten bereits drei Kerzen des Adventskranzes und an der Wand hinter der Eckbank lehnt der Schoko-Adventskalender. Noch immer ist nur ein einziges Türchen geöffnet. Jeden Morgen betrachte ich ihn und jeden Morgen denke ich mir: "Ach nein, ich bin einfach kein Schokoladen-Fan."
Auch wenn mir Schokolade nicht schmeckt, finde ich Adventskalender eine tolle Sache. Und dabei geht es nicht nur um die kleinen Überraschungen, die verborgen sind und die man jeden Tag erhält. Es geht um Geduld und um Warten.
Der erste Adventskalender geht – in Gestalt eines Adventskranzes – auf Johann Hinrich Wichern (1839) zurück und begründete eine zunächst lutherische Tradition des Advents, die schnell gesamtchristlich wurde. In katholischen Haushalten legte man – und ich kenne das noch aus meiner Kindheit – jeden Tag einen Strohhalm in eine Krippe, bis sie am Heiligen Abend gefüllt und bereit für das Jesuskind war. Der Hintergrund ist der gleiche: Die Wartezeit auf die Geburt Christi soll verkürzt oder zelebriert werden und die Vorfreude soll vergrößert werden.
Und egal ob man es aus religiöser oder aus weltlicher Sicht betrachtet: Vorfreude ist immer eine sehr schöne Freude. Denn besonders in Zeiten, in denen ständig und überall konsumiert wird und der Lebensstil vieler Menschen darauf ausgerichtet zu sein scheint, möglichst viel Spaß und Genuss in dem angeblich viel zu kurzen Leben zu erleben, tut es uns allen gut, sich der Vorfreude anstelle der Freude hinzugeben, echte Wartezeit zu erfahren und vor allem sich an kleinen Dingen zu erfreuen.
Das mag Schokolade sein, Tee oder persönlich und individuell gestaltete kleine Geschenke. Ich selbst erinnere mich sehr gerne auch an die für mich "klassischen" Adventskalender, die nur ein kleines Bildchen hinter den Türchen haben, eine Glocke, einen Stern oder ein Schaukelpferd. In diesem Jahr erfreue ich mich an einem Rätsel-Adventskalender. Er kommt ohne Zahlen auf den Türchen aus, weil man das Türchen des nächsten Tages immer in teilweise herausfordernden Rätseln ermitteln muss.
Und wer sich selbst oder seinen Lieben für das nächste Jahr einen interessanten und philosophischen Adventskalender schenken möchte, dem empfehle ich das Buch oder Hörbuch von Jostein Gaarder: "Das Weihnachtsgeheimnis". Ein kleiner Junge findet in seinem Adventskalender jeden Tag ein neues Kapitel einer Geschichte, die ihn auf eine Reise quer durch Europa und auf eine 2000-jährige Zeitreise führt. Während dieser Reise erfährt er die Geschichte Europas und am Ziel angekommen entdeckt er das Geheimnis um Weihnachten.
Julian Wendel ist Behindertenbeauftragter der Stadt Würzburg.
In der Kolumne "Würzburger Adventskalender" schreiben Menschen aus der Region Würzburg Anekdoten und Gedanken rund um Advent und Weihnachtsfest.